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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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"Jesuiten, Redemptoristen, sammt allen Mendikantengenossenschaften, sind in
der mildesten Weise zu entfernen." "Die Kirche muß durch zweckmäßige Re¬
formen dem Abfall vorbeugen. Eine der wichtigsten betrifft den Cölibat, für
dessen Wegschaffung heutzutage fast mehr wichtige Gründe als für seine Bei¬
behaltung sprechen, wenn er vom katholischen Standpunkt aufgefaßt wird.
Solche Reformen müssen durch Landessynoden angebahnt werden." "Mittelst
solcher Synodalbeschlüße entzieht sich die Regierung dem Vorwurf, in Kir¬
chensachen eigenmächtig zu entscheiden, und bleibt ihrem Grundsatz tren,
kirchliche Freiheit zu gewähre"."

In allen Zweigen der Verwaltung wird Vereinfachung, und zwar mei¬
stens durch Aushebung der collegialischen Einrichtungen und des Jnstanzen-
znges gefordert; demzufolge Ersparnnaen durch Verminderung des Beamten-
Heeres.

"Die Reorganisation des österreichischen Staates ist bereits zu sehr
verspätet, um für die Einrichtungen des Fortschnttsystems in die ordnungs-
mäßigen langen Deliberationen der höhern und höchsten Stellen noch ein¬
gehen zu können. Es sind eine Reihe rasch beschlossener und rasch auf einan¬
der folgender Maßregeln nöthig, um innerhalb eines Decenniums mit dem
Hauptsächlichen in's Reine zu kommen."

Entschiedene Bekämpfung des Czcchcuthums in Böhmen; Einführung
deutscher Colonisten in Galizien werden diese Provinzen dem deutschen In¬
teresse näher führen.

Wir übergehen die einzelnen Rathschläge über Verbesserung der Ver¬
waltung, und kommen zu der Verfassungsfrage. -- "Sieht man sich in der
Geschichte nach den von der ständischen Wirksamkeit dem Volk zugeflossenen
Vortheilen um, so macht man die Wahrnehmung, daß im Allgemeinen da¬
von statt Vortheile die größten Nachtheile sich ergaben, und was die Stände
anstrebten, meistentheils im entschiedensten Widerspruch mit den Interessen
der untern Volksklassen stand. Hätten die ständischen Bestrebungen einen
dauernden Erfolg gehabt, so wäre die österreichische Monarchie längst zer¬
fallen und als Beute an fremde Herrscher vertheilt. Von den Ständen ward
der freie Bauernstand in die Fessel der Leibeigenschaft geschlagen, die das
Recht gab, die Kinder den Eltern zu entreiße", und unter die Obereigen¬
thümer der letztem z" vertheile". Alles was zu Gunsten der niedern Volks¬
klassen geschehen ist, ging nicht von den Ständen aus, sondern von den das
Volk gegen jene schützenden und es vertretenden Landesfürsten; und zwar
in der neuen Zeit ebenso wie im Mittelalter. -- Wenn also aus der Ge¬
schichte Jedem klar werden muß, daß zu aller Zeit die Regierung das Volt


„Jesuiten, Redemptoristen, sammt allen Mendikantengenossenschaften, sind in
der mildesten Weise zu entfernen." „Die Kirche muß durch zweckmäßige Re¬
formen dem Abfall vorbeugen. Eine der wichtigsten betrifft den Cölibat, für
dessen Wegschaffung heutzutage fast mehr wichtige Gründe als für seine Bei¬
behaltung sprechen, wenn er vom katholischen Standpunkt aufgefaßt wird.
Solche Reformen müssen durch Landessynoden angebahnt werden." „Mittelst
solcher Synodalbeschlüße entzieht sich die Regierung dem Vorwurf, in Kir¬
chensachen eigenmächtig zu entscheiden, und bleibt ihrem Grundsatz tren,
kirchliche Freiheit zu gewähre»."

In allen Zweigen der Verwaltung wird Vereinfachung, und zwar mei¬
stens durch Aushebung der collegialischen Einrichtungen und des Jnstanzen-
znges gefordert; demzufolge Ersparnnaen durch Verminderung des Beamten-
Heeres.

„Die Reorganisation des österreichischen Staates ist bereits zu sehr
verspätet, um für die Einrichtungen des Fortschnttsystems in die ordnungs-
mäßigen langen Deliberationen der höhern und höchsten Stellen noch ein¬
gehen zu können. Es sind eine Reihe rasch beschlossener und rasch auf einan¬
der folgender Maßregeln nöthig, um innerhalb eines Decenniums mit dem
Hauptsächlichen in's Reine zu kommen."

Entschiedene Bekämpfung des Czcchcuthums in Böhmen; Einführung
deutscher Colonisten in Galizien werden diese Provinzen dem deutschen In¬
teresse näher führen.

Wir übergehen die einzelnen Rathschläge über Verbesserung der Ver¬
waltung, und kommen zu der Verfassungsfrage. — „Sieht man sich in der
Geschichte nach den von der ständischen Wirksamkeit dem Volk zugeflossenen
Vortheilen um, so macht man die Wahrnehmung, daß im Allgemeinen da¬
von statt Vortheile die größten Nachtheile sich ergaben, und was die Stände
anstrebten, meistentheils im entschiedensten Widerspruch mit den Interessen
der untern Volksklassen stand. Hätten die ständischen Bestrebungen einen
dauernden Erfolg gehabt, so wäre die österreichische Monarchie längst zer¬
fallen und als Beute an fremde Herrscher vertheilt. Von den Ständen ward
der freie Bauernstand in die Fessel der Leibeigenschaft geschlagen, die das
Recht gab, die Kinder den Eltern zu entreiße», und unter die Obereigen¬
thümer der letztem z» vertheile». Alles was zu Gunsten der niedern Volks¬
klassen geschehen ist, ging nicht von den Ständen aus, sondern von den das
Volk gegen jene schützenden und es vertretenden Landesfürsten; und zwar
in der neuen Zeit ebenso wie im Mittelalter. — Wenn also aus der Ge¬
schichte Jedem klar werden muß, daß zu aller Zeit die Regierung das Volt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/24>, abgerufen am 01.09.2024.