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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Gleichgewichts erfunden und gegen Frankreich, das ihm die Universalherrschaft
im Handel streitig zu machen suchte, ausgebeutet habe. "Man kann in den
drei legten Jahrhunderten mit Händen greifen, wie England alle Mächte
Europa's an der Nase herumführte."

"Die französische Revolution gab das Zeichen der Erhebung gegen die
Handels-Universalmonarchie, indem sie die Grundlage zerstörte, die sie in
der Chimäre eines europäischen Gleichgewichts hatte." Frankreich wird sie
besiegen. "Aber Europa bedarf'des Anstoßes, den eine Universalmonarchie
gibt. Frankreich wird diese Rolle übernehmen, -- aber es wird dieselbe
nicht in einer Art ausführen, die das Glück der Völker zu machen im
Stande wäre. -- -- Die wahre Universalmonarchie liegt in dem unwider¬
stehlichen Einflusse, den eine Idee auf die Geister ausübt, und nicht in der
Macht, die sich an die Person eines Kaisers der Franzosen und noch viel we¬
niger eines Kaisers des Occidents knüpft; denn die Menschen erkennen mit
Freuden die Herrschaft einer Idee an, und erheben sich ohne Unter¬
laß gegen die Herrschaft eines Menschen. Diese Ani Versalmonarchie
wird kommen, aber unsere Augen werden sie nicht sehen.
Das Unglück der gegenwärtigen Generation wird nach dem
Beschlusse des Geschickes als Grundlage für das Glück zukünf¬
tiger Generationen dienen. Die Freiheit, der wir zustreben, ist
die politische Freiheit, die das Bestehen eines wahren Völkerrechts
unterstellt, und zwar eines solchen, das sein von allen Mächten Eu¬
ropa's anerkanntes Gesetzbuch hat, das der nationalen Aus¬
dehnung in jedem Staat gewisse Grenzen steckt, und über
dessen Beachtung ein mächtiges Gericht, ähnlich dem der Am-
phyctionen bei den Griechen, wacht." -- S. 332--34.

"Das sagte Ihnen Herr Buchholz? -- und zwar 1806? Fürwahr,
wenn es nicht hier schwarz auf weiß vor mir läge, ich würde Sie des Pla¬
giats an meinem Freunde Cousiderant und dessen Lehrer Charles Tanrier
beschuldigen. Aber Sie haben Recht, er war ein Visionaire, ein Poet, ein
Narr >--".

"Und überdies gar ein patriotischer Narr," fuhr mein Führer fort,
"denn ich' müßte sehr irren, oder er dachte bei seiner Universalmonarchie-
Jdee dennoch im Geheimen an Preußen. Er sagte: "Ich möchte vor Allein
Preußen, mein. Vaterland, retten, aber ich glaube, es ist verloren."

Mein Führer sprach über Buchholz mit so viel Eifer, kam so in's Feuer,
daß ich halbwegs erstaunte. Ich sich ihn, und als jeht Herr Buchholz selbst
sich zu uns wendete, auch diesen an. "Wunderbar, der gleicht Ihnen ja,


Gleichgewichts erfunden und gegen Frankreich, das ihm die Universalherrschaft
im Handel streitig zu machen suchte, ausgebeutet habe. „Man kann in den
drei legten Jahrhunderten mit Händen greifen, wie England alle Mächte
Europa's an der Nase herumführte."

„Die französische Revolution gab das Zeichen der Erhebung gegen die
Handels-Universalmonarchie, indem sie die Grundlage zerstörte, die sie in
der Chimäre eines europäischen Gleichgewichts hatte." Frankreich wird sie
besiegen. „Aber Europa bedarf'des Anstoßes, den eine Universalmonarchie
gibt. Frankreich wird diese Rolle übernehmen, — aber es wird dieselbe
nicht in einer Art ausführen, die das Glück der Völker zu machen im
Stande wäre. — — Die wahre Universalmonarchie liegt in dem unwider¬
stehlichen Einflusse, den eine Idee auf die Geister ausübt, und nicht in der
Macht, die sich an die Person eines Kaisers der Franzosen und noch viel we¬
niger eines Kaisers des Occidents knüpft; denn die Menschen erkennen mit
Freuden die Herrschaft einer Idee an, und erheben sich ohne Unter¬
laß gegen die Herrschaft eines Menschen. Diese Ani Versalmonarchie
wird kommen, aber unsere Augen werden sie nicht sehen.
Das Unglück der gegenwärtigen Generation wird nach dem
Beschlusse des Geschickes als Grundlage für das Glück zukünf¬
tiger Generationen dienen. Die Freiheit, der wir zustreben, ist
die politische Freiheit, die das Bestehen eines wahren Völkerrechts
unterstellt, und zwar eines solchen, das sein von allen Mächten Eu¬
ropa's anerkanntes Gesetzbuch hat, das der nationalen Aus¬
dehnung in jedem Staat gewisse Grenzen steckt, und über
dessen Beachtung ein mächtiges Gericht, ähnlich dem der Am-
phyctionen bei den Griechen, wacht." — S. 332—34.

„Das sagte Ihnen Herr Buchholz? — und zwar 1806? Fürwahr,
wenn es nicht hier schwarz auf weiß vor mir läge, ich würde Sie des Pla¬
giats an meinem Freunde Cousiderant und dessen Lehrer Charles Tanrier
beschuldigen. Aber Sie haben Recht, er war ein Visionaire, ein Poet, ein
Narr >--".

„Und überdies gar ein patriotischer Narr," fuhr mein Führer fort,
„denn ich' müßte sehr irren, oder er dachte bei seiner Universalmonarchie-
Jdee dennoch im Geheimen an Preußen. Er sagte: „Ich möchte vor Allein
Preußen, mein. Vaterland, retten, aber ich glaube, es ist verloren."

Mein Führer sprach über Buchholz mit so viel Eifer, kam so in's Feuer,
daß ich halbwegs erstaunte. Ich sich ihn, und als jeht Herr Buchholz selbst
sich zu uns wendete, auch diesen an. „Wunderbar, der gleicht Ihnen ja,


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[0159] Gleichgewichts erfunden und gegen Frankreich, das ihm die Universalherrschaft im Handel streitig zu machen suchte, ausgebeutet habe. „Man kann in den drei legten Jahrhunderten mit Händen greifen, wie England alle Mächte Europa's an der Nase herumführte." „Die französische Revolution gab das Zeichen der Erhebung gegen die Handels-Universalmonarchie, indem sie die Grundlage zerstörte, die sie in der Chimäre eines europäischen Gleichgewichts hatte." Frankreich wird sie besiegen. „Aber Europa bedarf'des Anstoßes, den eine Universalmonarchie gibt. Frankreich wird diese Rolle übernehmen, — aber es wird dieselbe nicht in einer Art ausführen, die das Glück der Völker zu machen im Stande wäre. — — Die wahre Universalmonarchie liegt in dem unwider¬ stehlichen Einflusse, den eine Idee auf die Geister ausübt, und nicht in der Macht, die sich an die Person eines Kaisers der Franzosen und noch viel we¬ niger eines Kaisers des Occidents knüpft; denn die Menschen erkennen mit Freuden die Herrschaft einer Idee an, und erheben sich ohne Unter¬ laß gegen die Herrschaft eines Menschen. Diese Ani Versalmonarchie wird kommen, aber unsere Augen werden sie nicht sehen. Das Unglück der gegenwärtigen Generation wird nach dem Beschlusse des Geschickes als Grundlage für das Glück zukünf¬ tiger Generationen dienen. Die Freiheit, der wir zustreben, ist die politische Freiheit, die das Bestehen eines wahren Völkerrechts unterstellt, und zwar eines solchen, das sein von allen Mächten Eu¬ ropa's anerkanntes Gesetzbuch hat, das der nationalen Aus¬ dehnung in jedem Staat gewisse Grenzen steckt, und über dessen Beachtung ein mächtiges Gericht, ähnlich dem der Am- phyctionen bei den Griechen, wacht." — S. 332—34. „Das sagte Ihnen Herr Buchholz? — und zwar 1806? Fürwahr, wenn es nicht hier schwarz auf weiß vor mir läge, ich würde Sie des Pla¬ giats an meinem Freunde Cousiderant und dessen Lehrer Charles Tanrier beschuldigen. Aber Sie haben Recht, er war ein Visionaire, ein Poet, ein Narr >--". „Und überdies gar ein patriotischer Narr," fuhr mein Führer fort, „denn ich' müßte sehr irren, oder er dachte bei seiner Universalmonarchie- Jdee dennoch im Geheimen an Preußen. Er sagte: „Ich möchte vor Allein Preußen, mein. Vaterland, retten, aber ich glaube, es ist verloren." Mein Führer sprach über Buchholz mit so viel Eifer, kam so in's Feuer, daß ich halbwegs erstaunte. Ich sich ihn, und als jeht Herr Buchholz selbst sich zu uns wendete, auch diesen an. „Wunderbar, der gleicht Ihnen ja,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/159>, abgerufen am 01.09.2024.