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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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alt und arm ist, wurde keine bewilligt, als seine Gönner vor sechs Monaten
darum anhielten. --

Diese Neuigkeiten an einem Sonntag lesen zu können, war ein Vortheil,
den der Whittington Club mir gewährte; denn die Raume sind an diesem
Tage geöffnet und alle Tagesblätter liegen bereit für den, der keinen Anstoß
nimmt, sich mit weltlichen Dingen zu befassen. Uebrigens stehen ja auch
manche heilige und erbauliche Sachen darin. So z. B. fand ich in "Tait's
Magazine" eine Parallele zwischen O'Connel und Dr. Chalmers, dem be¬
rühmten Geistlichen der schottischen Kirchen, dessen Ableben so sehr bedauert
wird; -- der Aussatz endete damit, daß nie ein Mensch einen Tod gefunden,
der dem von Moses, Enoch und Elias ähnlicher gewesen, als der seinige,
indem er sanft verschieden sei, ohne einen Freund an seinem Lager, ohne ein
Glas Wasser zur Seite -- ganz allein, er in dem Zimmer ganz allein
und mit seinem Gott allein; so sei er abgerufen. Welche Idee! -- Man
schreibt doch auch viel närrisches hier, und die Zeitschriften enthalten fade
und abgeschmackte Sachen, die sich vollkommen mit denen in deutschen Blät¬
tern erscheinenden messen könnten, -- was auch Thomas Carlyle sage. Er'
macht sich nämlich nicht wenig über dieselben lustig, und ganz besonders noch
über die Correspondenz-Nachrichten des Morgenblattes, das er einmal gelesen,
bis er von den ewigen Theater-Nachrichten so angeekelt worden, daß er es
nie mehr ohne Abscheu anblicken kaun. Da man ihm diese Zeitschrift nun
als die beste rühmt und es die einzige ist, die nach England eingeführt wird,
so urtheilt er von dieser auf die übrigen, und mag gar nichts davon hören.
Die "Grenzboten" müssen indessen kürzlich ihren Weg nach England gefun¬
den haben; denn der Herzog von Braunschweig rügt in der letzten Num¬
mer seiner deutschen Zeitung, daß der Herausgeber die deutsche Politik
viel zu zahm behandele. Se. Hoheit möchten aber freilich alles mit Feuer
und Schwert regieren. Er hat jetzt eine große Neigung für die Communi-
sten gefaßt, in der Hoffnung, sagt man, daß sie sich unter seine Banner be¬
geben möchten, damit er mit ihnen, wie mit einem Regiment Pappenheimer,
Serge und brenne, und sein Reich mit der Spitze seines Degens wieder er¬
obere. Diese guten Leute scheinen dazu aber noch keine Lust zu haben. Es
sind bis jetzt uoch friedliebende Proletarier, die ihr Brot im Schweiße ihres
Angesichts gewinnen, und sich am Abend ihres Tagewerkes ein Bischen
von ihrem Präsidenten von Hegel's Philosophie vorsagen lassen, die er durch
sie practisch in's Leben treten zu lassen wünscht, ihnen aber einstweilen, um
sie vom Rauben und Stehlen zurückzuhalten, noch ein wenig Christenthum
und Himmel und Hölle läßt. Owen ist auch wieder von Amerika herüber-


alt und arm ist, wurde keine bewilligt, als seine Gönner vor sechs Monaten
darum anhielten. —

Diese Neuigkeiten an einem Sonntag lesen zu können, war ein Vortheil,
den der Whittington Club mir gewährte; denn die Raume sind an diesem
Tage geöffnet und alle Tagesblätter liegen bereit für den, der keinen Anstoß
nimmt, sich mit weltlichen Dingen zu befassen. Uebrigens stehen ja auch
manche heilige und erbauliche Sachen darin. So z. B. fand ich in „Tait's
Magazine" eine Parallele zwischen O'Connel und Dr. Chalmers, dem be¬
rühmten Geistlichen der schottischen Kirchen, dessen Ableben so sehr bedauert
wird; — der Aussatz endete damit, daß nie ein Mensch einen Tod gefunden,
der dem von Moses, Enoch und Elias ähnlicher gewesen, als der seinige,
indem er sanft verschieden sei, ohne einen Freund an seinem Lager, ohne ein
Glas Wasser zur Seite — ganz allein, er in dem Zimmer ganz allein
und mit seinem Gott allein; so sei er abgerufen. Welche Idee! — Man
schreibt doch auch viel närrisches hier, und die Zeitschriften enthalten fade
und abgeschmackte Sachen, die sich vollkommen mit denen in deutschen Blät¬
tern erscheinenden messen könnten, — was auch Thomas Carlyle sage. Er'
macht sich nämlich nicht wenig über dieselben lustig, und ganz besonders noch
über die Correspondenz-Nachrichten des Morgenblattes, das er einmal gelesen,
bis er von den ewigen Theater-Nachrichten so angeekelt worden, daß er es
nie mehr ohne Abscheu anblicken kaun. Da man ihm diese Zeitschrift nun
als die beste rühmt und es die einzige ist, die nach England eingeführt wird,
so urtheilt er von dieser auf die übrigen, und mag gar nichts davon hören.
Die „Grenzboten" müssen indessen kürzlich ihren Weg nach England gefun¬
den haben; denn der Herzog von Braunschweig rügt in der letzten Num¬
mer seiner deutschen Zeitung, daß der Herausgeber die deutsche Politik
viel zu zahm behandele. Se. Hoheit möchten aber freilich alles mit Feuer
und Schwert regieren. Er hat jetzt eine große Neigung für die Communi-
sten gefaßt, in der Hoffnung, sagt man, daß sie sich unter seine Banner be¬
geben möchten, damit er mit ihnen, wie mit einem Regiment Pappenheimer,
Serge und brenne, und sein Reich mit der Spitze seines Degens wieder er¬
obere. Diese guten Leute scheinen dazu aber noch keine Lust zu haben. Es
sind bis jetzt uoch friedliebende Proletarier, die ihr Brot im Schweiße ihres
Angesichts gewinnen, und sich am Abend ihres Tagewerkes ein Bischen
von ihrem Präsidenten von Hegel's Philosophie vorsagen lassen, die er durch
sie practisch in's Leben treten zu lassen wünscht, ihnen aber einstweilen, um
sie vom Rauben und Stehlen zurückzuhalten, noch ein wenig Christenthum
und Himmel und Hölle läßt. Owen ist auch wieder von Amerika herüber-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/188>, abgerufen am 01.09.2024.