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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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noch zu schreibenden Werke, wenn er dieselben erst in England drucken lassen
will und erst zwei Jahre darauf in Deutschland (?). Er hat dies Erbieten
noch nicht angenommen in der Hoffnung einer noch zu erwartenden Steige-
rung. -- Auch er richt jetzt; aber von den Triumphen der Woche. Das
ist eine süße Ermüdung, von der er sich erholt; und ihm dürstet nach
mehr. Er soll gerne bei großen Leuten essen und ihnen nach Tische
seine Dichtungen mit vielem Selbstvergnügcn vorlesen. Er wird heute
beim dänischen Gesandten speisen; vielleicht träumt ihn davon. Und wäh¬
rend -er sich auf das Mahl bei seinem hochgeborenen Wirthe vorbereitet
und sich darauf freut, sitzt der Diogenes von Chelsea, Thomas Carlyle,
ruhig in seiner Wohnung und erwartet den Besuch eines hohen Fremden --
des Großherzogs von Weimar. Dieser Fürst hatte ihn zu sehen gewünscht
und ihm diesen Wunsch mit Uebersendung seiner Karte ausdrücken lassen.
Thomas Carlyle dankte für die Artigkeit und den Wunsch; aber -- er phi-
losophirte: daß wenn er den Prinzen zu sehen gewünscht, dieser seinetwegen
leinen Schritt gegangen sein würde, und fand daher ein vice ver8" ange¬
messen und gerecht. Der Herzog konnte nichts dagegen, einwenden -- und
kam. Er blieb lange, und seine feine Weltsitte und sein gebildeter Verstand
machten den angenehmsten Eindruck ans den unbiegsamen Philosophen. --

So hat sich Weimar wieder schön ausgezeichnet und seinen alten wohl¬
erworbenen Ruf auch hier geltend gemacht. Das freut ein deutsches Herz!
lind nirgends konnte ein solches Suchen des Talentes hervorstechender leuch¬
ten als dem englischen Hose gegenüber, der, trotz seines Prinz-Consorten,
die größte Gleichgültigkeit gegen alle Gelehrte an den Tag legt. Die Kö¬
nigin kann keine "Savants" leiden und erzeigt diesen daher nie die geringste
Artigkeit. -- Daß sie trotzdem ihren vielgeliebten Gemahl zum savant aller
Savants erhoben sehen wollte, d. i. zum Kanzler der Universität Cambridge,
ist ein seltsamer Widerspruch. -- Der arme Wordsworth, sagen die engli-
schen Blätter, war in Verzweiflung, wie er als Poet Laureat die Verdienste
des Prinzen besingen sollte, und a loi-co "to cllvrcllvr kam er endlich darauf,
das Beste an ihm auszuwählen -- seine AbstamMuug von Friedrich dem
Weisen, den Beschützer Luther'S. Man hofft, daß er uun würdig in die
Fußtapfen seines großen Ahnherrn treten und das Verdienst künftig eben¬
falls beschützen werde.

Der englische Hof hat übrigens einen seltsamen Anfall von Großmuth
gehabt; die Königin hat Vater Mathew eine Pension von 100 Pfund be¬
willigt und Leigh Hund gleichfalls. Warum dem letzteren, begreift man nicht
recht; deu Sheridan KnvwleS, der nicht weniger verdienstvoll und 65 Jahr


noch zu schreibenden Werke, wenn er dieselben erst in England drucken lassen
will und erst zwei Jahre darauf in Deutschland (?). Er hat dies Erbieten
noch nicht angenommen in der Hoffnung einer noch zu erwartenden Steige-
rung. — Auch er richt jetzt; aber von den Triumphen der Woche. Das
ist eine süße Ermüdung, von der er sich erholt; und ihm dürstet nach
mehr. Er soll gerne bei großen Leuten essen und ihnen nach Tische
seine Dichtungen mit vielem Selbstvergnügcn vorlesen. Er wird heute
beim dänischen Gesandten speisen; vielleicht träumt ihn davon. Und wäh¬
rend -er sich auf das Mahl bei seinem hochgeborenen Wirthe vorbereitet
und sich darauf freut, sitzt der Diogenes von Chelsea, Thomas Carlyle,
ruhig in seiner Wohnung und erwartet den Besuch eines hohen Fremden —
des Großherzogs von Weimar. Dieser Fürst hatte ihn zu sehen gewünscht
und ihm diesen Wunsch mit Uebersendung seiner Karte ausdrücken lassen.
Thomas Carlyle dankte für die Artigkeit und den Wunsch; aber — er phi-
losophirte: daß wenn er den Prinzen zu sehen gewünscht, dieser seinetwegen
leinen Schritt gegangen sein würde, und fand daher ein vice ver8» ange¬
messen und gerecht. Der Herzog konnte nichts dagegen, einwenden — und
kam. Er blieb lange, und seine feine Weltsitte und sein gebildeter Verstand
machten den angenehmsten Eindruck ans den unbiegsamen Philosophen. —

So hat sich Weimar wieder schön ausgezeichnet und seinen alten wohl¬
erworbenen Ruf auch hier geltend gemacht. Das freut ein deutsches Herz!
lind nirgends konnte ein solches Suchen des Talentes hervorstechender leuch¬
ten als dem englischen Hose gegenüber, der, trotz seines Prinz-Consorten,
die größte Gleichgültigkeit gegen alle Gelehrte an den Tag legt. Die Kö¬
nigin kann keine „Savants" leiden und erzeigt diesen daher nie die geringste
Artigkeit. — Daß sie trotzdem ihren vielgeliebten Gemahl zum savant aller
Savants erhoben sehen wollte, d. i. zum Kanzler der Universität Cambridge,
ist ein seltsamer Widerspruch. — Der arme Wordsworth, sagen die engli-
schen Blätter, war in Verzweiflung, wie er als Poet Laureat die Verdienste
des Prinzen besingen sollte, und a loi-co «to cllvrcllvr kam er endlich darauf,
das Beste an ihm auszuwählen — seine AbstamMuug von Friedrich dem
Weisen, den Beschützer Luther'S. Man hofft, daß er uun würdig in die
Fußtapfen seines großen Ahnherrn treten und das Verdienst künftig eben¬
falls beschützen werde.

Der englische Hof hat übrigens einen seltsamen Anfall von Großmuth
gehabt; die Königin hat Vater Mathew eine Pension von 100 Pfund be¬
willigt und Leigh Hund gleichfalls. Warum dem letzteren, begreift man nicht
recht; deu Sheridan KnvwleS, der nicht weniger verdienstvoll und 65 Jahr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/187>, abgerufen am 01.09.2024.