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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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gebe", was aus Jeder selbst hervorgehe. "Auszusprechen was man fühlt
und denkt, kann nicht Sünde sein," sagt er, "und warum verbietet man
es den Frauen und rechnet es ihnen als ein Unrecht an?" -- Ich konnte
ihm keinen Grund sagen, der sich gegen eine solche Freiheit anführen lasse,
besonders da ich lange eine große Abneigung gegen solche Elsterwesen ver¬
spüre, aus denen sich so wenig Wahres herausbringen läßt. Hätte Owen
es nicht darauf abgesehen, eine Welt reformiren zu wollen, so würde es
nicht übel gewesen sein, mit ein paar Tausend Frauen zu beginnen; denn
wie die Sachen stehen, ist die Emanzipation derselben ein wahres Schimpf¬
wort geworden. Ein Wesen, das sich die Haare kurz schneidet, das Cigar¬
ren raucht, Männerkleider anlegt und sonst nachlässig, geschmacklos und ver¬
stört in ihrem Aeußern anzusehen ist -- das nennt man eine "emanzipirte
Frau." -- Bewahre der Himmel die Welt vor solcher Emanzipation! Nichts
ist widerlicher als solche Centauren zu scheu. Paris scheint übrigens die
beste Manufactur für solche Ausgeburten.

Ich sah gestern bei dem Portraitmaler Hartmann aus Nürnberg ein
schreckliches Bild, das mich an die Hexe von Endor erinnerte. Es war
das einer berühmten Malerin, die eben von Frankreich angekommen. "Eine
emanzipirte Fran!" setzte der Maler hinzu, als er mein Ange mit Erstau¬
nen auf Ausdruck und Costüm weilen sah. Die Stieftochter von Adam
Müller, Fräulein v. Hagen, trat hier vor Kurzem auf dieselbe Weise auf,
aber ohne Erfolg. Der Geschmack ist noch nicht ausgebildet und die Zeit
noch nicht reif für solche Carricaturen. -- Owens Frauenwelt wird diesen
Heldinnen nicht gleich kommen. Er läßt sie bleiben was sie sind, Frauen.
Ich habe die Briefe feiner Tochter gelesen, die an einen Ingenieur in den
Wäldern Amerika's verheirathet ist, und ich habe mit Bewunderung einen
Kopf wie den ihrigen über das tieffühlendste Herz wachen sehen. Dabei
will sie weder eine George Sand, noch eine Hahn-Hahn sein. -- In Eng¬
land ist übrigens alles still über das Capitel des Emanzipirens; man hat
nur mit der Volkserziehung zu thun. Und auch damit für deu Augenblick
weniger, während die Wahlen stattfinden, bei denen die Frauen auch stets
sehr thätig sind. Sie müssen das Schmeicheln und Ueberreden für ihre
Männer thun, und find bei solchen Gelegenheiten über alle Begriffe liebens¬
würdig und herablassend.

Die Juden haben jetzt Hoffnung ihres Eides entbunden zu werden.
Rothschild hat sich daher für die City gemeldet, und es ist lächerlich zu
lesen, welche schöne Dinge er den Leuten sagt und was er ihnen sonst noch


gebe», was aus Jeder selbst hervorgehe. „Auszusprechen was man fühlt
und denkt, kann nicht Sünde sein," sagt er, „und warum verbietet man
es den Frauen und rechnet es ihnen als ein Unrecht an?" — Ich konnte
ihm keinen Grund sagen, der sich gegen eine solche Freiheit anführen lasse,
besonders da ich lange eine große Abneigung gegen solche Elsterwesen ver¬
spüre, aus denen sich so wenig Wahres herausbringen läßt. Hätte Owen
es nicht darauf abgesehen, eine Welt reformiren zu wollen, so würde es
nicht übel gewesen sein, mit ein paar Tausend Frauen zu beginnen; denn
wie die Sachen stehen, ist die Emanzipation derselben ein wahres Schimpf¬
wort geworden. Ein Wesen, das sich die Haare kurz schneidet, das Cigar¬
ren raucht, Männerkleider anlegt und sonst nachlässig, geschmacklos und ver¬
stört in ihrem Aeußern anzusehen ist — das nennt man eine „emanzipirte
Frau." — Bewahre der Himmel die Welt vor solcher Emanzipation! Nichts
ist widerlicher als solche Centauren zu scheu. Paris scheint übrigens die
beste Manufactur für solche Ausgeburten.

Ich sah gestern bei dem Portraitmaler Hartmann aus Nürnberg ein
schreckliches Bild, das mich an die Hexe von Endor erinnerte. Es war
das einer berühmten Malerin, die eben von Frankreich angekommen. „Eine
emanzipirte Fran!" setzte der Maler hinzu, als er mein Ange mit Erstau¬
nen auf Ausdruck und Costüm weilen sah. Die Stieftochter von Adam
Müller, Fräulein v. Hagen, trat hier vor Kurzem auf dieselbe Weise auf,
aber ohne Erfolg. Der Geschmack ist noch nicht ausgebildet und die Zeit
noch nicht reif für solche Carricaturen. — Owens Frauenwelt wird diesen
Heldinnen nicht gleich kommen. Er läßt sie bleiben was sie sind, Frauen.
Ich habe die Briefe feiner Tochter gelesen, die an einen Ingenieur in den
Wäldern Amerika's verheirathet ist, und ich habe mit Bewunderung einen
Kopf wie den ihrigen über das tieffühlendste Herz wachen sehen. Dabei
will sie weder eine George Sand, noch eine Hahn-Hahn sein. — In Eng¬
land ist übrigens alles still über das Capitel des Emanzipirens; man hat
nur mit der Volkserziehung zu thun. Und auch damit für deu Augenblick
weniger, während die Wahlen stattfinden, bei denen die Frauen auch stets
sehr thätig sind. Sie müssen das Schmeicheln und Ueberreden für ihre
Männer thun, und find bei solchen Gelegenheiten über alle Begriffe liebens¬
würdig und herablassend.

Die Juden haben jetzt Hoffnung ihres Eides entbunden zu werden.
Rothschild hat sich daher für die City gemeldet, und es ist lächerlich zu
lesen, welche schöne Dinge er den Leuten sagt und was er ihnen sonst noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/195>, abgerufen am 01.09.2024.