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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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im Stande war, ihn ganz auszulöschen. Ueberall zeugen die prachtvollen
Holzschnitzereien der lustigen Fenstervorbaue, die schönen Broncethüren der
eingestürzten Paläste, die halbvermauerten Rosetten in den Ueberresten alter
Moscheen von dein feinen Geschmack und dem Kunstsinn der Kalifenzeit.
Zur Gluck regnet es hier fast nie, sonst wäre kaum zu begreifen, wie sich
so manche Kunstschätze aus dem achten, ja siebenten Jahrhundert haben er¬
halten können, ohne daß das Geringste an Reparatur seit dieser Zeit ge¬
schehen ist, sondern im Gegentheil Alles dazu beitrug, um durch Fortschaft
fung des Materials, wenn Steine gebraucht wurden, die schönen Denkmäler
des Alterthums in Ruinen zu verwandeln. -- Grau ist die vorherrschende
Farbe der ganzen Stadt; uur hin und wieder erfreut ein zierlich gebautes,
roth und weiß bemaltes Minaret das Auge, oder eine Moschee-Kuppel aus
alter Zeit, die ganz mit in Stein gemeißelten, Netz- und Gitterwerk um¬
sponnen ist. Gern verweilt dagegen der Blick bei den Pyramiden, die im
hellen Sonnenschein aus dem gelben Dust der Wüste glänzend hervortreten;
zwischen ihnen und der Stadt dehut sich ein grünes Band von frischbelaubtcn
Bäumen, Mais- und Dnrrafelderu. Hin und wieder ficht man auch den
Urheber deö Segens, den Nil, gleich einem großen See zwischen den Bäu¬
men hervorglänzen. Die Grenze der Wüste ist links durch den Saum eines
Palmenwäldchens bezeichnet; rechts ziehen sich die Kalkberge des Mokkaiam
wie eine einförmige weiße Mauer hin. Der Umfang der jetzigen Stadt ist
noch immer sehr bedeutend für die Menge der Bevölkerung, etwa zwei oder
dreimal so groß als der von Berlin; natürlich muß man dabei die zahllosen
Trümmerhaufen mit in Anschlag bringen und die fast unbewohnten Stra¬
ßen, welche oft halb aus eingestürzten Häusern bestehen."

Bon da geht es in die Wüste; die Reisenden segelten am 26. October
von Suez ab und fuhren über das rothe Meer, bei Adel vorbei, dann
weiter nach Ceylon; eine neue Wunderwelt, die sehr anschaulich dargestellt
wird. Elephantenjagden führen die Reisenden in das Innere der Wälder,
über die letzte Grenze der Cultur. "Wir traten nun in einen dichten,
massenhafte" Urwald ein. Sein Dunkel erweckte Schauer und überwältigte
durch das Gefühl des gewaltigen Unterschiedes zwischen diesem und Allem,
was man bisher gesehen. Die mächtigen Baumstämme standen dicht anein¬
ander; baumartige Schlingpflanzen wickelten oft drei oder vier der stärksten
zusammen, die zum Theil schon abgestorben oder im Absterben begriffen
waren. Oft sah man blos einen schenkelstarkcn, spiralförmig gewundenen
Stamm, den Stamm der Schlingpflanze; der durch dieselbe erdrückte Kern
war verfault und verwittert und sie allein ohne Stütze übrig geblieben.


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im Stande war, ihn ganz auszulöschen. Ueberall zeugen die prachtvollen
Holzschnitzereien der lustigen Fenstervorbaue, die schönen Broncethüren der
eingestürzten Paläste, die halbvermauerten Rosetten in den Ueberresten alter
Moscheen von dein feinen Geschmack und dem Kunstsinn der Kalifenzeit.
Zur Gluck regnet es hier fast nie, sonst wäre kaum zu begreifen, wie sich
so manche Kunstschätze aus dem achten, ja siebenten Jahrhundert haben er¬
halten können, ohne daß das Geringste an Reparatur seit dieser Zeit ge¬
schehen ist, sondern im Gegentheil Alles dazu beitrug, um durch Fortschaft
fung des Materials, wenn Steine gebraucht wurden, die schönen Denkmäler
des Alterthums in Ruinen zu verwandeln. — Grau ist die vorherrschende
Farbe der ganzen Stadt; uur hin und wieder erfreut ein zierlich gebautes,
roth und weiß bemaltes Minaret das Auge, oder eine Moschee-Kuppel aus
alter Zeit, die ganz mit in Stein gemeißelten, Netz- und Gitterwerk um¬
sponnen ist. Gern verweilt dagegen der Blick bei den Pyramiden, die im
hellen Sonnenschein aus dem gelben Dust der Wüste glänzend hervortreten;
zwischen ihnen und der Stadt dehut sich ein grünes Band von frischbelaubtcn
Bäumen, Mais- und Dnrrafelderu. Hin und wieder ficht man auch den
Urheber deö Segens, den Nil, gleich einem großen See zwischen den Bäu¬
men hervorglänzen. Die Grenze der Wüste ist links durch den Saum eines
Palmenwäldchens bezeichnet; rechts ziehen sich die Kalkberge des Mokkaiam
wie eine einförmige weiße Mauer hin. Der Umfang der jetzigen Stadt ist
noch immer sehr bedeutend für die Menge der Bevölkerung, etwa zwei oder
dreimal so groß als der von Berlin; natürlich muß man dabei die zahllosen
Trümmerhaufen mit in Anschlag bringen und die fast unbewohnten Stra¬
ßen, welche oft halb aus eingestürzten Häusern bestehen."

Bon da geht es in die Wüste; die Reisenden segelten am 26. October
von Suez ab und fuhren über das rothe Meer, bei Adel vorbei, dann
weiter nach Ceylon; eine neue Wunderwelt, die sehr anschaulich dargestellt
wird. Elephantenjagden führen die Reisenden in das Innere der Wälder,
über die letzte Grenze der Cultur. „Wir traten nun in einen dichten,
massenhafte» Urwald ein. Sein Dunkel erweckte Schauer und überwältigte
durch das Gefühl des gewaltigen Unterschiedes zwischen diesem und Allem,
was man bisher gesehen. Die mächtigen Baumstämme standen dicht anein¬
ander; baumartige Schlingpflanzen wickelten oft drei oder vier der stärksten
zusammen, die zum Theil schon abgestorben oder im Absterben begriffen
waren. Oft sah man blos einen schenkelstarkcn, spiralförmig gewundenen
Stamm, den Stamm der Schlingpflanze; der durch dieselbe erdrückte Kern
war verfault und verwittert und sie allein ohne Stütze übrig geblieben.


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[0209] im Stande war, ihn ganz auszulöschen. Ueberall zeugen die prachtvollen Holzschnitzereien der lustigen Fenstervorbaue, die schönen Broncethüren der eingestürzten Paläste, die halbvermauerten Rosetten in den Ueberresten alter Moscheen von dein feinen Geschmack und dem Kunstsinn der Kalifenzeit. Zur Gluck regnet es hier fast nie, sonst wäre kaum zu begreifen, wie sich so manche Kunstschätze aus dem achten, ja siebenten Jahrhundert haben er¬ halten können, ohne daß das Geringste an Reparatur seit dieser Zeit ge¬ schehen ist, sondern im Gegentheil Alles dazu beitrug, um durch Fortschaft fung des Materials, wenn Steine gebraucht wurden, die schönen Denkmäler des Alterthums in Ruinen zu verwandeln. — Grau ist die vorherrschende Farbe der ganzen Stadt; uur hin und wieder erfreut ein zierlich gebautes, roth und weiß bemaltes Minaret das Auge, oder eine Moschee-Kuppel aus alter Zeit, die ganz mit in Stein gemeißelten, Netz- und Gitterwerk um¬ sponnen ist. Gern verweilt dagegen der Blick bei den Pyramiden, die im hellen Sonnenschein aus dem gelben Dust der Wüste glänzend hervortreten; zwischen ihnen und der Stadt dehut sich ein grünes Band von frischbelaubtcn Bäumen, Mais- und Dnrrafelderu. Hin und wieder ficht man auch den Urheber deö Segens, den Nil, gleich einem großen See zwischen den Bäu¬ men hervorglänzen. Die Grenze der Wüste ist links durch den Saum eines Palmenwäldchens bezeichnet; rechts ziehen sich die Kalkberge des Mokkaiam wie eine einförmige weiße Mauer hin. Der Umfang der jetzigen Stadt ist noch immer sehr bedeutend für die Menge der Bevölkerung, etwa zwei oder dreimal so groß als der von Berlin; natürlich muß man dabei die zahllosen Trümmerhaufen mit in Anschlag bringen und die fast unbewohnten Stra¬ ßen, welche oft halb aus eingestürzten Häusern bestehen." Bon da geht es in die Wüste; die Reisenden segelten am 26. October von Suez ab und fuhren über das rothe Meer, bei Adel vorbei, dann weiter nach Ceylon; eine neue Wunderwelt, die sehr anschaulich dargestellt wird. Elephantenjagden führen die Reisenden in das Innere der Wälder, über die letzte Grenze der Cultur. „Wir traten nun in einen dichten, massenhafte» Urwald ein. Sein Dunkel erweckte Schauer und überwältigte durch das Gefühl des gewaltigen Unterschiedes zwischen diesem und Allem, was man bisher gesehen. Die mächtigen Baumstämme standen dicht anein¬ ander; baumartige Schlingpflanzen wickelten oft drei oder vier der stärksten zusammen, die zum Theil schon abgestorben oder im Absterben begriffen waren. Oft sah man blos einen schenkelstarkcn, spiralförmig gewundenen Stamm, den Stamm der Schlingpflanze; der durch dieselbe erdrückte Kern war verfault und verwittert und sie allein ohne Stütze übrig geblieben. 27*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/209>, abgerufen am 01.09.2024.