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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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loszustürzen; sich rasch zurückziehen, wenn er ihn nicht bre¬
chen kann; die Seinigen wider sammeln, jede Bewegung des
Feindes beobachten, von dem kleinsten Fehler Nutzen ziehen,
um von Neuem auf ihn mit Blitzesungestüm herabzustürzen,
ihn über denHaufen zu werfen, so viel als möglich Gefangene
machen, und wieder zurückkehren. -- Das ist die ganze Kriegskunst,
die er kennt." -- S. 102*).

Mein lieber Herr Baron von X. -- diese Kriegskunst ist doch vielleicht
nicht so ganz und gar zu verachten. Im Großen handeln die großen Ge-
neräle, und besonders die Franzosen nicht anders. -- "Kli spart! mes
eilt'-als, -- Vorwärts! Vorwärts! Kinder! dort ist der Feind!" Mein Herr,
das ist das ganze Siegesgeheimniß! wenn auch nicht die ganze Kriegskunst.

Ich sehe schon, auch Sie haben eine zu gute Meinung von Blücher.
Ich kann es Ihnen nicht verdenken, denn es gibt Viele, die ihn mit Ziethen
vergleichen. Ich aber kenne das besser: "Ziethen war zu seiner Zeit ein
Virtuose in der Kriegskunst; aber Alles, was die Nachwelt von Blücher
sagen wird, wird sein, daß er ein guter Divisionsgeneral gewesen."

"Warten wir ein wenig, Herr Baron v. X>, bis die Nachwelt kommt."

"Blücher hat sich auf seinem Rückzüge so tapfer als möglich gehalten.
-- Aber in Lübeck erklärte er, daß er sich bis zum letzten Athemzuge ver¬
theidigen werde, und deswegen hätte er, mit der Hingebung eines Leonidas
seinen Entschluß durchführen sollen."

Sie vergessen, daß Leonidas den Persern am Eingange in Griechenland
gegenüberstand, während Blücher mit seinen Tapfern sich kämpfend und auf¬
recht von Jena bis Lübeck zurückgezogen hatte, und so am Ende Deutschlands
angekommen war. Sein Opfer hätte Deutschland nicht mehr retten können,
sein Rückzug selbst hatte die Ehre des preußische" Heeres so weit möglich
wieder hergestellt. Hätte er sich in Lübeck niederhauen lassen, -- nun dann
wäre das Urtheil der Nachwelt über ihn so ausgefallen, wie Sie glauben,
nur mit dem Zusätze: "Ein Mann -- dessen Blut mit jedem Tropfen einen
Helden in Deutschland zeugte!"



D. E.
Man vergesse nicht, daß dies 1803 geschrieben wurde. Es ist auffallend genug,
daß der Critiker Alles dessen, was damals in Preußen geschah, sich den Kopf zerbrich!,
was die Nachwelt von Blücher denken werde. Diese unwillkürliche Berufung auf
die Rachwelt ist eine Bürgschaft, daß die Mitwelt schon damals ahndete, was in dem
Marschall Vorwärts steckte. Noch ausfallender ist, daß wir schon hier dem Aus-
spruche Napoleons begegnen, der Blücher nur als Husarenmajor gelten lassen wollte.
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loszustürzen; sich rasch zurückziehen, wenn er ihn nicht bre¬
chen kann; die Seinigen wider sammeln, jede Bewegung des
Feindes beobachten, von dem kleinsten Fehler Nutzen ziehen,
um von Neuem auf ihn mit Blitzesungestüm herabzustürzen,
ihn über denHaufen zu werfen, so viel als möglich Gefangene
machen, und wieder zurückkehren. — Das ist die ganze Kriegskunst,
die er kennt." — S. 102*).

Mein lieber Herr Baron von X. — diese Kriegskunst ist doch vielleicht
nicht so ganz und gar zu verachten. Im Großen handeln die großen Ge-
neräle, und besonders die Franzosen nicht anders. — „Kli spart! mes
eilt'-als, — Vorwärts! Vorwärts! Kinder! dort ist der Feind!" Mein Herr,
das ist das ganze Siegesgeheimniß! wenn auch nicht die ganze Kriegskunst.

Ich sehe schon, auch Sie haben eine zu gute Meinung von Blücher.
Ich kann es Ihnen nicht verdenken, denn es gibt Viele, die ihn mit Ziethen
vergleichen. Ich aber kenne das besser: „Ziethen war zu seiner Zeit ein
Virtuose in der Kriegskunst; aber Alles, was die Nachwelt von Blücher
sagen wird, wird sein, daß er ein guter Divisionsgeneral gewesen."

„Warten wir ein wenig, Herr Baron v. X>, bis die Nachwelt kommt."

„Blücher hat sich auf seinem Rückzüge so tapfer als möglich gehalten.
— Aber in Lübeck erklärte er, daß er sich bis zum letzten Athemzuge ver¬
theidigen werde, und deswegen hätte er, mit der Hingebung eines Leonidas
seinen Entschluß durchführen sollen."

Sie vergessen, daß Leonidas den Persern am Eingange in Griechenland
gegenüberstand, während Blücher mit seinen Tapfern sich kämpfend und auf¬
recht von Jena bis Lübeck zurückgezogen hatte, und so am Ende Deutschlands
angekommen war. Sein Opfer hätte Deutschland nicht mehr retten können,
sein Rückzug selbst hatte die Ehre des preußische« Heeres so weit möglich
wieder hergestellt. Hätte er sich in Lübeck niederhauen lassen, — nun dann
wäre das Urtheil der Nachwelt über ihn so ausgefallen, wie Sie glauben,
nur mit dem Zusätze: „Ein Mann — dessen Blut mit jedem Tropfen einen
Helden in Deutschland zeugte!"



D. E.
Man vergesse nicht, daß dies 1803 geschrieben wurde. Es ist auffallend genug,
daß der Critiker Alles dessen, was damals in Preußen geschah, sich den Kopf zerbrich!,
was die Nachwelt von Blücher denken werde. Diese unwillkürliche Berufung auf
die Rachwelt ist eine Bürgschaft, daß die Mitwelt schon damals ahndete, was in dem
Marschall Vorwärts steckte. Noch ausfallender ist, daß wir schon hier dem Aus-
spruche Napoleons begegnen, der Blücher nur als Husarenmajor gelten lassen wollte.
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[0147] loszustürzen; sich rasch zurückziehen, wenn er ihn nicht bre¬ chen kann; die Seinigen wider sammeln, jede Bewegung des Feindes beobachten, von dem kleinsten Fehler Nutzen ziehen, um von Neuem auf ihn mit Blitzesungestüm herabzustürzen, ihn über denHaufen zu werfen, so viel als möglich Gefangene machen, und wieder zurückkehren. — Das ist die ganze Kriegskunst, die er kennt." — S. 102*). Mein lieber Herr Baron von X. — diese Kriegskunst ist doch vielleicht nicht so ganz und gar zu verachten. Im Großen handeln die großen Ge- neräle, und besonders die Franzosen nicht anders. — „Kli spart! mes eilt'-als, — Vorwärts! Vorwärts! Kinder! dort ist der Feind!" Mein Herr, das ist das ganze Siegesgeheimniß! wenn auch nicht die ganze Kriegskunst. Ich sehe schon, auch Sie haben eine zu gute Meinung von Blücher. Ich kann es Ihnen nicht verdenken, denn es gibt Viele, die ihn mit Ziethen vergleichen. Ich aber kenne das besser: „Ziethen war zu seiner Zeit ein Virtuose in der Kriegskunst; aber Alles, was die Nachwelt von Blücher sagen wird, wird sein, daß er ein guter Divisionsgeneral gewesen." „Warten wir ein wenig, Herr Baron v. X>, bis die Nachwelt kommt." „Blücher hat sich auf seinem Rückzüge so tapfer als möglich gehalten. — Aber in Lübeck erklärte er, daß er sich bis zum letzten Athemzuge ver¬ theidigen werde, und deswegen hätte er, mit der Hingebung eines Leonidas seinen Entschluß durchführen sollen." Sie vergessen, daß Leonidas den Persern am Eingange in Griechenland gegenüberstand, während Blücher mit seinen Tapfern sich kämpfend und auf¬ recht von Jena bis Lübeck zurückgezogen hatte, und so am Ende Deutschlands angekommen war. Sein Opfer hätte Deutschland nicht mehr retten können, sein Rückzug selbst hatte die Ehre des preußische« Heeres so weit möglich wieder hergestellt. Hätte er sich in Lübeck niederhauen lassen, — nun dann wäre das Urtheil der Nachwelt über ihn so ausgefallen, wie Sie glauben, nur mit dem Zusätze: „Ein Mann — dessen Blut mit jedem Tropfen einen Helden in Deutschland zeugte!" D. E. Man vergesse nicht, daß dies 1803 geschrieben wurde. Es ist auffallend genug, daß der Critiker Alles dessen, was damals in Preußen geschah, sich den Kopf zerbrich!, was die Nachwelt von Blücher denken werde. Diese unwillkürliche Berufung auf die Rachwelt ist eine Bürgschaft, daß die Mitwelt schon damals ahndete, was in dem Marschall Vorwärts steckte. Noch ausfallender ist, daß wir schon hier dem Aus- spruche Napoleons begegnen, der Blücher nur als Husarenmajor gelten lassen wollte. GmiMc» III. !Si7. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/147>, abgerufen am 01.09.2024.