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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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pas e" I" leurs lie climiKer." So sind sie alle; überall Selbstgefühl, Selbst¬
achtung der eigenen, wie der fremden Persönlichkeit. Und wie beherrschen
diese Menschen, selbst die der ärmsten Klasse, ihre Sprache als ihr Eigen¬
thum! Das geringste Mädchen aus dem Volke sagt mir auf meine Fragen
in der feinsten und znvorkommensten Weise Bescheid, indem sie nicht selten
noch irgend ein artiges Bonmot, eine zierliche Bemerkung mit in den Kauf
gibt. Es ist mir schon eine wahre Lust mit diesen Menschen zu reden."
Stahr reist mit zwei altadeligen Aristokraten, von deuen der eine ein katho¬
lischer, der andere ein protestantischer Gläubiger ist. "Der Erste, ein seines,
altfrauzöfisches Geficht, mit sanftem, liebenswürdigem Ausdruck, gefiel mir
bei weitem besser als sein Freund, der als deutscher Pietist sich pointirter
in christlicher Phraseologie zeigte. Wahrhaft rührend war es mir, als der
Erstere auf meine Bemerkung, daß die Einsamkeit bei der Aussicht auf so
lange Trennung von den Meinen mir zuweilen schwer aufs Herz falle, ohne
alle Affectation im Tone herzlichster Theilnahme erwiederte: so"vel>e?i
vous hu'it ^ a un iuui yui nous suit p-p-tont!" worauf er seiue kleine Bibel
herauszog und mir die Stelle des Evangeliums vorzeigte, in welcher es
heißt: Ich werde bei euch sein bis an der Welt Ende." Man wird ver¬
stehen, warum ich diese feine gelinde Ironie aristokratisch nenne, wenn ich
folgende Erzählung des guten Demokraten Willkomm aus München hier an¬
führe. Er ist in einem bairischen Bierhaus. "Daß ich ein Norddeutscher
sei, war nicht lange geheim zu halten, auffallen mußten mir aber die Be¬
merkungen, welche eiuer der muntern, vielschwatzenden Gäste machte, und
die sehr unverholen die Meinung aussprachen, daß mau keine sonderliche
Lust habe, Preußen unter sich zu dulden. Dem Sachsen ward nun zwar
der Aufenthalt gestattet, er hatte aber viel zu ertragen, da nunmehr ein
wunderliches Gespräch auf's Tapet kam, das sich um die leidigen Vorgänge
des 12. August drehte. Froh, diesem nichts weniger als erquicklichen Ge¬
sprächsthema entronnen zu sein, hielt ich anfangs zurück, als aber die toll¬
sten Dinge behauptet und dem Prinzen Johann Scheußlichkeiten aufgebürdet
und in unverzeihlicher Leichtgläubigkeit für wahr gehalten wurden, sah ich
mich veranlaßt, mit kurzen Worten die Irrthümer zu berichtigen. Einigen
der Gästen gefiel dies, und man forderte mich auf, über noch einige Punkte
ihnen Auskunft zu geben. Ich that auch dies gemessen und ohne Raisonne-
ment. Das behagte aber deu lebhafteren Gästen durchaus uicht, die sich
dadurch in ihren vorgefaßten Meinungen gestört sahen. Sie verlangten
ich sollte schweigen, und da ich dies nicht that, noch thun konnte, weil
Andere mich fortwährend zum Weitersprechen nöthigten, so stand mein


Gttiizbvle". it!. 1847. 21

pas e» I« leurs lie climiKer." So sind sie alle; überall Selbstgefühl, Selbst¬
achtung der eigenen, wie der fremden Persönlichkeit. Und wie beherrschen
diese Menschen, selbst die der ärmsten Klasse, ihre Sprache als ihr Eigen¬
thum! Das geringste Mädchen aus dem Volke sagt mir auf meine Fragen
in der feinsten und znvorkommensten Weise Bescheid, indem sie nicht selten
noch irgend ein artiges Bonmot, eine zierliche Bemerkung mit in den Kauf
gibt. Es ist mir schon eine wahre Lust mit diesen Menschen zu reden."
Stahr reist mit zwei altadeligen Aristokraten, von deuen der eine ein katho¬
lischer, der andere ein protestantischer Gläubiger ist. „Der Erste, ein seines,
altfrauzöfisches Geficht, mit sanftem, liebenswürdigem Ausdruck, gefiel mir
bei weitem besser als sein Freund, der als deutscher Pietist sich pointirter
in christlicher Phraseologie zeigte. Wahrhaft rührend war es mir, als der
Erstere auf meine Bemerkung, daß die Einsamkeit bei der Aussicht auf so
lange Trennung von den Meinen mir zuweilen schwer aufs Herz falle, ohne
alle Affectation im Tone herzlichster Theilnahme erwiederte: so»vel>e?i
vous hu'it ^ a un iuui yui nous suit p-p-tont!" worauf er seiue kleine Bibel
herauszog und mir die Stelle des Evangeliums vorzeigte, in welcher es
heißt: Ich werde bei euch sein bis an der Welt Ende." Man wird ver¬
stehen, warum ich diese feine gelinde Ironie aristokratisch nenne, wenn ich
folgende Erzählung des guten Demokraten Willkomm aus München hier an¬
führe. Er ist in einem bairischen Bierhaus. „Daß ich ein Norddeutscher
sei, war nicht lange geheim zu halten, auffallen mußten mir aber die Be¬
merkungen, welche eiuer der muntern, vielschwatzenden Gäste machte, und
die sehr unverholen die Meinung aussprachen, daß mau keine sonderliche
Lust habe, Preußen unter sich zu dulden. Dem Sachsen ward nun zwar
der Aufenthalt gestattet, er hatte aber viel zu ertragen, da nunmehr ein
wunderliches Gespräch auf's Tapet kam, das sich um die leidigen Vorgänge
des 12. August drehte. Froh, diesem nichts weniger als erquicklichen Ge¬
sprächsthema entronnen zu sein, hielt ich anfangs zurück, als aber die toll¬
sten Dinge behauptet und dem Prinzen Johann Scheußlichkeiten aufgebürdet
und in unverzeihlicher Leichtgläubigkeit für wahr gehalten wurden, sah ich
mich veranlaßt, mit kurzen Worten die Irrthümer zu berichtigen. Einigen
der Gästen gefiel dies, und man forderte mich auf, über noch einige Punkte
ihnen Auskunft zu geben. Ich that auch dies gemessen und ohne Raisonne-
ment. Das behagte aber deu lebhafteren Gästen durchaus uicht, die sich
dadurch in ihren vorgefaßten Meinungen gestört sahen. Sie verlangten
ich sollte schweigen, und da ich dies nicht that, noch thun konnte, weil
Andere mich fortwährend zum Weitersprechen nöthigten, so stand mein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/163>, abgerufen am 01.09.2024.