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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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doch anch viel norddeutsche aus allen Gegenden darunter. Durch Kleidung
oder änßere Abzeichen suchen sie sich nicht auffallend bemerkbar zu machen,
sondern tragen im Sommer, der Mehrzahl nach, das Turnercostüm von grauer
Leinewand.

schroff diesen Reformisten stehen in Heidelberg die Corps oder Lands¬
mannschaften gegenüber, und beide Parteien hassen sich nach besten Kräften
und suchen sich so viel als möglich zu schaden. Oft bricht dieser
innere Haß in offene Fehde aus und besonders ans dem vorigen Sommer
sind uus mehrere Beispiele bekannt, wo es zwischen Mitgliedern dieser feind¬
lichen Parteien zu offenen Thätlichkeiten, bei denen Stock oder leere Fla¬
schen eine Rolle spielten, gekommen ist. Während auf den meisten übrigen
deutschen Universitäten, Baiern ausgenommen, jede Verbindung unter den
Studenten, also auch solche Corps, strenge untersagt sind, tvlcrirt man diesel¬
ben in Heidelberg auf jede Weise. Man hat anch, besonders in politischer
Hinsicht, denn ans etwas Anderes ist es bei diesen Verboten ja doch nicht
abgesehen, vollkommen Ursache zur Toleriruug, denn diese Corps beschäftigen
sich mit allem Anderen eher als mit ernsten Dingen. Ans der Kneipe mög¬
lichst viel Bier trinken, Scandale zu suche", und mit den befeindeten Corps
möglichst oft loszugehen und tüchtig auf die Reformisten zu schimpfen, darum
dreht sich Alles bei ihnen.

In früheren Zeiten hatten solche Landsmannschaften auf den Universitä¬
ten Nutzen und Zweck, jetzt mit den veränderten Verhältnissen ist derselbe
gänzlich in den Hintergrund zurückgedrängt worden. Bei einigen Corps
herrschen, wie nicht geleugnet werden kann, noch manche gute Eigenschaften,
und sie gewähren den bei ihnen Eintretenden vielfache Annehmlichkeiten. Die
jungem, oft unerfahrenen Mitglieder werden durch die älteren überwacht,
vor Rohheiten, leichtsinnigen Schuldenmachen, Spielen u. s. w., kurz vor
gar zu wüstem Lebenswandel einigermaßen bewahrt, und finden in allen un¬
angenehmen Fällen und Bedrängnissen Schutz und Anhalt bei den übrigen
Corpsgenosscn. Dies Gute aber wird durch die vielen Lächerlichkeiten, welche
die jetzige Organisation der Corps noch fordert, aufgewogen, und so lange
mau nicht eine gründliche Reform dabei vornimmt, können wir kaum begrei¬
sen, wie ein nnr etwas gereifter, nachdenkender Student sich entschließen
kann, Mitglied eines Corps zu werden. Daher verlieren sie auch von
Semester zu Semester an Terrain, und wir glauben, daß die Zeit
nicht mehr allzufern ist, wo sie, in ihrer jetzigen Weise wenigstens, gänz¬
lich aufgehört habe" zu bestehen. Dies Trinken und Duelliren behagt im¬
mer Wenigeren.


doch anch viel norddeutsche aus allen Gegenden darunter. Durch Kleidung
oder änßere Abzeichen suchen sie sich nicht auffallend bemerkbar zu machen,
sondern tragen im Sommer, der Mehrzahl nach, das Turnercostüm von grauer
Leinewand.

schroff diesen Reformisten stehen in Heidelberg die Corps oder Lands¬
mannschaften gegenüber, und beide Parteien hassen sich nach besten Kräften
und suchen sich so viel als möglich zu schaden. Oft bricht dieser
innere Haß in offene Fehde aus und besonders ans dem vorigen Sommer
sind uus mehrere Beispiele bekannt, wo es zwischen Mitgliedern dieser feind¬
lichen Parteien zu offenen Thätlichkeiten, bei denen Stock oder leere Fla¬
schen eine Rolle spielten, gekommen ist. Während auf den meisten übrigen
deutschen Universitäten, Baiern ausgenommen, jede Verbindung unter den
Studenten, also auch solche Corps, strenge untersagt sind, tvlcrirt man diesel¬
ben in Heidelberg auf jede Weise. Man hat anch, besonders in politischer
Hinsicht, denn ans etwas Anderes ist es bei diesen Verboten ja doch nicht
abgesehen, vollkommen Ursache zur Toleriruug, denn diese Corps beschäftigen
sich mit allem Anderen eher als mit ernsten Dingen. Ans der Kneipe mög¬
lichst viel Bier trinken, Scandale zu suche», und mit den befeindeten Corps
möglichst oft loszugehen und tüchtig auf die Reformisten zu schimpfen, darum
dreht sich Alles bei ihnen.

In früheren Zeiten hatten solche Landsmannschaften auf den Universitä¬
ten Nutzen und Zweck, jetzt mit den veränderten Verhältnissen ist derselbe
gänzlich in den Hintergrund zurückgedrängt worden. Bei einigen Corps
herrschen, wie nicht geleugnet werden kann, noch manche gute Eigenschaften,
und sie gewähren den bei ihnen Eintretenden vielfache Annehmlichkeiten. Die
jungem, oft unerfahrenen Mitglieder werden durch die älteren überwacht,
vor Rohheiten, leichtsinnigen Schuldenmachen, Spielen u. s. w., kurz vor
gar zu wüstem Lebenswandel einigermaßen bewahrt, und finden in allen un¬
angenehmen Fällen und Bedrängnissen Schutz und Anhalt bei den übrigen
Corpsgenosscn. Dies Gute aber wird durch die vielen Lächerlichkeiten, welche
die jetzige Organisation der Corps noch fordert, aufgewogen, und so lange
mau nicht eine gründliche Reform dabei vornimmt, können wir kaum begrei¬
sen, wie ein nnr etwas gereifter, nachdenkender Student sich entschließen
kann, Mitglied eines Corps zu werden. Daher verlieren sie auch von
Semester zu Semester an Terrain, und wir glauben, daß die Zeit
nicht mehr allzufern ist, wo sie, in ihrer jetzigen Weise wenigstens, gänz¬
lich aufgehört habe» zu bestehen. Dies Trinken und Duelliren behagt im¬
mer Wenigeren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/279>, abgerufen am 01.09.2024.