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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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die schöne Welt von Pesth auf dem breiten Trottoir der Donanzeile, um die
kühle Wasserlust einzuathmen, den schönen Anblick der hinter den Bergen von
Ofen niedergehenden Sonne zu genießen, die ans Dampfbooten ankommen¬
den Fremden zu betrachten und wohl auch um selbst gesehen zu werden. Ich
sprach gegen eine" Herrn, mit dem ich auf der Donanzeile spazierte, meine
Bewunderung über die reizende Lage der Stadt Ofen ans. Ja wohl, sagte
dieser lächelnd, Ofen nimmt sich auch nur gut aus, wenn man es von hier
sieht. Ich habe später gefunden, daß der Mann nicht Unrecht hatte. Ofen
ist weit hinter Pesth zurückgeblieben; es ist eine Beamten- und Garnisons¬
stadt. Man könnte sagen, Ofen und Pesth verhalten sich wie ein stehender
Teich zu einem rastlosen Strome. In Ofen wohnen fast durchwegs deutsche
Einwanderer. Der politische Aufschwung Ungarns hat diese Stadt nicht
ungehoben, die Straßen sind schlecht oder gar nicht gepflastert, die Gast-
nnd Kaffeehäuser kleinstädtisch, und die Häuserreihen zeigen nichts von der
Jugend, dem Lebensmoment und dem schwellenden Reichthum der Stadt
Pesth. Die Pesther kommen n"r über die Donau, um die Schwefelbäder
Ofens zu benutzen oder in die Gebirge.zu fahren. Es gibt viele Pesther,
die in ihrem ganzen Leben nicht in die eigentliche Stadt Ofen, die Festung
genannt, hinaufgestiegen find. In dem Ofener Schloß herrschte unter dem
verstorbenen Palatin ein zurückgezogenes Stillleben und in der Statthaltern
(Regierung) hat der Pesther wenig zu thun. Dagegen kommen die Ofner
viel herüber, um in den herrlichen Handlungen Pcsths ihre Einkäufe zu
machen, die Theater zu besuchen, und in den Gast- und Kaffeehäusern sich
gütlich zu thun. Seltsamer Weise contrastiren die beiden Städte auch da¬
durch, daß sie im Verlauf dieses Jahrhunderts durch entgegengesetzte Ele¬
mente fast vernichtet wurden, indem Pesth im Jahre 1838 die große Ueber-
schwemmung erlitt, während Ofen im Jahre 1810 durch eine furchtbare
Feuersbrunst an 800 Häuser verlor.

Uebrigens habe ich die Erfahrung gemacht, daß Pesth und Ofen sich
am besten aufnehmen, wenn mau in keinem von beiden, sondern auf der
Donau ist. Mau überblickt daun auf der eiuen Seite die prächtige Häuser¬
reihe längs der Dvuauzeile, auf der andern die hochliegende Ofner Festung,
den steil gegen den Strom abfallenden Blocksberg, auf dem sich eine Stern¬
warte befindet und eine Flagge aufgezogen wird, wenn ein ankommendes
Dampfboot in der Ferne sichtbar wird; auf der Donau selbst die vielen
Dampfer und Lastschiffe, eine Unzahl von Schissmühlen, die baumreiche
Margaretheninscl -- man kann sich nichts malerischer denken. Ueberdies
leidet man ans dem Strom nicht von dem entsetzlichen Staub, der auf dem


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die schöne Welt von Pesth auf dem breiten Trottoir der Donanzeile, um die
kühle Wasserlust einzuathmen, den schönen Anblick der hinter den Bergen von
Ofen niedergehenden Sonne zu genießen, die ans Dampfbooten ankommen¬
den Fremden zu betrachten und wohl auch um selbst gesehen zu werden. Ich
sprach gegen eine» Herrn, mit dem ich auf der Donanzeile spazierte, meine
Bewunderung über die reizende Lage der Stadt Ofen ans. Ja wohl, sagte
dieser lächelnd, Ofen nimmt sich auch nur gut aus, wenn man es von hier
sieht. Ich habe später gefunden, daß der Mann nicht Unrecht hatte. Ofen
ist weit hinter Pesth zurückgeblieben; es ist eine Beamten- und Garnisons¬
stadt. Man könnte sagen, Ofen und Pesth verhalten sich wie ein stehender
Teich zu einem rastlosen Strome. In Ofen wohnen fast durchwegs deutsche
Einwanderer. Der politische Aufschwung Ungarns hat diese Stadt nicht
ungehoben, die Straßen sind schlecht oder gar nicht gepflastert, die Gast-
nnd Kaffeehäuser kleinstädtisch, und die Häuserreihen zeigen nichts von der
Jugend, dem Lebensmoment und dem schwellenden Reichthum der Stadt
Pesth. Die Pesther kommen n»r über die Donau, um die Schwefelbäder
Ofens zu benutzen oder in die Gebirge.zu fahren. Es gibt viele Pesther,
die in ihrem ganzen Leben nicht in die eigentliche Stadt Ofen, die Festung
genannt, hinaufgestiegen find. In dem Ofener Schloß herrschte unter dem
verstorbenen Palatin ein zurückgezogenes Stillleben und in der Statthaltern
(Regierung) hat der Pesther wenig zu thun. Dagegen kommen die Ofner
viel herüber, um in den herrlichen Handlungen Pcsths ihre Einkäufe zu
machen, die Theater zu besuchen, und in den Gast- und Kaffeehäusern sich
gütlich zu thun. Seltsamer Weise contrastiren die beiden Städte auch da¬
durch, daß sie im Verlauf dieses Jahrhunderts durch entgegengesetzte Ele¬
mente fast vernichtet wurden, indem Pesth im Jahre 1838 die große Ueber-
schwemmung erlitt, während Ofen im Jahre 1810 durch eine furchtbare
Feuersbrunst an 800 Häuser verlor.

Uebrigens habe ich die Erfahrung gemacht, daß Pesth und Ofen sich
am besten aufnehmen, wenn mau in keinem von beiden, sondern auf der
Donau ist. Mau überblickt daun auf der eiuen Seite die prächtige Häuser¬
reihe längs der Dvuauzeile, auf der andern die hochliegende Ofner Festung,
den steil gegen den Strom abfallenden Blocksberg, auf dem sich eine Stern¬
warte befindet und eine Flagge aufgezogen wird, wenn ein ankommendes
Dampfboot in der Ferne sichtbar wird; auf der Donau selbst die vielen
Dampfer und Lastschiffe, eine Unzahl von Schissmühlen, die baumreiche
Margaretheninscl — man kann sich nichts malerischer denken. Ueberdies
leidet man ans dem Strom nicht von dem entsetzlichen Staub, der auf dem


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[0379] die schöne Welt von Pesth auf dem breiten Trottoir der Donanzeile, um die kühle Wasserlust einzuathmen, den schönen Anblick der hinter den Bergen von Ofen niedergehenden Sonne zu genießen, die ans Dampfbooten ankommen¬ den Fremden zu betrachten und wohl auch um selbst gesehen zu werden. Ich sprach gegen eine» Herrn, mit dem ich auf der Donanzeile spazierte, meine Bewunderung über die reizende Lage der Stadt Ofen ans. Ja wohl, sagte dieser lächelnd, Ofen nimmt sich auch nur gut aus, wenn man es von hier sieht. Ich habe später gefunden, daß der Mann nicht Unrecht hatte. Ofen ist weit hinter Pesth zurückgeblieben; es ist eine Beamten- und Garnisons¬ stadt. Man könnte sagen, Ofen und Pesth verhalten sich wie ein stehender Teich zu einem rastlosen Strome. In Ofen wohnen fast durchwegs deutsche Einwanderer. Der politische Aufschwung Ungarns hat diese Stadt nicht ungehoben, die Straßen sind schlecht oder gar nicht gepflastert, die Gast- nnd Kaffeehäuser kleinstädtisch, und die Häuserreihen zeigen nichts von der Jugend, dem Lebensmoment und dem schwellenden Reichthum der Stadt Pesth. Die Pesther kommen n»r über die Donau, um die Schwefelbäder Ofens zu benutzen oder in die Gebirge.zu fahren. Es gibt viele Pesther, die in ihrem ganzen Leben nicht in die eigentliche Stadt Ofen, die Festung genannt, hinaufgestiegen find. In dem Ofener Schloß herrschte unter dem verstorbenen Palatin ein zurückgezogenes Stillleben und in der Statthaltern (Regierung) hat der Pesther wenig zu thun. Dagegen kommen die Ofner viel herüber, um in den herrlichen Handlungen Pcsths ihre Einkäufe zu machen, die Theater zu besuchen, und in den Gast- und Kaffeehäusern sich gütlich zu thun. Seltsamer Weise contrastiren die beiden Städte auch da¬ durch, daß sie im Verlauf dieses Jahrhunderts durch entgegengesetzte Ele¬ mente fast vernichtet wurden, indem Pesth im Jahre 1838 die große Ueber- schwemmung erlitt, während Ofen im Jahre 1810 durch eine furchtbare Feuersbrunst an 800 Häuser verlor. Uebrigens habe ich die Erfahrung gemacht, daß Pesth und Ofen sich am besten aufnehmen, wenn mau in keinem von beiden, sondern auf der Donau ist. Mau überblickt daun auf der eiuen Seite die prächtige Häuser¬ reihe längs der Dvuauzeile, auf der andern die hochliegende Ofner Festung, den steil gegen den Strom abfallenden Blocksberg, auf dem sich eine Stern¬ warte befindet und eine Flagge aufgezogen wird, wenn ein ankommendes Dampfboot in der Ferne sichtbar wird; auf der Donau selbst die vielen Dampfer und Lastschiffe, eine Unzahl von Schissmühlen, die baumreiche Margaretheninscl — man kann sich nichts malerischer denken. Ueberdies leidet man ans dem Strom nicht von dem entsetzlichen Staub, der auf dem Ävciizbotm. III. 1»i7. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/379>, abgerufen am 01.09.2024.