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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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ßiges Viereck, in welchem schnurgrade, breite, heitere Straße", parallel lau¬
fend mit ähnlichen horizontalen im rechten Winkel kreuzen.

Man theilt nämlich die Stadt in die innere Stadt und in vier Vorstädte.
Diese Eintheilung hat wohl einen historischen Grund; gegenwärtig gibt e"
jedoch keine scheidenden Schanzen und Wälle, keine Spur von Thoren,
man müßte sie denn in den Häusern suchen.

Von der Pfarrkirche, die in der sogenannten innern Stadt liegt, führte
mich ein schlechtgebautes Gäßchen auf den Stadthausplatz, wo die Obst-
weiber Markt halten. Das Stadthaus, ein weißes neugebautes Haus, unter¬
scheidet sich blos durch seinen niedlichen Thurm. Es steht uach allen Seiten
frei und ein gewisser ernster Anstrich laßt wohl errathen, daß es zum Be¬
huf des Gemeinwohls erbaut worden. Eine schwarze Fahne wehte auf der
Spitze des Thurmes. Sie verkündet die Landestrauer über den Tod des
Reichspalatin Erzherzog Joseph. Der ein und siebzigjährige Greis erkrankte
grade zu der Zeit, da eben im ganzen Lande große Vorbereitungen zur
Feier des funfzigjährigen Jubiläums seiner Verwaltung gemacht wurden.
Durch seinen Tod wurden dein Lande große Summen für die bereits ange¬
ordneten Festlichkeiten erspart; doch hätte man gern diese Opfer gebracht,
denn das Land hegte eine große Pietät für den im Amte ergrauten Mann,
den Vertreter des in Ungarn hochgeachteten Königthums, zumal seine persön¬
liche Erscheinung viel Sanftmuth und Menschenliebe verrieth. Die Völker
sind aber solche gute Kinder, daß sie einige bürgerliche Tugenden und milde
Blicke ihrer Fürsten mit der vollen Liebe ihres Herzens bezahlen.

Es gibt indeß in Ungarn liberale Stürmer genug, welche die ungeheu¬
ren Summen von Rechten und fördernden Gesetzen, die man dem Volke
Jahruuderte laug schuldig geblieben, bezahlt haben wollen, während man in
neuerer Zeit höchstens spärliche Zinsen nothgedrungen herausgab. Diese
Liberalen stimmen gar nicht ein in die Lobeserhebungen über den verstorbe¬
nen Palatin, welche durch alle Zeitungen gingen. "Was hat er denn ei¬
gentlich gethan, sagen sie, in dem halben Jahrhundert seines Palatiuates?
Schlief die Verwaltung uicht einen wahren Todesschlnmmer, bis wir in den
letzten Jahren am Thore kräftig pochten. Und was wir seitdem erhalten,
war keine freiwillige Gabe, es war die Bente heißer Kämpfe, für die wir
wohl uicht zu Dank verpflichtet sind." Diese Hitzköpfe sagen ferner: "Wir
kenne" wohl das bleierne unfruchtbare System, dessen oberster Grundsatz ist,
man müsse keine Concession machen, wenn sie nicht die Umstände gebieterisch
erfordern; aber ein Palatin ist kein Polizeieommissär, der erhaltene Befehle
blind vollziehe" muß, sondern ein durch die Stände des Reiches erwählter


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ßiges Viereck, in welchem schnurgrade, breite, heitere Straße», parallel lau¬
fend mit ähnlichen horizontalen im rechten Winkel kreuzen.

Man theilt nämlich die Stadt in die innere Stadt und in vier Vorstädte.
Diese Eintheilung hat wohl einen historischen Grund; gegenwärtig gibt e«
jedoch keine scheidenden Schanzen und Wälle, keine Spur von Thoren,
man müßte sie denn in den Häusern suchen.

Von der Pfarrkirche, die in der sogenannten innern Stadt liegt, führte
mich ein schlechtgebautes Gäßchen auf den Stadthausplatz, wo die Obst-
weiber Markt halten. Das Stadthaus, ein weißes neugebautes Haus, unter¬
scheidet sich blos durch seinen niedlichen Thurm. Es steht uach allen Seiten
frei und ein gewisser ernster Anstrich laßt wohl errathen, daß es zum Be¬
huf des Gemeinwohls erbaut worden. Eine schwarze Fahne wehte auf der
Spitze des Thurmes. Sie verkündet die Landestrauer über den Tod des
Reichspalatin Erzherzog Joseph. Der ein und siebzigjährige Greis erkrankte
grade zu der Zeit, da eben im ganzen Lande große Vorbereitungen zur
Feier des funfzigjährigen Jubiläums seiner Verwaltung gemacht wurden.
Durch seinen Tod wurden dein Lande große Summen für die bereits ange¬
ordneten Festlichkeiten erspart; doch hätte man gern diese Opfer gebracht,
denn das Land hegte eine große Pietät für den im Amte ergrauten Mann,
den Vertreter des in Ungarn hochgeachteten Königthums, zumal seine persön¬
liche Erscheinung viel Sanftmuth und Menschenliebe verrieth. Die Völker
sind aber solche gute Kinder, daß sie einige bürgerliche Tugenden und milde
Blicke ihrer Fürsten mit der vollen Liebe ihres Herzens bezahlen.

Es gibt indeß in Ungarn liberale Stürmer genug, welche die ungeheu¬
ren Summen von Rechten und fördernden Gesetzen, die man dem Volke
Jahruuderte laug schuldig geblieben, bezahlt haben wollen, während man in
neuerer Zeit höchstens spärliche Zinsen nothgedrungen herausgab. Diese
Liberalen stimmen gar nicht ein in die Lobeserhebungen über den verstorbe¬
nen Palatin, welche durch alle Zeitungen gingen. „Was hat er denn ei¬
gentlich gethan, sagen sie, in dem halben Jahrhundert seines Palatiuates?
Schlief die Verwaltung uicht einen wahren Todesschlnmmer, bis wir in den
letzten Jahren am Thore kräftig pochten. Und was wir seitdem erhalten,
war keine freiwillige Gabe, es war die Bente heißer Kämpfe, für die wir
wohl uicht zu Dank verpflichtet sind." Diese Hitzköpfe sagen ferner: „Wir
kenne» wohl das bleierne unfruchtbare System, dessen oberster Grundsatz ist,
man müsse keine Concession machen, wenn sie nicht die Umstände gebieterisch
erfordern; aber ein Palatin ist kein Polizeieommissär, der erhaltene Befehle
blind vollziehe» muß, sondern ein durch die Stände des Reiches erwählter


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[0381] ßiges Viereck, in welchem schnurgrade, breite, heitere Straße», parallel lau¬ fend mit ähnlichen horizontalen im rechten Winkel kreuzen. Man theilt nämlich die Stadt in die innere Stadt und in vier Vorstädte. Diese Eintheilung hat wohl einen historischen Grund; gegenwärtig gibt e« jedoch keine scheidenden Schanzen und Wälle, keine Spur von Thoren, man müßte sie denn in den Häusern suchen. Von der Pfarrkirche, die in der sogenannten innern Stadt liegt, führte mich ein schlechtgebautes Gäßchen auf den Stadthausplatz, wo die Obst- weiber Markt halten. Das Stadthaus, ein weißes neugebautes Haus, unter¬ scheidet sich blos durch seinen niedlichen Thurm. Es steht uach allen Seiten frei und ein gewisser ernster Anstrich laßt wohl errathen, daß es zum Be¬ huf des Gemeinwohls erbaut worden. Eine schwarze Fahne wehte auf der Spitze des Thurmes. Sie verkündet die Landestrauer über den Tod des Reichspalatin Erzherzog Joseph. Der ein und siebzigjährige Greis erkrankte grade zu der Zeit, da eben im ganzen Lande große Vorbereitungen zur Feier des funfzigjährigen Jubiläums seiner Verwaltung gemacht wurden. Durch seinen Tod wurden dein Lande große Summen für die bereits ange¬ ordneten Festlichkeiten erspart; doch hätte man gern diese Opfer gebracht, denn das Land hegte eine große Pietät für den im Amte ergrauten Mann, den Vertreter des in Ungarn hochgeachteten Königthums, zumal seine persön¬ liche Erscheinung viel Sanftmuth und Menschenliebe verrieth. Die Völker sind aber solche gute Kinder, daß sie einige bürgerliche Tugenden und milde Blicke ihrer Fürsten mit der vollen Liebe ihres Herzens bezahlen. Es gibt indeß in Ungarn liberale Stürmer genug, welche die ungeheu¬ ren Summen von Rechten und fördernden Gesetzen, die man dem Volke Jahruuderte laug schuldig geblieben, bezahlt haben wollen, während man in neuerer Zeit höchstens spärliche Zinsen nothgedrungen herausgab. Diese Liberalen stimmen gar nicht ein in die Lobeserhebungen über den verstorbe¬ nen Palatin, welche durch alle Zeitungen gingen. „Was hat er denn ei¬ gentlich gethan, sagen sie, in dem halben Jahrhundert seines Palatiuates? Schlief die Verwaltung uicht einen wahren Todesschlnmmer, bis wir in den letzten Jahren am Thore kräftig pochten. Und was wir seitdem erhalten, war keine freiwillige Gabe, es war die Bente heißer Kämpfe, für die wir wohl uicht zu Dank verpflichtet sind." Diese Hitzköpfe sagen ferner: „Wir kenne» wohl das bleierne unfruchtbare System, dessen oberster Grundsatz ist, man müsse keine Concession machen, wenn sie nicht die Umstände gebieterisch erfordern; aber ein Palatin ist kein Polizeieommissär, der erhaltene Befehle blind vollziehe» muß, sondern ein durch die Stände des Reiches erwählter 49*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/381>, abgerufen am 01.09.2024.