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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Abhängigkeit. Geht Englands einseitiges Handelsinteresse im höhern In-
teresse der Menschheit auf -- und das kann offenbar nur durch seinen all-
mäligen Uebergang zu allgemein freiem Handel im Mutterlande wie in den
Colonien geschehen, -- daun steht ihm der Weg offen zur Vermeidung des
Kampfes um Weltherrschaft oder Untergang. Das ist der höhere Grund
der Erscheinung, welche sich jetzt schon klar andeutet, daß der Kampf
für allgemeine Handelsfreiheit mit der Zeit nothwendig
Englands conservative Politik werden muß."

Zuerst setzt Höhlen die Elemente der britischen Seemacht auseinander,
Flüsse, Häfen, Fischerei, Schiffahrt, und ihren Einfluß auf Frische und That¬
kraft der Bevölkerung. "Eine Nation wie die englische mit zahlreicher Fa-
brikbevölkerung würde bald bis zur Ohnmacht sich abschwächen, körperlich
und geistig verkümmern, wenn das sehnenstählende, den Muth und alle
Kräfte belebende Seeelement nicht entgegenwirkte und immer erfrischend über
sie hinginge. -- Die englischen Matrosen bilden einen ganz andern Men¬
schenschlag als die englischen Fabrikarbeiter. -- Aus der Seethätigkeit weht
ein erfrischender Hauch über das ganze Staatswesen, der auch die Nerven
der übrigen Volksklassen stählt."

Dann folgt eine Darstellung der Nvherzeugung, der Stoffveredlung
und des Handels, des Zusammenhanges derselben und eine Statistik der
Erzeugungszweige; eine Schilderung von dem Aussehen des Landes, der
Wohn- und Lebensart, wo überall auf die Aehnlichkeit zwischen Englischem
und Niederdeutschen aufmerksam gemacht wird. Der Grund und Boden
in den vereinigten Königreichen ist ungefähr wie in Oesterreich, in Polen
und namentlich in Ungarn fast durchweg feudal; daher gehören selbst der
Grund und die Häuser der englischen Städte größtentheils den adeligen
Lehnsherren, d. h. die meisten Stadtbürger haben an einen Grundherren Bo-
denzinS oder Rente zu zahlen. Von den verschiedenen Stadttheilen Londons
ist eigentlich nur die City hievon ausgenommen, indem deren Bewohner ihre
uralten Eigenthumsrechte also noch aus den Sachsenzeiten her, vor der nor-
männischen Eroberung, im Ganzen zu erhalten und von dem Lehnswesen
zu schützen gewußt haben.

Von dem englischen Gentlemauwesen ist der Verfasser keines¬
wegs so erbaut, wie so mauche elegante Touristen. "Ich habe mich bemüht,
den schlichten Gewerbsmann, den Bauer, Matrosen dem Gentleman gegen¬
über zu stellen, und bin zu dem Ergebniß gekommen, daß er sich vor dem¬
selben nicht zu schämen braucht. Verbindet sich natürlich auch ein sehr schöner
Sinn mit jenem Wort, ein wahres Mannesideal von feiner, angenehmer


Abhängigkeit. Geht Englands einseitiges Handelsinteresse im höhern In-
teresse der Menschheit auf — und das kann offenbar nur durch seinen all-
mäligen Uebergang zu allgemein freiem Handel im Mutterlande wie in den
Colonien geschehen, — daun steht ihm der Weg offen zur Vermeidung des
Kampfes um Weltherrschaft oder Untergang. Das ist der höhere Grund
der Erscheinung, welche sich jetzt schon klar andeutet, daß der Kampf
für allgemeine Handelsfreiheit mit der Zeit nothwendig
Englands conservative Politik werden muß."

Zuerst setzt Höhlen die Elemente der britischen Seemacht auseinander,
Flüsse, Häfen, Fischerei, Schiffahrt, und ihren Einfluß auf Frische und That¬
kraft der Bevölkerung. „Eine Nation wie die englische mit zahlreicher Fa-
brikbevölkerung würde bald bis zur Ohnmacht sich abschwächen, körperlich
und geistig verkümmern, wenn das sehnenstählende, den Muth und alle
Kräfte belebende Seeelement nicht entgegenwirkte und immer erfrischend über
sie hinginge. — Die englischen Matrosen bilden einen ganz andern Men¬
schenschlag als die englischen Fabrikarbeiter. — Aus der Seethätigkeit weht
ein erfrischender Hauch über das ganze Staatswesen, der auch die Nerven
der übrigen Volksklassen stählt."

Dann folgt eine Darstellung der Nvherzeugung, der Stoffveredlung
und des Handels, des Zusammenhanges derselben und eine Statistik der
Erzeugungszweige; eine Schilderung von dem Aussehen des Landes, der
Wohn- und Lebensart, wo überall auf die Aehnlichkeit zwischen Englischem
und Niederdeutschen aufmerksam gemacht wird. Der Grund und Boden
in den vereinigten Königreichen ist ungefähr wie in Oesterreich, in Polen
und namentlich in Ungarn fast durchweg feudal; daher gehören selbst der
Grund und die Häuser der englischen Städte größtentheils den adeligen
Lehnsherren, d. h. die meisten Stadtbürger haben an einen Grundherren Bo-
denzinS oder Rente zu zahlen. Von den verschiedenen Stadttheilen Londons
ist eigentlich nur die City hievon ausgenommen, indem deren Bewohner ihre
uralten Eigenthumsrechte also noch aus den Sachsenzeiten her, vor der nor-
männischen Eroberung, im Ganzen zu erhalten und von dem Lehnswesen
zu schützen gewußt haben.

Von dem englischen Gentlemauwesen ist der Verfasser keines¬
wegs so erbaut, wie so mauche elegante Touristen. „Ich habe mich bemüht,
den schlichten Gewerbsmann, den Bauer, Matrosen dem Gentleman gegen¬
über zu stellen, und bin zu dem Ergebniß gekommen, daß er sich vor dem¬
selben nicht zu schämen braucht. Verbindet sich natürlich auch ein sehr schöner
Sinn mit jenem Wort, ein wahres Mannesideal von feiner, angenehmer


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[0240] Abhängigkeit. Geht Englands einseitiges Handelsinteresse im höhern In- teresse der Menschheit auf — und das kann offenbar nur durch seinen all- mäligen Uebergang zu allgemein freiem Handel im Mutterlande wie in den Colonien geschehen, — daun steht ihm der Weg offen zur Vermeidung des Kampfes um Weltherrschaft oder Untergang. Das ist der höhere Grund der Erscheinung, welche sich jetzt schon klar andeutet, daß der Kampf für allgemeine Handelsfreiheit mit der Zeit nothwendig Englands conservative Politik werden muß." Zuerst setzt Höhlen die Elemente der britischen Seemacht auseinander, Flüsse, Häfen, Fischerei, Schiffahrt, und ihren Einfluß auf Frische und That¬ kraft der Bevölkerung. „Eine Nation wie die englische mit zahlreicher Fa- brikbevölkerung würde bald bis zur Ohnmacht sich abschwächen, körperlich und geistig verkümmern, wenn das sehnenstählende, den Muth und alle Kräfte belebende Seeelement nicht entgegenwirkte und immer erfrischend über sie hinginge. — Die englischen Matrosen bilden einen ganz andern Men¬ schenschlag als die englischen Fabrikarbeiter. — Aus der Seethätigkeit weht ein erfrischender Hauch über das ganze Staatswesen, der auch die Nerven der übrigen Volksklassen stählt." Dann folgt eine Darstellung der Nvherzeugung, der Stoffveredlung und des Handels, des Zusammenhanges derselben und eine Statistik der Erzeugungszweige; eine Schilderung von dem Aussehen des Landes, der Wohn- und Lebensart, wo überall auf die Aehnlichkeit zwischen Englischem und Niederdeutschen aufmerksam gemacht wird. Der Grund und Boden in den vereinigten Königreichen ist ungefähr wie in Oesterreich, in Polen und namentlich in Ungarn fast durchweg feudal; daher gehören selbst der Grund und die Häuser der englischen Städte größtentheils den adeligen Lehnsherren, d. h. die meisten Stadtbürger haben an einen Grundherren Bo- denzinS oder Rente zu zahlen. Von den verschiedenen Stadttheilen Londons ist eigentlich nur die City hievon ausgenommen, indem deren Bewohner ihre uralten Eigenthumsrechte also noch aus den Sachsenzeiten her, vor der nor- männischen Eroberung, im Ganzen zu erhalten und von dem Lehnswesen zu schützen gewußt haben. Von dem englischen Gentlemauwesen ist der Verfasser keines¬ wegs so erbaut, wie so mauche elegante Touristen. „Ich habe mich bemüht, den schlichten Gewerbsmann, den Bauer, Matrosen dem Gentleman gegen¬ über zu stellen, und bin zu dem Ergebniß gekommen, daß er sich vor dem¬ selben nicht zu schämen braucht. Verbindet sich natürlich auch ein sehr schöner Sinn mit jenem Wort, ein wahres Mannesideal von feiner, angenehmer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/240>, abgerufen am 01.09.2024.