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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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ders gegen solche, die der Gefeierten Beihülfe nachsuchen -- d. h. für gute
Bezahlung -- weder freundlich, noch rücksichtsvoll. Sie soll durchaus keine
zweite Henriette Sonntag sein. Das Glück -- dieser "stumbliiiA stone"
menschlicher Herzen -- hat sie in egoistische Selbstvcrehrnug eingewiegt. Sie
hat sich große Härten zu Schulden kommen lassen. -- Auch für wohlthätige
Zwecke etwas zu thun, weigert sie sich, und setzt ihre Preise bei solchen Ge¬
legenheiten so hoch, daß Niemand darauf eingehen kann. Was sie daher
auch als Künstlerin hier gewonnen haben mag, hat sie als Frau in den
Herzen aller Besseren verloren. Man kann das nnr bedauern; denn vor
ihrer Ankunft stand der persönliche Charakter der Künstlerin so hoch in
der öffentlichen Meinung, wie ihre Kunst selbst.

Am 22. Juli tritt Jenny in den Räubern auf und das Parlament
wird geschlossen. Man zankt sich über die Kirche und die Bischöfe und ob
die Wasserleitungen in London gereinigt werden sollen; und während dessen
nehmen die Wahlen für das neue Parlament ihren Fortgang, greift das
Typhus-Fieber um sich, und zeigen sich Spuren des Mißwachses in den
Kartoffeln. Irland und seine Kartoffeln! -- Welch' ein unerschöpfliches
Thema! -- Und um wird noch bewiesen, daß die große Bevölkerung Jr-
lands nnr die Folge des Kartoffel-Essens sei, und daß der englische Adel
aussterbe, weil er sich von Knollengewächsen nähre. Fleisch kann daher in
gewissem Sinne als eine Art langsamen Giftes angesehen werden. -- Leider
aber kommt die Quarterly Review mit solchen Abhandlungen zu spät; denn
was ist, ist. -- Und der arme Adel, in seiner Unschuld nach dem alten
Schlendrian fortlebend, hat es während des ganzen Winters für seine Pflicht
gehalten, keine Kartoffeln ans seinen Tisch kommen zu lassen, damit deu Jr-
ländern so viel mehr davon zu Gute komme. Damit hat es sich aber schlimm
erwiesen. Von den neun Millionen L.-Se., die England hinübergesandt,
ist den hungernden Irländern fast nichts zugekommen -- wie es sich jetzt
zu spät erwiesen hat; die Hände, durch die das Geld ging, haben sich damit
bereichert, und dem Untergänge seiner Mitbrüder hat der feilste Eigennutz
mit kaltem Lächeln zugesehen. Wenn diese Menschen so zu einer Zeit han¬
deln konnten, wo täglich Scenen des Elends sich dem Auge darstellten, die
;n wiederholen die Feder sich weigert -- was müssen sie da gethan haben,
wenn der Jrländer mit seinem Schwein und ein wenig Kartoffelschale sein
Leben zu fristen im Stande war! -- Was jetzt thun, und wie diesem un¬
glücklichen Lande helfen, ist eine Frage, die noch unbeantwortet geblieben ist.
' - 5Dweu, der Philanthropist und Sozialist wie man ihn hier gerne ver¬
dammungsweise benennt, -- hat so eben dem Parlamente den Vorschlag ge-


ders gegen solche, die der Gefeierten Beihülfe nachsuchen — d. h. für gute
Bezahlung — weder freundlich, noch rücksichtsvoll. Sie soll durchaus keine
zweite Henriette Sonntag sein. Das Glück — dieser „stumbliiiA stone"
menschlicher Herzen — hat sie in egoistische Selbstvcrehrnug eingewiegt. Sie
hat sich große Härten zu Schulden kommen lassen. — Auch für wohlthätige
Zwecke etwas zu thun, weigert sie sich, und setzt ihre Preise bei solchen Ge¬
legenheiten so hoch, daß Niemand darauf eingehen kann. Was sie daher
auch als Künstlerin hier gewonnen haben mag, hat sie als Frau in den
Herzen aller Besseren verloren. Man kann das nnr bedauern; denn vor
ihrer Ankunft stand der persönliche Charakter der Künstlerin so hoch in
der öffentlichen Meinung, wie ihre Kunst selbst.

Am 22. Juli tritt Jenny in den Räubern auf und das Parlament
wird geschlossen. Man zankt sich über die Kirche und die Bischöfe und ob
die Wasserleitungen in London gereinigt werden sollen; und während dessen
nehmen die Wahlen für das neue Parlament ihren Fortgang, greift das
Typhus-Fieber um sich, und zeigen sich Spuren des Mißwachses in den
Kartoffeln. Irland und seine Kartoffeln! — Welch' ein unerschöpfliches
Thema! — Und um wird noch bewiesen, daß die große Bevölkerung Jr-
lands nnr die Folge des Kartoffel-Essens sei, und daß der englische Adel
aussterbe, weil er sich von Knollengewächsen nähre. Fleisch kann daher in
gewissem Sinne als eine Art langsamen Giftes angesehen werden. — Leider
aber kommt die Quarterly Review mit solchen Abhandlungen zu spät; denn
was ist, ist. — Und der arme Adel, in seiner Unschuld nach dem alten
Schlendrian fortlebend, hat es während des ganzen Winters für seine Pflicht
gehalten, keine Kartoffeln ans seinen Tisch kommen zu lassen, damit deu Jr-
ländern so viel mehr davon zu Gute komme. Damit hat es sich aber schlimm
erwiesen. Von den neun Millionen L.-Se., die England hinübergesandt,
ist den hungernden Irländern fast nichts zugekommen — wie es sich jetzt
zu spät erwiesen hat; die Hände, durch die das Geld ging, haben sich damit
bereichert, und dem Untergänge seiner Mitbrüder hat der feilste Eigennutz
mit kaltem Lächeln zugesehen. Wenn diese Menschen so zu einer Zeit han¬
deln konnten, wo täglich Scenen des Elends sich dem Auge darstellten, die
;n wiederholen die Feder sich weigert — was müssen sie da gethan haben,
wenn der Jrländer mit seinem Schwein und ein wenig Kartoffelschale sein
Leben zu fristen im Stande war! — Was jetzt thun, und wie diesem un¬
glücklichen Lande helfen, ist eine Frage, die noch unbeantwortet geblieben ist.
' - 5Dweu, der Philanthropist und Sozialist wie man ihn hier gerne ver¬
dammungsweise benennt, — hat so eben dem Parlamente den Vorschlag ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/192>, abgerufen am 01.09.2024.