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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Wandermtgelt d"und Pesth.



it.

Nicht so schlimm, aber noch Schlamm. -- Der permanente Landtag. -- Der ungarische Lamartine. --
Die Mandarinen. -- Protcstlrtc Ordonnanzen. -- Wie weit ein Vicegespan den Mund aufmachen
kann. -- Deutsche, aber nicht Deutschland in Pesth. -- Drei leibhaftige Clubbs. --
Ungarische Toaste. -- Der Fuchsbau. -- Der unglückliche Lamenais.

So schlimm ist es wohl nicht mehr in den ungarischen Hauptstädten, wie ehe¬
dem, wo Fremde zuweilen spurlos verschwanden, der Einbruch an der Tagesord¬
nung war, und die zu Markt führenden Kaufleute gerne an die Ritter vom
langen Finger einen Tribut gezahlt hätten, um eine Sicherheitskarte für ihre Bu¬
den und Magazine zu erhalten. Dckmals theilte uoch die Sicherhcitsbehörde mit
den Meistern der freien Kunst, und goldene Schlüssel öffneten die Hinterthüren der
Gesetze. Auf dem Lande soll es noch jetzt in dieser Beziehung schlimm hergehen.
Doch wäre es auch in der Hauptstadt noch heute uicht gerathen, in später
Nacht durch die Gassen der Theresienstadt oder der Ofncr Vorstädte einsam zu
wandeln oder gar sich in den vielen Tempeln der Tugend zu verlieren. Beim
Aufsteigen aus dem Dampfboot und in jedem Gedränge ist es noch heute noth¬
wendig, die Hand ans der Brust in der Gegend der Brieftasche zu halten; die
Marktbuden müssen noch immer mit Argusaugen bewacht werden, trotzdem Markt¬
wächter mit alten Hellebarden durch die Reihen ans und nieder gehen. Wer in
einer Parterre-Wohnung des Nachts um frische Luft einzulassen die Fenster offen
läßt, kann mit Gewißheit darauf rechnen, daß unlustige Gegenstände aus den
Fenstern hinauswandern. Gitter schützen nicht ganz, die langen Finger verlängern
sich durch Haken, die Alles so gut fassen, wie die Rüssel der Elephanten. Man
kann noch heute uicht seine Wohnung schließen und mit der Familie einen Aus¬
flug machen. Es ist gar leicht der Fall, daß inzwischen fremder Besuch kommt,
der sich die Freiheit nimmt, die Zimmer zu öffnen, um sich ein wenig darin um¬
zusehen.

Der Stadtpöbel und das Landvolk stehen aber auch auf einer gar niedern
Stufe der Gesittung. Gute Volksschulen sind für Ungarn dringendes Bedürfniß,


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Wandermtgelt d»und Pesth.



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Nicht so schlimm, aber noch Schlamm. — Der permanente Landtag. — Der ungarische Lamartine. —
Die Mandarinen. — Protcstlrtc Ordonnanzen. — Wie weit ein Vicegespan den Mund aufmachen
kann. — Deutsche, aber nicht Deutschland in Pesth. — Drei leibhaftige Clubbs. —
Ungarische Toaste. — Der Fuchsbau. — Der unglückliche Lamenais.

So schlimm ist es wohl nicht mehr in den ungarischen Hauptstädten, wie ehe¬
dem, wo Fremde zuweilen spurlos verschwanden, der Einbruch an der Tagesord¬
nung war, und die zu Markt führenden Kaufleute gerne an die Ritter vom
langen Finger einen Tribut gezahlt hätten, um eine Sicherheitskarte für ihre Bu¬
den und Magazine zu erhalten. Dckmals theilte uoch die Sicherhcitsbehörde mit
den Meistern der freien Kunst, und goldene Schlüssel öffneten die Hinterthüren der
Gesetze. Auf dem Lande soll es noch jetzt in dieser Beziehung schlimm hergehen.
Doch wäre es auch in der Hauptstadt noch heute uicht gerathen, in später
Nacht durch die Gassen der Theresienstadt oder der Ofncr Vorstädte einsam zu
wandeln oder gar sich in den vielen Tempeln der Tugend zu verlieren. Beim
Aufsteigen aus dem Dampfboot und in jedem Gedränge ist es noch heute noth¬
wendig, die Hand ans der Brust in der Gegend der Brieftasche zu halten; die
Marktbuden müssen noch immer mit Argusaugen bewacht werden, trotzdem Markt¬
wächter mit alten Hellebarden durch die Reihen ans und nieder gehen. Wer in
einer Parterre-Wohnung des Nachts um frische Luft einzulassen die Fenster offen
läßt, kann mit Gewißheit darauf rechnen, daß unlustige Gegenstände aus den
Fenstern hinauswandern. Gitter schützen nicht ganz, die langen Finger verlängern
sich durch Haken, die Alles so gut fassen, wie die Rüssel der Elephanten. Man
kann noch heute uicht seine Wohnung schließen und mit der Familie einen Aus¬
flug machen. Es ist gar leicht der Fall, daß inzwischen fremder Besuch kommt,
der sich die Freiheit nimmt, die Zimmer zu öffnen, um sich ein wenig darin um¬
zusehen.

Der Stadtpöbel und das Landvolk stehen aber auch auf einer gar niedern
Stufe der Gesittung. Gute Volksschulen sind für Ungarn dringendes Bedürfniß,


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[0417] Wandermtgelt d»und Pesth. it. Nicht so schlimm, aber noch Schlamm. — Der permanente Landtag. — Der ungarische Lamartine. — Die Mandarinen. — Protcstlrtc Ordonnanzen. — Wie weit ein Vicegespan den Mund aufmachen kann. — Deutsche, aber nicht Deutschland in Pesth. — Drei leibhaftige Clubbs. — Ungarische Toaste. — Der Fuchsbau. — Der unglückliche Lamenais. So schlimm ist es wohl nicht mehr in den ungarischen Hauptstädten, wie ehe¬ dem, wo Fremde zuweilen spurlos verschwanden, der Einbruch an der Tagesord¬ nung war, und die zu Markt führenden Kaufleute gerne an die Ritter vom langen Finger einen Tribut gezahlt hätten, um eine Sicherheitskarte für ihre Bu¬ den und Magazine zu erhalten. Dckmals theilte uoch die Sicherhcitsbehörde mit den Meistern der freien Kunst, und goldene Schlüssel öffneten die Hinterthüren der Gesetze. Auf dem Lande soll es noch jetzt in dieser Beziehung schlimm hergehen. Doch wäre es auch in der Hauptstadt noch heute uicht gerathen, in später Nacht durch die Gassen der Theresienstadt oder der Ofncr Vorstädte einsam zu wandeln oder gar sich in den vielen Tempeln der Tugend zu verlieren. Beim Aufsteigen aus dem Dampfboot und in jedem Gedränge ist es noch heute noth¬ wendig, die Hand ans der Brust in der Gegend der Brieftasche zu halten; die Marktbuden müssen noch immer mit Argusaugen bewacht werden, trotzdem Markt¬ wächter mit alten Hellebarden durch die Reihen ans und nieder gehen. Wer in einer Parterre-Wohnung des Nachts um frische Luft einzulassen die Fenster offen läßt, kann mit Gewißheit darauf rechnen, daß unlustige Gegenstände aus den Fenstern hinauswandern. Gitter schützen nicht ganz, die langen Finger verlängern sich durch Haken, die Alles so gut fassen, wie die Rüssel der Elephanten. Man kann noch heute uicht seine Wohnung schließen und mit der Familie einen Aus¬ flug machen. Es ist gar leicht der Fall, daß inzwischen fremder Besuch kommt, der sich die Freiheit nimmt, die Zimmer zu öffnen, um sich ein wenig darin um¬ zusehen. Der Stadtpöbel und das Landvolk stehen aber auch auf einer gar niedern Stufe der Gesittung. Gute Volksschulen sind für Ungarn dringendes Bedürfniß, 54*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/417>, abgerufen am 01.09.2024.