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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Untergangs versäumt zu haben. Auch feiert er seine Umgebung in Gedich¬
ten, die er gern seinen Gästen vorträgt und von denen er bereits zwei
Bändchen herausgegeben hat mit dein Motto:

Kann man von einer poetischen Gastwirthschaft reden, so muß ich die
auf der Rothenburg so nennen. Der Knabe, welcher während der schönen
Tage im Jahre, wo die Reisenden häufiger vorsprechen, hier als Kellner
dient, ist bald hier, bald da im Walde beschäftigt, sei es um trocknes Holz
zum Kaffeekochen zu lesen, oder zu andern Zwecken; und wenn der Ein¬
siedler uach ihm verlangt, um die Gäste zu bedienen, so ruft er mitten in
den Wald hinein, nud bald kommt der Kellner aus der tiefsten Waldein¬
samkeit heraufgesprungen. Wer draußen auf dem Platze vor der Rothen-
burg etwas bestellt, wird gewiß, sobald der Wirth in die Hütte geht, um
ihn zu befriedigen, in derselben alsbald ein fröhliches Lied erschallen hören:
denn ohne Gesang verrichtet der Einsiedler nicht die geringste Arbeit. Als
wir uns in der Klause schon zur Ruhe begeben und das Licht gelöscht hat¬
ten, trug er uoch einen Abendsegen vor, den er selbst gedichtet hatte. Wäh¬
rend der Nacht hörten wir ein vorübergehendes Geräusch draußen in der
Ruine; wahrscheinlich war ein Stein von den: alten geborstenen Thurme
niedergefallen. Als ich nun den Einsiedler am andern Morgen sehr früh
draußen in der Nähe seiner Klause Hantiren nud mit einem Hammer klopfen
hörte, versäumte ich uicht ihn zu recke", weil er so früh aufgestanden sei,
um seinen alten Thurm zu flicken, der cinzustürzcu und seine Hütte zu ver¬
schütten drohe.

Es war jedoch uoch keineswegs spät am Tage, als ich selbst schon mit
dem wackern Förster Note, der aus seinem eine Viertelstunde von der Ein¬
siedelei entfernten Jägerhause zu einem Morgenbesuche gekommen war, auf
dem Rasenplatze vor der Rothenburg saß und den Kaffee trank. Er er¬
zählte mir viel Schönes von Hirschen und Rehen und von seinen treuen
Hunden. Auch erzählte er mir, wie er selbst in den grünen Wald gekom¬
men ist.

sein Vater war Oeeonom und der wollte, daß der Sohn nicht wieder


Untergangs versäumt zu haben. Auch feiert er seine Umgebung in Gedich¬
ten, die er gern seinen Gästen vorträgt und von denen er bereits zwei
Bändchen herausgegeben hat mit dein Motto:

Kann man von einer poetischen Gastwirthschaft reden, so muß ich die
auf der Rothenburg so nennen. Der Knabe, welcher während der schönen
Tage im Jahre, wo die Reisenden häufiger vorsprechen, hier als Kellner
dient, ist bald hier, bald da im Walde beschäftigt, sei es um trocknes Holz
zum Kaffeekochen zu lesen, oder zu andern Zwecken; und wenn der Ein¬
siedler uach ihm verlangt, um die Gäste zu bedienen, so ruft er mitten in
den Wald hinein, nud bald kommt der Kellner aus der tiefsten Waldein¬
samkeit heraufgesprungen. Wer draußen auf dem Platze vor der Rothen-
burg etwas bestellt, wird gewiß, sobald der Wirth in die Hütte geht, um
ihn zu befriedigen, in derselben alsbald ein fröhliches Lied erschallen hören:
denn ohne Gesang verrichtet der Einsiedler nicht die geringste Arbeit. Als
wir uns in der Klause schon zur Ruhe begeben und das Licht gelöscht hat¬
ten, trug er uoch einen Abendsegen vor, den er selbst gedichtet hatte. Wäh¬
rend der Nacht hörten wir ein vorübergehendes Geräusch draußen in der
Ruine; wahrscheinlich war ein Stein von den: alten geborstenen Thurme
niedergefallen. Als ich nun den Einsiedler am andern Morgen sehr früh
draußen in der Nähe seiner Klause Hantiren nud mit einem Hammer klopfen
hörte, versäumte ich uicht ihn zu recke», weil er so früh aufgestanden sei,
um seinen alten Thurm zu flicken, der cinzustürzcu und seine Hütte zu ver¬
schütten drohe.

Es war jedoch uoch keineswegs spät am Tage, als ich selbst schon mit
dem wackern Förster Note, der aus seinem eine Viertelstunde von der Ein¬
siedelei entfernten Jägerhause zu einem Morgenbesuche gekommen war, auf
dem Rasenplatze vor der Rothenburg saß und den Kaffee trank. Er er¬
zählte mir viel Schönes von Hirschen und Rehen und von seinen treuen
Hunden. Auch erzählte er mir, wie er selbst in den grünen Wald gekom¬
men ist.

sein Vater war Oeeonom und der wollte, daß der Sohn nicht wieder


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[0035] Untergangs versäumt zu haben. Auch feiert er seine Umgebung in Gedich¬ ten, die er gern seinen Gästen vorträgt und von denen er bereits zwei Bändchen herausgegeben hat mit dein Motto: Kann man von einer poetischen Gastwirthschaft reden, so muß ich die auf der Rothenburg so nennen. Der Knabe, welcher während der schönen Tage im Jahre, wo die Reisenden häufiger vorsprechen, hier als Kellner dient, ist bald hier, bald da im Walde beschäftigt, sei es um trocknes Holz zum Kaffeekochen zu lesen, oder zu andern Zwecken; und wenn der Ein¬ siedler uach ihm verlangt, um die Gäste zu bedienen, so ruft er mitten in den Wald hinein, nud bald kommt der Kellner aus der tiefsten Waldein¬ samkeit heraufgesprungen. Wer draußen auf dem Platze vor der Rothen- burg etwas bestellt, wird gewiß, sobald der Wirth in die Hütte geht, um ihn zu befriedigen, in derselben alsbald ein fröhliches Lied erschallen hören: denn ohne Gesang verrichtet der Einsiedler nicht die geringste Arbeit. Als wir uns in der Klause schon zur Ruhe begeben und das Licht gelöscht hat¬ ten, trug er uoch einen Abendsegen vor, den er selbst gedichtet hatte. Wäh¬ rend der Nacht hörten wir ein vorübergehendes Geräusch draußen in der Ruine; wahrscheinlich war ein Stein von den: alten geborstenen Thurme niedergefallen. Als ich nun den Einsiedler am andern Morgen sehr früh draußen in der Nähe seiner Klause Hantiren nud mit einem Hammer klopfen hörte, versäumte ich uicht ihn zu recke», weil er so früh aufgestanden sei, um seinen alten Thurm zu flicken, der cinzustürzcu und seine Hütte zu ver¬ schütten drohe. Es war jedoch uoch keineswegs spät am Tage, als ich selbst schon mit dem wackern Förster Note, der aus seinem eine Viertelstunde von der Ein¬ siedelei entfernten Jägerhause zu einem Morgenbesuche gekommen war, auf dem Rasenplatze vor der Rothenburg saß und den Kaffee trank. Er er¬ zählte mir viel Schönes von Hirschen und Rehen und von seinen treuen Hunden. Auch erzählte er mir, wie er selbst in den grünen Wald gekom¬ men ist. sein Vater war Oeeonom und der wollte, daß der Sohn nicht wieder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/35>, abgerufen am 09.11.2024.