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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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manus und von da über den Gutshof geht, so findet man im Garten noch
einige Reihen herrlicher Bogenwölbungen als Ueberreste des alten Kaiser-
schlosseö. Die ehemaligen Eingänge des alten Schlosses sind vermauert; ein
gemüthlicher Pächter hat hier und da grünangestrichene Gartenbäuke und
Tische vor sie hingestellt und mag auf der Stelle behaglich mit seiner Frau
Kaffee trinken, wo Heinrich I. und Otto der Große ans und eingingen. --
Unter seinem Garten befindet sich eine Crypta, wo diese Männer zu beten
pflegten.

In historischer Hinsicht bedeutend sind auch die beiden Sachsenbur¬
gen und Frankenhausen. Die Sachsenburgen wurden an einem Passe
erbaut, um das Eindringen der Franken in das Unstrntthal zu verhindern.
Diese aber hatten zu Frankeuhausen (nach dem die bekannte Schlacht im
thüringischen Bauernkriege genannt wurde), festen Fuß gefaßt. Beide Orte
mußte ich auf meiner Wanderung zur Linken liegen lassen.

Doch es wird Zeit, daß der Leser etwas erfährt von den Menschen,
welche jetzt diese in historischer Hinsicht so wichtige, wenn gleich noch immer
zu wenig beachtete Gegend bewohnen. Treten wir in ein Wirthshaus der
Stadt Artern, wo wir sogleich Gelegenheit haben, ein Gespräch über einen
Gegenstand des bürgerlichen Lebens mit anzuhören. Es ist die Rede von
irgend einer öffentlichen Rechtsverletzung, und ein zur Opposition gehöriger
Bürger bemerkt, daß man sich das nicht brauche gefallen zu lassen. "Deun"
-- sagte er -- "wir sind politisch. Das macht der Wiener Kongreß." Frei¬
lich colossaler Unsinn! Aber dennoch that es mir leid, daß diese zwar etwas
confuse, aber gesunde thüringische "Politik" jetzt auf den Berliner Land¬
tage durch die schwächlichen Reden des Herrn Bürgermeister Gier aus
Mühlhausen vertreten werden sollen.

Die "güldne Ane" scheint ihren schönen Namen nicht von einem Poe¬
ten, sondern von einem Oeconomen erhalten zu haben, der vergnügt auf
die weiten, blühenden Felder hinschaute, welche eine gute Ernte versprachen.
Diese werden zum großen Theil mit Napps bestellt, der bekanntlich eine
gelbe Blüthe hat und sehr einträglich ist. Wer ein paar von diesen Rapps¬
stücken besitzt, welche sich dort an den sanften Erhöhungen hinziehen, die
das llustrutthal einschließen, der kann in der güldnen Ane ein behagliches
Dasein führen bis an sein seliges Ende.

Diesen gesegneten Landstrich durchwanderte ich am Tage vor Pfingsten,
um einer Einladung zu folgen, die ich zum Feste von dem einsamen Bewoh¬
ner der Rothen bürg erhalten hatte. Je näher ich dem Rücken des Kyff-


manus und von da über den Gutshof geht, so findet man im Garten noch
einige Reihen herrlicher Bogenwölbungen als Ueberreste des alten Kaiser-
schlosseö. Die ehemaligen Eingänge des alten Schlosses sind vermauert; ein
gemüthlicher Pächter hat hier und da grünangestrichene Gartenbäuke und
Tische vor sie hingestellt und mag auf der Stelle behaglich mit seiner Frau
Kaffee trinken, wo Heinrich I. und Otto der Große ans und eingingen. —
Unter seinem Garten befindet sich eine Crypta, wo diese Männer zu beten
pflegten.

In historischer Hinsicht bedeutend sind auch die beiden Sachsenbur¬
gen und Frankenhausen. Die Sachsenburgen wurden an einem Passe
erbaut, um das Eindringen der Franken in das Unstrntthal zu verhindern.
Diese aber hatten zu Frankeuhausen (nach dem die bekannte Schlacht im
thüringischen Bauernkriege genannt wurde), festen Fuß gefaßt. Beide Orte
mußte ich auf meiner Wanderung zur Linken liegen lassen.

Doch es wird Zeit, daß der Leser etwas erfährt von den Menschen,
welche jetzt diese in historischer Hinsicht so wichtige, wenn gleich noch immer
zu wenig beachtete Gegend bewohnen. Treten wir in ein Wirthshaus der
Stadt Artern, wo wir sogleich Gelegenheit haben, ein Gespräch über einen
Gegenstand des bürgerlichen Lebens mit anzuhören. Es ist die Rede von
irgend einer öffentlichen Rechtsverletzung, und ein zur Opposition gehöriger
Bürger bemerkt, daß man sich das nicht brauche gefallen zu lassen. „Deun"
— sagte er — „wir sind politisch. Das macht der Wiener Kongreß." Frei¬
lich colossaler Unsinn! Aber dennoch that es mir leid, daß diese zwar etwas
confuse, aber gesunde thüringische „Politik" jetzt auf den Berliner Land¬
tage durch die schwächlichen Reden des Herrn Bürgermeister Gier aus
Mühlhausen vertreten werden sollen.

Die „güldne Ane" scheint ihren schönen Namen nicht von einem Poe¬
ten, sondern von einem Oeconomen erhalten zu haben, der vergnügt auf
die weiten, blühenden Felder hinschaute, welche eine gute Ernte versprachen.
Diese werden zum großen Theil mit Napps bestellt, der bekanntlich eine
gelbe Blüthe hat und sehr einträglich ist. Wer ein paar von diesen Rapps¬
stücken besitzt, welche sich dort an den sanften Erhöhungen hinziehen, die
das llustrutthal einschließen, der kann in der güldnen Ane ein behagliches
Dasein führen bis an sein seliges Ende.

Diesen gesegneten Landstrich durchwanderte ich am Tage vor Pfingsten,
um einer Einladung zu folgen, die ich zum Feste von dem einsamen Bewoh¬
ner der Rothen bürg erhalten hatte. Je näher ich dem Rücken des Kyff-


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[0032] manus und von da über den Gutshof geht, so findet man im Garten noch einige Reihen herrlicher Bogenwölbungen als Ueberreste des alten Kaiser- schlosseö. Die ehemaligen Eingänge des alten Schlosses sind vermauert; ein gemüthlicher Pächter hat hier und da grünangestrichene Gartenbäuke und Tische vor sie hingestellt und mag auf der Stelle behaglich mit seiner Frau Kaffee trinken, wo Heinrich I. und Otto der Große ans und eingingen. — Unter seinem Garten befindet sich eine Crypta, wo diese Männer zu beten pflegten. In historischer Hinsicht bedeutend sind auch die beiden Sachsenbur¬ gen und Frankenhausen. Die Sachsenburgen wurden an einem Passe erbaut, um das Eindringen der Franken in das Unstrntthal zu verhindern. Diese aber hatten zu Frankeuhausen (nach dem die bekannte Schlacht im thüringischen Bauernkriege genannt wurde), festen Fuß gefaßt. Beide Orte mußte ich auf meiner Wanderung zur Linken liegen lassen. Doch es wird Zeit, daß der Leser etwas erfährt von den Menschen, welche jetzt diese in historischer Hinsicht so wichtige, wenn gleich noch immer zu wenig beachtete Gegend bewohnen. Treten wir in ein Wirthshaus der Stadt Artern, wo wir sogleich Gelegenheit haben, ein Gespräch über einen Gegenstand des bürgerlichen Lebens mit anzuhören. Es ist die Rede von irgend einer öffentlichen Rechtsverletzung, und ein zur Opposition gehöriger Bürger bemerkt, daß man sich das nicht brauche gefallen zu lassen. „Deun" — sagte er — „wir sind politisch. Das macht der Wiener Kongreß." Frei¬ lich colossaler Unsinn! Aber dennoch that es mir leid, daß diese zwar etwas confuse, aber gesunde thüringische „Politik" jetzt auf den Berliner Land¬ tage durch die schwächlichen Reden des Herrn Bürgermeister Gier aus Mühlhausen vertreten werden sollen. Die „güldne Ane" scheint ihren schönen Namen nicht von einem Poe¬ ten, sondern von einem Oeconomen erhalten zu haben, der vergnügt auf die weiten, blühenden Felder hinschaute, welche eine gute Ernte versprachen. Diese werden zum großen Theil mit Napps bestellt, der bekanntlich eine gelbe Blüthe hat und sehr einträglich ist. Wer ein paar von diesen Rapps¬ stücken besitzt, welche sich dort an den sanften Erhöhungen hinziehen, die das llustrutthal einschließen, der kann in der güldnen Ane ein behagliches Dasein führen bis an sein seliges Ende. Diesen gesegneten Landstrich durchwanderte ich am Tage vor Pfingsten, um einer Einladung zu folgen, die ich zum Feste von dem einsamen Bewoh¬ ner der Rothen bürg erhalten hatte. Je näher ich dem Rücken des Kyff-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/32>, abgerufen am 06.10.2024.