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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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VII.
Notizen.

Graul-Me'S Thierstücke -- Ein Jagdtraum. -- Zola M>-ut"j.

-- Von den vielbekanntcn les anlmnux peint nar eux nomo ist nur eine
deutsche Uebersetzung erschienen und was noch viel besser ist, mit den Original-
stichcn ausgestattet. In einer großen Anzahl von Thicrstückcn wird da das Staats¬
und Familienleben dargestellt. Es sind gleichsam gemalte Fabeln. Aesop und
Lafontaine ließen durch Thiere nur allgemeine menschliche Eigenschaften repräsen-
tiren, sie wurden daher allmälig ein Lesebuch für Kinder. Grandvillc's Bilder
aber geben detaillirte Anschauungen von all' den Tausend Scenen, welche die
menschliche Schwäche und Thorheit im Großen und im Kleinen spielt und an die
man sich dergestalt gewohnt hat, daß man sie kaum mehr albern und lächerlich
findet, wenn man nicht gerade das Privilegium der Satyre und der Menschen¬
kunde von Gottes Gnaden hat. Grandville läßt all' unser Treiben von ent¬
sprechenden Thiercharakteren ausüben, und man sieht gleich all' die Dinge mit
andern Angen nu. Wahrhaftig es wird Einem ganz unheimlich in dieser Welt
Grandvillc's und man fühlt sich unwillkürlich selbst nach dem Kopfe, um die
Länge der Ohren zu prüfen, oder eilt vor den Spiegel, um ängstlich nachzusehen,
ob man denn nicht ein abscheuliches Huudemaul oder einen Katzenkopf auf seinen
Schultern trage. Wessen Phantasie diese Bilder lebhaft aufgenommen, der müßte,
glaube ich, bei jeden Schritt durch die Straße und die Gesellschaft entweder laut
auflachen oder sich über seine Umgebung entheben, denu er sieht überall Grand¬
villc's Thierstücke, trotz aller Verkleidungen der Mode. Indessen wir Deutsche
können in dieser Bildersammlung nnr Vorstudien für unsren einstigen Constitn-
tionaliSm machen. Wir haben noch zu wenig öffentliches Leben, um schon zu
dessen Grimasse die Bilder zu liefern. Ans dem Grunde ist es anch nicht ganz
zu billigen, daß der ursprüngliche Text modifizirt, und die Scene nach Deutsch¬
land verlegt worden. Die Satyre, die schneidend die französischen Verhältnisse
trifft, berührt die deutschen nnr mit flacher Klinge. Wir hätten gar wohl die
französischen Originalien erkannt, die zu diesen Thicrstücken gesessen, denn man
kennt in Deutschland, Frankreich und Paris im allgemeinen viel besser als die
noch stark verschleierte Heimath mit ihren 38 Vaterländern und ihren Sitten
und Gcschverschicdcnhcitcn.

-- Ein Förster lag im Teutoburger Walde, Rast haltend, als zwei Wildschweine
kamen; eines dick und breit, das andere mager und von schmutzigen Borsten. --
Dn bist ein Ausländer, schnaubte der Dicke; was suchst Du in meinem Forst?
-- Ein Asyl, stöhnte der Hagere. Ich höre, daß bei Euch noch die gute alte



'> Grandvitte'S Bilder ein" dein Staats- und FamUicnl-be" der Thiere. Deutsch v"n A.
Diezmaim. Leipzig. Verlag von Teilbner.
VII.
Notizen.

Graul-Me'S Thierstücke — Ein Jagdtraum. — Zola M>-ut«j.

— Von den vielbekanntcn les anlmnux peint nar eux nomo ist nur eine
deutsche Uebersetzung erschienen und was noch viel besser ist, mit den Original-
stichcn ausgestattet. In einer großen Anzahl von Thicrstückcn wird da das Staats¬
und Familienleben dargestellt. Es sind gleichsam gemalte Fabeln. Aesop und
Lafontaine ließen durch Thiere nur allgemeine menschliche Eigenschaften repräsen-
tiren, sie wurden daher allmälig ein Lesebuch für Kinder. Grandvillc's Bilder
aber geben detaillirte Anschauungen von all' den Tausend Scenen, welche die
menschliche Schwäche und Thorheit im Großen und im Kleinen spielt und an die
man sich dergestalt gewohnt hat, daß man sie kaum mehr albern und lächerlich
findet, wenn man nicht gerade das Privilegium der Satyre und der Menschen¬
kunde von Gottes Gnaden hat. Grandville läßt all' unser Treiben von ent¬
sprechenden Thiercharakteren ausüben, und man sieht gleich all' die Dinge mit
andern Angen nu. Wahrhaftig es wird Einem ganz unheimlich in dieser Welt
Grandvillc's und man fühlt sich unwillkürlich selbst nach dem Kopfe, um die
Länge der Ohren zu prüfen, oder eilt vor den Spiegel, um ängstlich nachzusehen,
ob man denn nicht ein abscheuliches Huudemaul oder einen Katzenkopf auf seinen
Schultern trage. Wessen Phantasie diese Bilder lebhaft aufgenommen, der müßte,
glaube ich, bei jeden Schritt durch die Straße und die Gesellschaft entweder laut
auflachen oder sich über seine Umgebung entheben, denu er sieht überall Grand¬
villc's Thierstücke, trotz aller Verkleidungen der Mode. Indessen wir Deutsche
können in dieser Bildersammlung nnr Vorstudien für unsren einstigen Constitn-
tionaliSm machen. Wir haben noch zu wenig öffentliches Leben, um schon zu
dessen Grimasse die Bilder zu liefern. Ans dem Grunde ist es anch nicht ganz
zu billigen, daß der ursprüngliche Text modifizirt, und die Scene nach Deutsch¬
land verlegt worden. Die Satyre, die schneidend die französischen Verhältnisse
trifft, berührt die deutschen nnr mit flacher Klinge. Wir hätten gar wohl die
französischen Originalien erkannt, die zu diesen Thicrstücken gesessen, denn man
kennt in Deutschland, Frankreich und Paris im allgemeinen viel besser als die
noch stark verschleierte Heimath mit ihren 38 Vaterländern und ihren Sitten
und Gcschverschicdcnhcitcn.

— Ein Förster lag im Teutoburger Walde, Rast haltend, als zwei Wildschweine
kamen; eines dick und breit, das andere mager und von schmutzigen Borsten. —
Dn bist ein Ausländer, schnaubte der Dicke; was suchst Du in meinem Forst?
— Ein Asyl, stöhnte der Hagere. Ich höre, daß bei Euch noch die gute alte



'> Grandvitte'S Bilder ein» dein Staats- und FamUicnl-be» der Thiere. Deutsch v»n A.
Diezmaim. Leipzig. Verlag von Teilbner.
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[0405] VII. Notizen. Graul-Me'S Thierstücke — Ein Jagdtraum. — Zola M>-ut«j. — Von den vielbekanntcn les anlmnux peint nar eux nomo ist nur eine deutsche Uebersetzung erschienen und was noch viel besser ist, mit den Original- stichcn ausgestattet. In einer großen Anzahl von Thicrstückcn wird da das Staats¬ und Familienleben dargestellt. Es sind gleichsam gemalte Fabeln. Aesop und Lafontaine ließen durch Thiere nur allgemeine menschliche Eigenschaften repräsen- tiren, sie wurden daher allmälig ein Lesebuch für Kinder. Grandvillc's Bilder aber geben detaillirte Anschauungen von all' den Tausend Scenen, welche die menschliche Schwäche und Thorheit im Großen und im Kleinen spielt und an die man sich dergestalt gewohnt hat, daß man sie kaum mehr albern und lächerlich findet, wenn man nicht gerade das Privilegium der Satyre und der Menschen¬ kunde von Gottes Gnaden hat. Grandville läßt all' unser Treiben von ent¬ sprechenden Thiercharakteren ausüben, und man sieht gleich all' die Dinge mit andern Angen nu. Wahrhaftig es wird Einem ganz unheimlich in dieser Welt Grandvillc's und man fühlt sich unwillkürlich selbst nach dem Kopfe, um die Länge der Ohren zu prüfen, oder eilt vor den Spiegel, um ängstlich nachzusehen, ob man denn nicht ein abscheuliches Huudemaul oder einen Katzenkopf auf seinen Schultern trage. Wessen Phantasie diese Bilder lebhaft aufgenommen, der müßte, glaube ich, bei jeden Schritt durch die Straße und die Gesellschaft entweder laut auflachen oder sich über seine Umgebung entheben, denu er sieht überall Grand¬ villc's Thierstücke, trotz aller Verkleidungen der Mode. Indessen wir Deutsche können in dieser Bildersammlung nnr Vorstudien für unsren einstigen Constitn- tionaliSm machen. Wir haben noch zu wenig öffentliches Leben, um schon zu dessen Grimasse die Bilder zu liefern. Ans dem Grunde ist es anch nicht ganz zu billigen, daß der ursprüngliche Text modifizirt, und die Scene nach Deutsch¬ land verlegt worden. Die Satyre, die schneidend die französischen Verhältnisse trifft, berührt die deutschen nnr mit flacher Klinge. Wir hätten gar wohl die französischen Originalien erkannt, die zu diesen Thicrstücken gesessen, denn man kennt in Deutschland, Frankreich und Paris im allgemeinen viel besser als die noch stark verschleierte Heimath mit ihren 38 Vaterländern und ihren Sitten und Gcschverschicdcnhcitcn. — Ein Förster lag im Teutoburger Walde, Rast haltend, als zwei Wildschweine kamen; eines dick und breit, das andere mager und von schmutzigen Borsten. — Dn bist ein Ausländer, schnaubte der Dicke; was suchst Du in meinem Forst? — Ein Asyl, stöhnte der Hagere. Ich höre, daß bei Euch noch die gute alte '> Grandvitte'S Bilder ein» dein Staats- und FamUicnl-be» der Thiere. Deutsch v»n A. Diezmaim. Leipzig. Verlag von Teilbner.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/405>, abgerufen am 27.07.2024.