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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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war ein junger Franzose ans der Gegend von Avignon, der mit zerschmetterte"!
Gehirn an einem beliebten Punkte der hiesigen Umgegend gesunden wurde. An
demselben Abend sand ein ähnlicher, glücklicher Weise nicht gleich tragischer Fall
im Conversatwushause unmittelbar neben dem Roulette-Tische statt. Ein junger
Mann aus Baden selbst, der seine ganze Barschaft verspielt hatte, zog von al¬
len Umstehenden unbemerkt, ein scharfgeladenes Pistol aus der Tasche, setzte es
an den Mund und drückte ab. Mau horte das Getränk des Zündhütchens, aber
das Pistol selbst versagte. Da schleuderte der Unglückliche die Waffe weit von
sich, einem Croupier an den Kopf, sank ohnmächtig zu Boden und ward so von
den wachhabenden Polizcidienern in Verwahrung genommen und fortgeschafft.
Obgleich Benazet sich alle Mühe gab, diese Vorfälle zu verheimlichen, und kein
einziges Badener Blatt dieselben erwähnte, so haben sie doch viel Aufsehen unter
allen Badegästen erregt, und aufs Neue dazu beigetragen, den allgemeinen Un¬
willen gegen die öffentliche Bank zu vermehren.

Deutschland war wie immer verhältnismäßig nur schwach an Zahl vertreten,
wenn sich auch einige bekannte Namen hier aushielten. Unter den politischen No¬
tabilitäten sind zu nennen: Herr von Auerswald, der sich aus dem preußischen
Landtag einen so rühmlichen Namen erwarb, Herr v. Closen, einer der Führer
der liberalen Partei in der bairischen Kammer, dann noch einige Notabilitäten
des badischen und würtembergischen Landtages. Bekanntere literarische Erschei¬
nungen waren anch viel weniger als in früheren Zeiten hier. Hofrath Raupach
aus Berlin, körperlich schon sehr alt und schwach geworden, Baron Adriani
aus Wien, der Verfasser des bekannten Buches: "Oesterreich's Zukunft", ein
kräftig und jugendlich aussehender lebendiger Mann, Justinus Kerncr aus Weins-
berg, der stets von einer großen Menge von Freunden und Verehrern umringt
wurde, waren wohl die bekanntesten. Der Kreis von einheimischen Literaten,
der sich vor einigen Jahren besonders auf Veranlassung der "Lewald'sehen Eu¬
ropa", die unter dessen Redaction ein klägliches Ende bedrohte, hier niederließ,
ist gänzlich zersprengt. Braun, wohl der Arbeitsamste derselben, sand den
gewünschten Tod in einem Duell, Chezy hat sich nach Freiburg gewendet,
ebenso Spindler; Lewald selbst verläßt in kurzer Zeit den Ort, um sich bei
der Redaction einer neuen Pfennig-Zeitung in Stuttgart zu betheiligen. Sein
Hans, das er mit großem Aufwand sich erst vor.kurzer Zeit hier erbaute, ward
dieser Tage sammt allen Mobilien öffentlich in den Zeitungen zum Verkaufe aus-
geboten, ohne einen Käufer zu finden; da es zwar mit sehr vielem Luxus,
'aber dabei sehr unzweckmäßig in einer engen, steilen Bergstraße gebauet ist,
wird schwerlich auch nur die Hälfte des Geldes herauskommen, die es gekostet
hat. Lewald wollte auch gerne in dem Glänze seiner äußeren Umgebung seine
Vorbilder, die französischen Feuilletonisten, nachahmen, bedachte aber nicht, daß
dies auf die Länge in Deutschland nicht geht, indem unser Geschmack sich doch
bald wieder von dergleichen oberflächlichen Geschreibsel abwendet, wenn er sich
vielleicht auch auf kurze Zeit dahin verirrte.


I. v- w,

war ein junger Franzose ans der Gegend von Avignon, der mit zerschmetterte»!
Gehirn an einem beliebten Punkte der hiesigen Umgegend gesunden wurde. An
demselben Abend sand ein ähnlicher, glücklicher Weise nicht gleich tragischer Fall
im Conversatwushause unmittelbar neben dem Roulette-Tische statt. Ein junger
Mann aus Baden selbst, der seine ganze Barschaft verspielt hatte, zog von al¬
len Umstehenden unbemerkt, ein scharfgeladenes Pistol aus der Tasche, setzte es
an den Mund und drückte ab. Mau horte das Getränk des Zündhütchens, aber
das Pistol selbst versagte. Da schleuderte der Unglückliche die Waffe weit von
sich, einem Croupier an den Kopf, sank ohnmächtig zu Boden und ward so von
den wachhabenden Polizcidienern in Verwahrung genommen und fortgeschafft.
Obgleich Benazet sich alle Mühe gab, diese Vorfälle zu verheimlichen, und kein
einziges Badener Blatt dieselben erwähnte, so haben sie doch viel Aufsehen unter
allen Badegästen erregt, und aufs Neue dazu beigetragen, den allgemeinen Un¬
willen gegen die öffentliche Bank zu vermehren.

Deutschland war wie immer verhältnismäßig nur schwach an Zahl vertreten,
wenn sich auch einige bekannte Namen hier aushielten. Unter den politischen No¬
tabilitäten sind zu nennen: Herr von Auerswald, der sich aus dem preußischen
Landtag einen so rühmlichen Namen erwarb, Herr v. Closen, einer der Führer
der liberalen Partei in der bairischen Kammer, dann noch einige Notabilitäten
des badischen und würtembergischen Landtages. Bekanntere literarische Erschei¬
nungen waren anch viel weniger als in früheren Zeiten hier. Hofrath Raupach
aus Berlin, körperlich schon sehr alt und schwach geworden, Baron Adriani
aus Wien, der Verfasser des bekannten Buches: „Oesterreich's Zukunft", ein
kräftig und jugendlich aussehender lebendiger Mann, Justinus Kerncr aus Weins-
berg, der stets von einer großen Menge von Freunden und Verehrern umringt
wurde, waren wohl die bekanntesten. Der Kreis von einheimischen Literaten,
der sich vor einigen Jahren besonders auf Veranlassung der „Lewald'sehen Eu¬
ropa", die unter dessen Redaction ein klägliches Ende bedrohte, hier niederließ,
ist gänzlich zersprengt. Braun, wohl der Arbeitsamste derselben, sand den
gewünschten Tod in einem Duell, Chezy hat sich nach Freiburg gewendet,
ebenso Spindler; Lewald selbst verläßt in kurzer Zeit den Ort, um sich bei
der Redaction einer neuen Pfennig-Zeitung in Stuttgart zu betheiligen. Sein
Hans, das er mit großem Aufwand sich erst vor.kurzer Zeit hier erbaute, ward
dieser Tage sammt allen Mobilien öffentlich in den Zeitungen zum Verkaufe aus-
geboten, ohne einen Käufer zu finden; da es zwar mit sehr vielem Luxus,
'aber dabei sehr unzweckmäßig in einer engen, steilen Bergstraße gebauet ist,
wird schwerlich auch nur die Hälfte des Geldes herauskommen, die es gekostet
hat. Lewald wollte auch gerne in dem Glänze seiner äußeren Umgebung seine
Vorbilder, die französischen Feuilletonisten, nachahmen, bedachte aber nicht, daß
dies auf die Länge in Deutschland nicht geht, indem unser Geschmack sich doch
bald wieder von dergleichen oberflächlichen Geschreibsel abwendet, wenn er sich
vielleicht auch auf kurze Zeit dahin verirrte.


I. v- w,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/401>, abgerufen am 28.07.2024.