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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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einiger Länge, der Leib sei eingezogen, der Kopf und die ganze Gestalt
gleiche dem Husche, den sie auch an Schnelligkeit nachahmten. Man ruhe
auf ihnen mehr als daß man angestrengt werde u. s. w. Aber "diesen edlen
Haufen wohlgebäudigter Thiere" werde er weit übertroffen finden durch die
beifolgende Amalberga. -- Schwerlich ist dieser Vergleich zu kühn gewesen:
denn Amalberga (welch' stolzer Weibername!) wußte Hermanfried in ihren
Armen so zu fesseln, daß er selbst das Völkerrecht vergaß, wenn es galt
ihre Wünsche zu erfüllen. Von den vereinigten Franken und Sachsen völlig
geschlagen, flieht er nach Burgscheiduugen. -- Niemand suche dort übrigens
noch einen Stein von seiner alten Beste. An die Stelle seiner Hauptstadt
ist ein thüringisches Dorf, an die Stelle seiner Burg ein im Rococogeschmacke
erbautes ziemlich junges Grafenschloß getreten. Nichts kann uns hier an
eine lange Vergangenheit erinnern als die etwas unheimliche Natur. Be¬
sonders wenn die Schluchten, welche uns von dem AbHange der umliegenden
Berge entgegengahnen und sich weit in das Gebirge hineinverzweigcn, um
alles Thau- und Regenwasser zu sammeln und der Unstrut zuzuwälzeu, an
dunkeln Regentagen sich füllen, wenn der Herbstwind klagend über das ganze
Thal hinstreicht: dann mag eine aufgeregte Phantasie immerhin in einen:
Winkel des Parks unter den uralten Tannen von ganz ungewöhnlicher Größe,
an denen die Unstrut ziemlich dicht vorbeifließt, den alten Thüringerkönig
Hermanfried mit seiner geliebten Amalberga spazieren gehen sehen und anch
der alte Herr Basin mit seiner treulosen Schönen, der Mutter Chlodwigs,
und audere gekrönte Häupter mögen sich zu ihnen gesellen.

Wir gehen nun weiter die raschfließende Unstrut hinauf und kommen
nach Mein leben (Minnelebo), wo die sächsischen Kaiser so gern verweilten,
wo Heinrich der Finkler und Otto der Große starben. Es war eine schöne
Zeit, wo die Kaiser in Deutschland noch keine festen Sitze hatten, sondern
den Glanz ihrer Krone hin und hertrugen wie die Sonne den ihren; es
war eine schöne Zeit, als ein Flut'enheerd, ein Fluß, der durch häufiges
Austreten aus seinen Ufern, wie die Unstrut, einige Sumpfvögel anlockt,
an denen der Jagdliebhaber Wohlgefallen hat, als ein liebliches Thal, eine
lachende Wiese, ein schöner Forst und -- wer könnte das in Memleben
übersehen? -- fruchtbare Kornfelder und heerdenreiche Triften noch die ganze
Herrlichkeit des Königthums an einen stillen, traulichen Ort locken konnten.
Niemand hat auf diese Weise sein Leben wohl so genossen als die sächsischen
Kaiser und vorzugsweise der Vogelsteller.

Wenn mau in Memleben, durch das Wirtschaftsgebäude des Amt-


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einiger Länge, der Leib sei eingezogen, der Kopf und die ganze Gestalt
gleiche dem Husche, den sie auch an Schnelligkeit nachahmten. Man ruhe
auf ihnen mehr als daß man angestrengt werde u. s. w. Aber „diesen edlen
Haufen wohlgebäudigter Thiere" werde er weit übertroffen finden durch die
beifolgende Amalberga. — Schwerlich ist dieser Vergleich zu kühn gewesen:
denn Amalberga (welch' stolzer Weibername!) wußte Hermanfried in ihren
Armen so zu fesseln, daß er selbst das Völkerrecht vergaß, wenn es galt
ihre Wünsche zu erfüllen. Von den vereinigten Franken und Sachsen völlig
geschlagen, flieht er nach Burgscheiduugen. — Niemand suche dort übrigens
noch einen Stein von seiner alten Beste. An die Stelle seiner Hauptstadt
ist ein thüringisches Dorf, an die Stelle seiner Burg ein im Rococogeschmacke
erbautes ziemlich junges Grafenschloß getreten. Nichts kann uns hier an
eine lange Vergangenheit erinnern als die etwas unheimliche Natur. Be¬
sonders wenn die Schluchten, welche uns von dem AbHange der umliegenden
Berge entgegengahnen und sich weit in das Gebirge hineinverzweigcn, um
alles Thau- und Regenwasser zu sammeln und der Unstrut zuzuwälzeu, an
dunkeln Regentagen sich füllen, wenn der Herbstwind klagend über das ganze
Thal hinstreicht: dann mag eine aufgeregte Phantasie immerhin in einen:
Winkel des Parks unter den uralten Tannen von ganz ungewöhnlicher Größe,
an denen die Unstrut ziemlich dicht vorbeifließt, den alten Thüringerkönig
Hermanfried mit seiner geliebten Amalberga spazieren gehen sehen und anch
der alte Herr Basin mit seiner treulosen Schönen, der Mutter Chlodwigs,
und audere gekrönte Häupter mögen sich zu ihnen gesellen.

Wir gehen nun weiter die raschfließende Unstrut hinauf und kommen
nach Mein leben (Minnelebo), wo die sächsischen Kaiser so gern verweilten,
wo Heinrich der Finkler und Otto der Große starben. Es war eine schöne
Zeit, wo die Kaiser in Deutschland noch keine festen Sitze hatten, sondern
den Glanz ihrer Krone hin und hertrugen wie die Sonne den ihren; es
war eine schöne Zeit, als ein Flut'enheerd, ein Fluß, der durch häufiges
Austreten aus seinen Ufern, wie die Unstrut, einige Sumpfvögel anlockt,
an denen der Jagdliebhaber Wohlgefallen hat, als ein liebliches Thal, eine
lachende Wiese, ein schöner Forst und — wer könnte das in Memleben
übersehen? — fruchtbare Kornfelder und heerdenreiche Triften noch die ganze
Herrlichkeit des Königthums an einen stillen, traulichen Ort locken konnten.
Niemand hat auf diese Weise sein Leben wohl so genossen als die sächsischen
Kaiser und vorzugsweise der Vogelsteller.

Wenn mau in Memleben, durch das Wirtschaftsgebäude des Amt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/31>, abgerufen am 06.10.2024.