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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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dem England doch nie lange sicher ist -- keine zweite Hungersnoth zu
fürchten habe. Es ist eine bedeutende Krisis, und das Resultat des Ex¬
perimentes wird von allen Seiten mit dem höchsten Interesse erwartet. Die
Presse beschäftigt sich natürlich ganz mit dieser Angelegenheit und nimmt
bald die eine, bald die andere Partei. -- Wie es ist, kann es nicht
lange bleiben, und der Vorschlag, die Eisenbahnen aufzugeben, sowie das
Maschinenwesen, wird wohl wenig Anklang finden. -- So hat also auch die
todte Saison diesmal einen lebendigen Punkt des Anhaltes, und zwar einen
solchen, der für die ganze Nation vom Höchsten bis zum Niedrigsten von
einem alles überwiegenden Interesse ist.

Das Resultat der Wahlen hat sich im Ganzen sehr befriedigend erwie--
sen. Ein Journal rühmt es besonders als ein günstiges und hoffnungs-
volles Zeichen der Zeit, daß die Pächter es gewagt haben -- an vielen
Orten wenigstens -- gegen ihren Grundherrn zu stimmen, ein Versuch, der
sie sonst immer von Hans und Hof vertrieben hat und der daher nur als
seltene Ausnahme gemacht wurde. Auf diese Weise würden dann künftig die
Sprößlinge altadcligcr Häuser nicht mehr (unbedingt) ihren Sitz im Unter¬
hause einnehmen, sondern diesen Platz den würdigern Vertretern des Volkes
einräumen, wenn dasselbe keine der gewünschten Eigenschaften in ihnen ent¬
deckte, wodurch sie denn endlich einmal fühlen lernen müßten, daß das
Verdienst weder angeerbt noch angeboren werde, sondern erworben sein wolle.
Ist dieser Punkt erreicht, ließen sich dann wünschenswerthe und langersehnte
Resultate hoffen, auf die zu spekuliren aber doch noch zu früh sein möchte.

Wenn sich nun aber auf der einen Seite das liberale Element und das
Recht der Bürger eines freien Staates befriedigend herausstellt, so muß
man auf der andern wieder bedauern, daß das Geldintcresse noch immer
eiuen so bedeutenden Einfluß bei den Wahlen übe. Die englischen Blätter
sind diesen Augenblick voll von einer Anzeige in dem "^oulii-ü des Deu-U","
worin es heißt: "es sei ein Gut im Süden Frankreichs verkäuflich, daß dem
Ersteher einen Sitz im Hanse der Deputaten sichere." -- Dies scheint den
Engländern nun unbeschreiblich lächerlich und man spart keine Art von
Glossen, um sich über die Cvrruptibilität der französischen Wahlen lustig zu
machen. Was nennt man denn aber Cvrrnptibilität? -- Nicht etwa auch
das Erkäufliche des Votums? Und was hat man denn in England stets
anderes gethan, und diesmal, trotz der geschärften Verbote, wieder gethan,
als das Votum käuflich an sich gebracht? -- Der einzige Unterschied ist,
daß man sich hütet, öffentlich und geradezu dabei zu Werke zu gehen, weil,
wenn man gerichtlich beweisen kann, daß Jemand durch sein Geld das Vo-


dem England doch nie lange sicher ist — keine zweite Hungersnoth zu
fürchten habe. Es ist eine bedeutende Krisis, und das Resultat des Ex¬
perimentes wird von allen Seiten mit dem höchsten Interesse erwartet. Die
Presse beschäftigt sich natürlich ganz mit dieser Angelegenheit und nimmt
bald die eine, bald die andere Partei. — Wie es ist, kann es nicht
lange bleiben, und der Vorschlag, die Eisenbahnen aufzugeben, sowie das
Maschinenwesen, wird wohl wenig Anklang finden. — So hat also auch die
todte Saison diesmal einen lebendigen Punkt des Anhaltes, und zwar einen
solchen, der für die ganze Nation vom Höchsten bis zum Niedrigsten von
einem alles überwiegenden Interesse ist.

Das Resultat der Wahlen hat sich im Ganzen sehr befriedigend erwie--
sen. Ein Journal rühmt es besonders als ein günstiges und hoffnungs-
volles Zeichen der Zeit, daß die Pächter es gewagt haben — an vielen
Orten wenigstens — gegen ihren Grundherrn zu stimmen, ein Versuch, der
sie sonst immer von Hans und Hof vertrieben hat und der daher nur als
seltene Ausnahme gemacht wurde. Auf diese Weise würden dann künftig die
Sprößlinge altadcligcr Häuser nicht mehr (unbedingt) ihren Sitz im Unter¬
hause einnehmen, sondern diesen Platz den würdigern Vertretern des Volkes
einräumen, wenn dasselbe keine der gewünschten Eigenschaften in ihnen ent¬
deckte, wodurch sie denn endlich einmal fühlen lernen müßten, daß das
Verdienst weder angeerbt noch angeboren werde, sondern erworben sein wolle.
Ist dieser Punkt erreicht, ließen sich dann wünschenswerthe und langersehnte
Resultate hoffen, auf die zu spekuliren aber doch noch zu früh sein möchte.

Wenn sich nun aber auf der einen Seite das liberale Element und das
Recht der Bürger eines freien Staates befriedigend herausstellt, so muß
man auf der andern wieder bedauern, daß das Geldintcresse noch immer
eiuen so bedeutenden Einfluß bei den Wahlen übe. Die englischen Blätter
sind diesen Augenblick voll von einer Anzeige in dem „^oulii-ü des Deu-U«,"
worin es heißt: „es sei ein Gut im Süden Frankreichs verkäuflich, daß dem
Ersteher einen Sitz im Hanse der Deputaten sichere." — Dies scheint den
Engländern nun unbeschreiblich lächerlich und man spart keine Art von
Glossen, um sich über die Cvrruptibilität der französischen Wahlen lustig zu
machen. Was nennt man denn aber Cvrrnptibilität? — Nicht etwa auch
das Erkäufliche des Votums? Und was hat man denn in England stets
anderes gethan, und diesmal, trotz der geschärften Verbote, wieder gethan,
als das Votum käuflich an sich gebracht? — Der einzige Unterschied ist,
daß man sich hütet, öffentlich und geradezu dabei zu Werke zu gehen, weil,
wenn man gerichtlich beweisen kann, daß Jemand durch sein Geld das Vo-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/368>, abgerufen am 28.07.2024.