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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Sonntagsmorgen, die so wohlthuend und erheiternd auf das Gemüth wirkt,
daß alle Sorgen fliehen, und der lebensmüde Hypochonder wieder zum neuen
Menschen wird. Eine romantische Gegend, die an schönen Partien ihres Gleichen
sucht, umgibt diesen freundlichen Kurort. Da ist bald ein Gebirgswasser von
Erlen beschattet, in dem die Forellen plätschern, und auf dessen Wasser¬
pflanzen Libellen gaukeln im Sonnenschein; bald wieder ein prächtiger Bu¬
chenwald, den die Kunst zur schönsten Anlage umgeschaffen, bald eine von
hundertjährigen Rieseucichen umgebene Felsengrotte, aus der eine Kühlung
spendende Quelle hervorspringt, zu deren Wasser das durstende Reh schleicht,
oder der stolze Hirsch die Heerde des Hochwilds führt. Natur und Kunst
haben sich vereinigt, um die Annehmlichkeiten dieses Bades zu erhöhen.
Fulda's Fürstbischöfe waren es, welche diesen Kurort begründet haben, und
hundert Jahre sind es grade, daß der treffliche Am and von Buseck die
Quellen fassen, und Gebäude zur Aufnahme der Kurgäste Herrichten ließ.
Leichte Sommerhäuser standen damals an der Stelle der jetzigen Pracht-
gebäude, und die engen Räume vermochten die Zahl der herbeieilenden Kur¬
gäste nicht zu fassen, so daß sehr oft die fürstliche" Kammerjunker in den
heißen Sommernächten in den schattenreichen Laubengängen schliefen. Fast
jeden Sommer in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts weilten
Fulda's geistliche Regenten in diesem ihrem Lieblingsbade mit einem glän¬
zenden Hofstaate, mit ihren gravitätischen Hofräthen und den zahlreichen
Prälaten des alten Hochstiftes. Da herrschte ein reges Leben an Brnckenan'S
Quellen, ein munterer geselliger Ton, der frei und ungezwungen war, und
nur von Zeit zu Zeit die steifen Formen französischer Etikette leicht durch¬
blicken ließ. Fröhliche Lust war allerwärts, bald in dem leichtgebauten Co-
mödienhause, an den Lustspielen einer fahrenden Truppe sich ergötzend, bald
in den so beliebten Schießübungen nach der Scheibe sich betheiligcnd, ja
selbst auch an der Pharobauk, im Wagspicle sich versuchend. Niemand hat
das Leben am Bade Brückenan zu jener Zeit besser gezeichnet als Herr¬
lein, ein geschickter, fuldaischer Maler, der zwei Ansichten jenes Bades in
Oel gemalt hinterlassen hat. Da scheu wir bei der Königseiche die
geistlichen Würdenträger mit freundlichen Gesichtern, welche Lebenslust und
der jenen Herren eigene Scherz zu beleben scheint, einer zielt nach der
Scheibe, der andere überreicht in galanter Weise den Damen einen Blumen¬
strauß, die uuter den Linden ans- und abwandeln, in altfranzösischer Tracht
gekleidet, und mit große" Fächern sich Kühlung zuwehend. Und im Vorder¬
gründe sehen wir den Fürsten selbst, umgeben von seinen Hofherren, von
Heiducken und Läufern in bunten Gewändern, nothwendige Erfordernisse ei-


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Sonntagsmorgen, die so wohlthuend und erheiternd auf das Gemüth wirkt,
daß alle Sorgen fliehen, und der lebensmüde Hypochonder wieder zum neuen
Menschen wird. Eine romantische Gegend, die an schönen Partien ihres Gleichen
sucht, umgibt diesen freundlichen Kurort. Da ist bald ein Gebirgswasser von
Erlen beschattet, in dem die Forellen plätschern, und auf dessen Wasser¬
pflanzen Libellen gaukeln im Sonnenschein; bald wieder ein prächtiger Bu¬
chenwald, den die Kunst zur schönsten Anlage umgeschaffen, bald eine von
hundertjährigen Rieseucichen umgebene Felsengrotte, aus der eine Kühlung
spendende Quelle hervorspringt, zu deren Wasser das durstende Reh schleicht,
oder der stolze Hirsch die Heerde des Hochwilds führt. Natur und Kunst
haben sich vereinigt, um die Annehmlichkeiten dieses Bades zu erhöhen.
Fulda's Fürstbischöfe waren es, welche diesen Kurort begründet haben, und
hundert Jahre sind es grade, daß der treffliche Am and von Buseck die
Quellen fassen, und Gebäude zur Aufnahme der Kurgäste Herrichten ließ.
Leichte Sommerhäuser standen damals an der Stelle der jetzigen Pracht-
gebäude, und die engen Räume vermochten die Zahl der herbeieilenden Kur¬
gäste nicht zu fassen, so daß sehr oft die fürstliche» Kammerjunker in den
heißen Sommernächten in den schattenreichen Laubengängen schliefen. Fast
jeden Sommer in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts weilten
Fulda's geistliche Regenten in diesem ihrem Lieblingsbade mit einem glän¬
zenden Hofstaate, mit ihren gravitätischen Hofräthen und den zahlreichen
Prälaten des alten Hochstiftes. Da herrschte ein reges Leben an Brnckenan'S
Quellen, ein munterer geselliger Ton, der frei und ungezwungen war, und
nur von Zeit zu Zeit die steifen Formen französischer Etikette leicht durch¬
blicken ließ. Fröhliche Lust war allerwärts, bald in dem leichtgebauten Co-
mödienhause, an den Lustspielen einer fahrenden Truppe sich ergötzend, bald
in den so beliebten Schießübungen nach der Scheibe sich betheiligcnd, ja
selbst auch an der Pharobauk, im Wagspicle sich versuchend. Niemand hat
das Leben am Bade Brückenan zu jener Zeit besser gezeichnet als Herr¬
lein, ein geschickter, fuldaischer Maler, der zwei Ansichten jenes Bades in
Oel gemalt hinterlassen hat. Da scheu wir bei der Königseiche die
geistlichen Würdenträger mit freundlichen Gesichtern, welche Lebenslust und
der jenen Herren eigene Scherz zu beleben scheint, einer zielt nach der
Scheibe, der andere überreicht in galanter Weise den Damen einen Blumen¬
strauß, die uuter den Linden ans- und abwandeln, in altfranzösischer Tracht
gekleidet, und mit große» Fächern sich Kühlung zuwehend. Und im Vorder¬
gründe sehen wir den Fürsten selbst, umgeben von seinen Hofherren, von
Heiducken und Läufern in bunten Gewändern, nothwendige Erfordernisse ei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/235>, abgerufen am 01.09.2024.