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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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gekommen, seinen Sozialismus zu predigen. Er ist jetzt 74 Jahre alt, und
sehr taub; sonst aber noch recht rüstig. Mazzini beschäftigt sich mit Fourrier
und hat sich ganz in den "äoncv ^ssions" verloren. So springen überall
Geister auf, die das Bedürfniß der Zeit fühlen und ihm abhelfen möchten.
Man darf aber nicht daran denken, mit England den Anfang machen zu
wollen; denn hier fehlt noch das Hauptelement, aus dem der Nest hervor¬
gehen muß, die Erziehung des Volkes. Der Schotte, Herr Simpson, ist
ein Hauptadvokat dafür und ist es lauge gewesen. Das "People's Journal"
und "Howitt's Journal" sind diesem Punkte zugewandt, und er hat eben
in der letzten Nummer einen sehr guten Aufsatz erscheinen lassen, in welchem
er als Grundsatz aufstellt: daß ein Volk sich nicht heben könne, dessen Er¬
ziehung der Barmherzigkeit obliege; denn ein Mensch, der von früher Jugend
gewöhnt sei, milde Gaben zu empfangen, sei dadurch herabgewürdigt und
könne sich nie wieder zu individueller Selbstachtung erheben. -- Er ist es
anch, der die erste Idee zu den öffentlichen Badeanstalten für das Volk ge¬
geben hat, es sind auch schon Logir-Hänser eingerichtet, in denen sich auch
Handwerker einmiethen können; sie erhalten ein Zimmer für vier Penny mit
Handtuch, Waschwasser, Bett und Feuer; für eine Woche zahlen sie zwei
Shilling, also weniger im Vergleich. Dies Prinzip, daß der Einzelne sich
die Nothwendigkeiten des Lebens nicht so leicht verschaffen kann, als wenn
Viele zusammen leben, ist dasjenige aller Sozialisten, von Fourrier bis
Owen, und insoweit diese Theorie in die praktischen Lebensverhältnisse ein¬
greift, sind die Engländer die Ersten, die sich an die Ausführung machen.
Durch die Maschinen sind so viel Hände außer Thätigkeit gesetzt. Die Le¬
bensmittel stehen hoch im Preise, die Arbeit wird schlechter bezahlt; man
muß also darauf denken, dies Mißverhältniß auszugleichen. In diesem Au¬
genblick bemüht sich ein Herr Dawson in Birmingham, eine Art Club ein¬
zurichten, der dazu diene, gemeinschaftlich zu essen, und dadurch billiger und
besser zu essen, und eine Bibliothek zu haben, deren Benutzung dem Einzel¬
nen für einen Preis zu Gute kommt, für den er für sich allein im Laufe
des Jahres nicht ein gutes Buch hätte anschaffen können. Die Idee zu ei¬
nem solchen Club hat Douglas Jerrold mit seinem Whittington Club gege¬
ben, der auch den Vortheil eines gemeinschaftlichen Speisesaals bietet, in
dem jedes Mitglied für eiuen Shilling drei Pence ein vortreffliches Mittag¬
essen einnehmen kann. Nun da der "ste Schritt zu solchen Anstalten gethan
ist, darf mau an dem Fortgange nicht zweifeln; wenigstens hier in England
nicht. Wie bald aber der Kontinent diesem Beispiel nachahmen möge, mag
sehr dahin gestellt sein. Daß die Frauen an diesen Clubs Theil nehmen sol-


gekommen, seinen Sozialismus zu predigen. Er ist jetzt 74 Jahre alt, und
sehr taub; sonst aber noch recht rüstig. Mazzini beschäftigt sich mit Fourrier
und hat sich ganz in den „äoncv ^ssions" verloren. So springen überall
Geister auf, die das Bedürfniß der Zeit fühlen und ihm abhelfen möchten.
Man darf aber nicht daran denken, mit England den Anfang machen zu
wollen; denn hier fehlt noch das Hauptelement, aus dem der Nest hervor¬
gehen muß, die Erziehung des Volkes. Der Schotte, Herr Simpson, ist
ein Hauptadvokat dafür und ist es lauge gewesen. Das „People's Journal"
und „Howitt's Journal" sind diesem Punkte zugewandt, und er hat eben
in der letzten Nummer einen sehr guten Aufsatz erscheinen lassen, in welchem
er als Grundsatz aufstellt: daß ein Volk sich nicht heben könne, dessen Er¬
ziehung der Barmherzigkeit obliege; denn ein Mensch, der von früher Jugend
gewöhnt sei, milde Gaben zu empfangen, sei dadurch herabgewürdigt und
könne sich nie wieder zu individueller Selbstachtung erheben. — Er ist es
anch, der die erste Idee zu den öffentlichen Badeanstalten für das Volk ge¬
geben hat, es sind auch schon Logir-Hänser eingerichtet, in denen sich auch
Handwerker einmiethen können; sie erhalten ein Zimmer für vier Penny mit
Handtuch, Waschwasser, Bett und Feuer; für eine Woche zahlen sie zwei
Shilling, also weniger im Vergleich. Dies Prinzip, daß der Einzelne sich
die Nothwendigkeiten des Lebens nicht so leicht verschaffen kann, als wenn
Viele zusammen leben, ist dasjenige aller Sozialisten, von Fourrier bis
Owen, und insoweit diese Theorie in die praktischen Lebensverhältnisse ein¬
greift, sind die Engländer die Ersten, die sich an die Ausführung machen.
Durch die Maschinen sind so viel Hände außer Thätigkeit gesetzt. Die Le¬
bensmittel stehen hoch im Preise, die Arbeit wird schlechter bezahlt; man
muß also darauf denken, dies Mißverhältniß auszugleichen. In diesem Au¬
genblick bemüht sich ein Herr Dawson in Birmingham, eine Art Club ein¬
zurichten, der dazu diene, gemeinschaftlich zu essen, und dadurch billiger und
besser zu essen, und eine Bibliothek zu haben, deren Benutzung dem Einzel¬
nen für einen Preis zu Gute kommt, für den er für sich allein im Laufe
des Jahres nicht ein gutes Buch hätte anschaffen können. Die Idee zu ei¬
nem solchen Club hat Douglas Jerrold mit seinem Whittington Club gege¬
ben, der auch den Vortheil eines gemeinschaftlichen Speisesaals bietet, in
dem jedes Mitglied für eiuen Shilling drei Pence ein vortreffliches Mittag¬
essen einnehmen kann. Nun da der «ste Schritt zu solchen Anstalten gethan
ist, darf mau an dem Fortgange nicht zweifeln; wenigstens hier in England
nicht. Wie bald aber der Kontinent diesem Beispiel nachahmen möge, mag
sehr dahin gestellt sein. Daß die Frauen an diesen Clubs Theil nehmen sol-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/189>, abgerufen am 01.09.2024.