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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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ungerechten Gefangenhaltung eine Wirthschaftsbcamtenstclle zu offcrircn, welche
der in Beschlaggcnommene nach seinem Austritt alsogleich antreten wird.

Nicht genug, daß die allerhöchsten Orts niedergelegte Vorstellung der böh¬
mischen wie der niedcröstcrreichischen Stände, wegen zeitgemäßer Umformung der
bisherigen verhaßten Ccnsurvorschriften, bisher keine Milderung bewirkte, bemerken
wir verschärstcre Maßregeln gegen jede Regung der inländischen Presse. So ist
kürzlich dem Redacteur zweier böhmischer Zeitschriften wegen allzu liberaler Leitung
^ dieser Blätter ein Censnrprozeß angehängt worden. .


IV.

Die Wiener Akademie und ihre tirolischen Mitglieder. -- Die p. Albert Jag?r und
Beda Weber. -- Die Censur gegen Hyperkatholizismus. -- Verweise und
Emeril ungen.

Wenn sie sich in Wien über die Celebritäten der neugeschaffenen Akademie
wunderten, war das bei uns, so weit nämlich Tirol in's Mitleid gezogen wurde,
noch zehn Mal mehr der Fall. Seitdem wir von jener Lieblingsidee Hammcr-
Pnrgstall's gehört hatten, dachten wir immer ganz bescheidentlich: Schade, daß uns
von dieser lobenswerthen Anstalt nichts zu Theil werden kann, denn wir haben
wohl Geistliche, Beamte, Aerzte, Handwerker im bessern und schlimmern Sinn,
aber keine Gelehrten. Frug doch auch einer Ihrer Wiener Korrespondenten:
Wie kam denn Beda Weber unter die Propheten? In Tirol freilich sind jene
beiden, die nnn dennoch in Wien zu Akademikern ernannt werden und über ihr
schwarzes Benediktiner-Scapulier auch eine Ehrcunniform tragen dürfen, hinläng¬
lich bekannt, außer dem Ländchen geschah aber noch nicht viel Rühmens davon.

Pater Albert Jäger ist allen Nichtjcsuiten in und außer unsern Mauern
seit mehr als drei Jahren ein geläufiger Name; er that, was unsere Liberalen
kaum unter vier Augen zu denken wagten, was sich unsere Orthodoxen xvn einem
Geistlichen so wenig träumen ließen, als einen freisinnigen Papst, er sprach es in
seinen vor mehr als 200 Zuhörern im Saale des Nationalmuseums gehaltenen
Vortragen über die Tiroler Geschichte des 1,7. und 18. Jahrhunderts öffentlich
aus, daß die Jesuiten und andere Mönchsorden mir zur Entsittlichung und Ver¬
dummung unseres Volkes wirkten. Sein Ansehen als Priester und Lehrer der
Söhne des Gouverneurs schützte ihn zwar vor dem Aergsten, was einem für der¬
gleichen deutsche Reden begegnen kann, doch stand auch manches gehoffte, ja selbst
manches wirkliche Gut auf dem Spiele, wie die Professur der Geschichte an der
Universität, die er nachhin trotz der Gegenminen des brixener Konsistoriums den¬
noch erhielt, und seine freie dem Wissen und Wirken förderliche Stellung außer
dem Kloster. Der Zelot und Tertiär der Jesuiten Joseph Freiherr v. Giovanelli
forderte ihn zum öffentlichen Widerruf seiner Behauptungen, oder wenigstens als
Zeichen der Neue zum Eintritt in einen strengeren Orden auf, ein Jesuit ver¬
maß sich sogar, einen Schrank des Museums öffnen zu wollen, um des Manu¬
skriptes jener ungelegener Vorlesungen habhaft zu werden und sie nach Rom zu


ungerechten Gefangenhaltung eine Wirthschaftsbcamtenstclle zu offcrircn, welche
der in Beschlaggcnommene nach seinem Austritt alsogleich antreten wird.

Nicht genug, daß die allerhöchsten Orts niedergelegte Vorstellung der böh¬
mischen wie der niedcröstcrreichischen Stände, wegen zeitgemäßer Umformung der
bisherigen verhaßten Ccnsurvorschriften, bisher keine Milderung bewirkte, bemerken
wir verschärstcre Maßregeln gegen jede Regung der inländischen Presse. So ist
kürzlich dem Redacteur zweier böhmischer Zeitschriften wegen allzu liberaler Leitung
^ dieser Blätter ein Censnrprozeß angehängt worden. .


IV.

Die Wiener Akademie und ihre tirolischen Mitglieder. — Die p. Albert Jag?r und
Beda Weber. — Die Censur gegen Hyperkatholizismus. — Verweise und
Emeril ungen.

Wenn sie sich in Wien über die Celebritäten der neugeschaffenen Akademie
wunderten, war das bei uns, so weit nämlich Tirol in's Mitleid gezogen wurde,
noch zehn Mal mehr der Fall. Seitdem wir von jener Lieblingsidee Hammcr-
Pnrgstall's gehört hatten, dachten wir immer ganz bescheidentlich: Schade, daß uns
von dieser lobenswerthen Anstalt nichts zu Theil werden kann, denn wir haben
wohl Geistliche, Beamte, Aerzte, Handwerker im bessern und schlimmern Sinn,
aber keine Gelehrten. Frug doch auch einer Ihrer Wiener Korrespondenten:
Wie kam denn Beda Weber unter die Propheten? In Tirol freilich sind jene
beiden, die nnn dennoch in Wien zu Akademikern ernannt werden und über ihr
schwarzes Benediktiner-Scapulier auch eine Ehrcunniform tragen dürfen, hinläng¬
lich bekannt, außer dem Ländchen geschah aber noch nicht viel Rühmens davon.

Pater Albert Jäger ist allen Nichtjcsuiten in und außer unsern Mauern
seit mehr als drei Jahren ein geläufiger Name; er that, was unsere Liberalen
kaum unter vier Augen zu denken wagten, was sich unsere Orthodoxen xvn einem
Geistlichen so wenig träumen ließen, als einen freisinnigen Papst, er sprach es in
seinen vor mehr als 200 Zuhörern im Saale des Nationalmuseums gehaltenen
Vortragen über die Tiroler Geschichte des 1,7. und 18. Jahrhunderts öffentlich
aus, daß die Jesuiten und andere Mönchsorden mir zur Entsittlichung und Ver¬
dummung unseres Volkes wirkten. Sein Ansehen als Priester und Lehrer der
Söhne des Gouverneurs schützte ihn zwar vor dem Aergsten, was einem für der¬
gleichen deutsche Reden begegnen kann, doch stand auch manches gehoffte, ja selbst
manches wirkliche Gut auf dem Spiele, wie die Professur der Geschichte an der
Universität, die er nachhin trotz der Gegenminen des brixener Konsistoriums den¬
noch erhielt, und seine freie dem Wissen und Wirken förderliche Stellung außer
dem Kloster. Der Zelot und Tertiär der Jesuiten Joseph Freiherr v. Giovanelli
forderte ihn zum öffentlichen Widerruf seiner Behauptungen, oder wenigstens als
Zeichen der Neue zum Eintritt in einen strengeren Orden auf, ein Jesuit ver¬
maß sich sogar, einen Schrank des Museums öffnen zu wollen, um des Manu¬
skriptes jener ungelegener Vorlesungen habhaft zu werden und sie nach Rom zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/177>, abgerufen am 01.09.2024.