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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Diese riesenhaften Korkzieherbäume setzten mich anfangs in nicht geringes
Erstaunen, bis ich ihre Entstehungsart erkannte. Von Blumen sah man nicht
gar viele; es fehlt hier zu sehr an Luft und Licht; desto größer und schöner
war die Fülle der Blätter. Schäumende Waldbäche, die das Würze-lwerk
-1--5 Fuß tief losgewaschen hatten, machten unsern Pferden viel zu thun;
oft mußten sie auch über dicke, unverwüstliche Stämme und Blöcke gestürzter
Bäume hinwegsetzen. Nur wenn die Abhänge gar zu schroff und das Wur-
zelwerk gar zu schlüpfrig war, stiegen wir ab und führten die Pferde. Zu¬
weilen kam man an offene Plätze, mit üppigem Graswuchse bedeckt; hier
entfalteten sich eine Menge schöner Blüthen, die von Schmetterlingen wim¬
melten; dann ging es wiederum in eine grausige Tiefe, wo eine Masse
entblößter knorriger Wurzeln und dunkle Gewässer, deren Tiefe man nicht
zu schätzen wußte, unsere raschen Thiere anschickten. Endlich erreichten wir
unser Ziel, die Mitte des Waldes, wo ein paar Hütten aufgebaut wur¬
den. -- Alle Morgen vor der Dämmerung brachen wir aus unserm Schlupf¬
winkel auf und gingen den Elephanten nach, die hier in großen Heerden
anzutreffen sind, und waren gewöhnlich schon vor Sonnenaufgang naß bis
auf die Haut. Wenn die Eingebornen die Nähe der Elephanten witterten,
was sie mit einem besondern Zeichen andeuteten, so wurde abgesessen und
die Jäger stürzten, den Kopf voran, durch das Dickicht, indessen ich und
die Bedienten auf dem Haltplatze blieben. Das Krachen eines fortlaufenden
Elephanten hört man schon auf eine halbe englische Meile; eine ganze Heerde
macht einen Lärm, als ob eine Lawine über einen Wald hinstürzte. Das
verhängnißvolle Geschrei, einem furchtbar verstärkten Ton aus einer zersprun¬
genen Trompete uicht ungleich, läßt der Elephant in dem Augenblick ertöne",
wo er sich wendet, um seinen Feind zu zermalmen oder selbst die tödtliche
Kugel zu empfangen. Ich wußte daher immer auch in der Ferne, wann
der Augenblick der Gefahr da war." -- Sehr interessant ist die Ersteigung
des Adamspik. --

Den 24. Dec. verließen die Reisenden die Insel. "Allgemein war der
Gedanke, daß wohl der schönste Theil der Reise hinter uns liege." -- Am
5!. Januar 1845 kamen sie in Calcutta an. "Die Stadt ist ein Gemisch
der prachtvollsten Paläste auf der einen Seite lind der erbärmlichsten Bam¬
busbaracken aus der andern. Eben so verschiedenartig ist die Bevölkerung.
Hier braunrothe Knlies oder Palankinträger, die den ganzen Tag mit dem
schweren Baume auf deu nackten Schultern laufen, und die schmutzigen
Muhamedaner, welche ein paar unansehnliche Ochsen vor einem roh aus
Bambus zilfammengebnndenen, mit ganz hölzernen knarrenden Rädern ver-


Diese riesenhaften Korkzieherbäume setzten mich anfangs in nicht geringes
Erstaunen, bis ich ihre Entstehungsart erkannte. Von Blumen sah man nicht
gar viele; es fehlt hier zu sehr an Luft und Licht; desto größer und schöner
war die Fülle der Blätter. Schäumende Waldbäche, die das Würze-lwerk
-1—5 Fuß tief losgewaschen hatten, machten unsern Pferden viel zu thun;
oft mußten sie auch über dicke, unverwüstliche Stämme und Blöcke gestürzter
Bäume hinwegsetzen. Nur wenn die Abhänge gar zu schroff und das Wur-
zelwerk gar zu schlüpfrig war, stiegen wir ab und führten die Pferde. Zu¬
weilen kam man an offene Plätze, mit üppigem Graswuchse bedeckt; hier
entfalteten sich eine Menge schöner Blüthen, die von Schmetterlingen wim¬
melten; dann ging es wiederum in eine grausige Tiefe, wo eine Masse
entblößter knorriger Wurzeln und dunkle Gewässer, deren Tiefe man nicht
zu schätzen wußte, unsere raschen Thiere anschickten. Endlich erreichten wir
unser Ziel, die Mitte des Waldes, wo ein paar Hütten aufgebaut wur¬
den. — Alle Morgen vor der Dämmerung brachen wir aus unserm Schlupf¬
winkel auf und gingen den Elephanten nach, die hier in großen Heerden
anzutreffen sind, und waren gewöhnlich schon vor Sonnenaufgang naß bis
auf die Haut. Wenn die Eingebornen die Nähe der Elephanten witterten,
was sie mit einem besondern Zeichen andeuteten, so wurde abgesessen und
die Jäger stürzten, den Kopf voran, durch das Dickicht, indessen ich und
die Bedienten auf dem Haltplatze blieben. Das Krachen eines fortlaufenden
Elephanten hört man schon auf eine halbe englische Meile; eine ganze Heerde
macht einen Lärm, als ob eine Lawine über einen Wald hinstürzte. Das
verhängnißvolle Geschrei, einem furchtbar verstärkten Ton aus einer zersprun¬
genen Trompete uicht ungleich, läßt der Elephant in dem Augenblick ertöne»,
wo er sich wendet, um seinen Feind zu zermalmen oder selbst die tödtliche
Kugel zu empfangen. Ich wußte daher immer auch in der Ferne, wann
der Augenblick der Gefahr da war." — Sehr interessant ist die Ersteigung
des Adamspik. —

Den 24. Dec. verließen die Reisenden die Insel. „Allgemein war der
Gedanke, daß wohl der schönste Theil der Reise hinter uns liege." — Am
5!. Januar 1845 kamen sie in Calcutta an. „Die Stadt ist ein Gemisch
der prachtvollsten Paläste auf der einen Seite lind der erbärmlichsten Bam¬
busbaracken aus der andern. Eben so verschiedenartig ist die Bevölkerung.
Hier braunrothe Knlies oder Palankinträger, die den ganzen Tag mit dem
schweren Baume auf deu nackten Schultern laufen, und die schmutzigen
Muhamedaner, welche ein paar unansehnliche Ochsen vor einem roh aus
Bambus zilfammengebnndenen, mit ganz hölzernen knarrenden Rädern ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/210>, abgerufen am 01.09.2024.