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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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er bereits der erster "Lieutenant" Friedrichs. Sein Vater hinterließ ihm ein
aufgehängtes Land und einen zerrütteten Schatz. Aber der Herzog, den
Hindernisse nie erschreckt hatten, setzte denen, auf die er jetzt stieß, seiue
gewohnte Tüchtigkeit entgegen. Sein Vater hatte 900,000 Thaler von
Friedrich II. geliehen. Der König beglückwünschte den Sohn mit Kälte we¬
gen seiner Thronbesteigung, und frug ihn nachlässig, ob er ihm in etwas
dienen könne. Der Herzog, verletzt durch den Ton der Theilnamlosigkeit,
in dem er den des Gläubigers gegen seinen Schuldner zu erkennen glaubte,
bat sich vom Könige die Erlaubniß ans, ans der Stelle die Schuld seines
Vaters zu zahlen, und zahlte in neun Tagen die 900,000 Thaler. Man
weiß nicht, wie er die Zahlung machen konnte, aber man weiß, daß er
nicht nur diese Schuld zahlte, sondern auch alle, die sein Vater in Ham¬
burg und in Holland gemacht hatte; nud daun schuf er im Innern seiner
Staaten Einrichtungen, die seine Nachfolger verhindern mußten, in den
Fehler seines Vaters zu fallen. Er hätte, wie jener spartanische König, den
man anklagte, die Hände seiner Nachfolger gebunden zu haben, antworten
können: "Die Grenzen der Macht sind ihre Sicherheit!" --
S. 14.

"Reden Sie nicht so laut, liebster Baron von X., man könnte Sie
hören. Bedenken Sie, daß Sie nicht in Berlin sind, sondern in Paris,
wo der große Kaiser Napoleon herrscht!" flüsterte ich meinem Führer zu;
und dachte viel darüber nach, wie es zugehe, daß ein Preuße 1808 so Hoch¬
verrätherische Gedanken in Paris drucken lassen durste!

Er erzählte mir dann weiter von dem bekannten Manifeste des Herzogs
von Braunschweig aus dem Jahre 1798. Er vertheidigte ihn und behaup¬
tete, er könne der Verfasser desselben nicht gewesen sein, weil das ganze
Manifest seinem Charakter voller Nuhe und Würde entgegen sei. Dann
sprach er von der unglücklichen Schlacht von Jena und Nucrstädt. Sie ist
bekannt. Aber weniger bekannt ist vielleicht -- wenigstens war es mir --
daß auch schon hier Blücher seinen Titel: Marschall Vorwärts! verdiente.
Die Franzosen, von einem Nebel gedeckt, überraschten das preußische Heer.
Der Herzog von Braunschweig schlug vor, es in Schlachtordnung zu stellen
und abzuwarten, bis man den Feind übersehen könne. Der General-Lieu¬
tenant v. Blücher und der Marschall v. Möllendorf waren bei dem Könige.
Der erstere behauptete, daß der Herzog nur einem Häuser Jäger begegnet
sein könne, und daß er sich anheischig mache, sie auf der Stelle heimzu¬
schicken. Möllendorf wiederholte, was bei einer ähnliche" Gelegenheit Wiuterfeld


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er bereits der erster „Lieutenant" Friedrichs. Sein Vater hinterließ ihm ein
aufgehängtes Land und einen zerrütteten Schatz. Aber der Herzog, den
Hindernisse nie erschreckt hatten, setzte denen, auf die er jetzt stieß, seiue
gewohnte Tüchtigkeit entgegen. Sein Vater hatte 900,000 Thaler von
Friedrich II. geliehen. Der König beglückwünschte den Sohn mit Kälte we¬
gen seiner Thronbesteigung, und frug ihn nachlässig, ob er ihm in etwas
dienen könne. Der Herzog, verletzt durch den Ton der Theilnamlosigkeit,
in dem er den des Gläubigers gegen seinen Schuldner zu erkennen glaubte,
bat sich vom Könige die Erlaubniß ans, ans der Stelle die Schuld seines
Vaters zu zahlen, und zahlte in neun Tagen die 900,000 Thaler. Man
weiß nicht, wie er die Zahlung machen konnte, aber man weiß, daß er
nicht nur diese Schuld zahlte, sondern auch alle, die sein Vater in Ham¬
burg und in Holland gemacht hatte; nud daun schuf er im Innern seiner
Staaten Einrichtungen, die seine Nachfolger verhindern mußten, in den
Fehler seines Vaters zu fallen. Er hätte, wie jener spartanische König, den
man anklagte, die Hände seiner Nachfolger gebunden zu haben, antworten
können: „Die Grenzen der Macht sind ihre Sicherheit!" —
S. 14.

„Reden Sie nicht so laut, liebster Baron von X., man könnte Sie
hören. Bedenken Sie, daß Sie nicht in Berlin sind, sondern in Paris,
wo der große Kaiser Napoleon herrscht!" flüsterte ich meinem Führer zu;
und dachte viel darüber nach, wie es zugehe, daß ein Preuße 1808 so Hoch¬
verrätherische Gedanken in Paris drucken lassen durste!

Er erzählte mir dann weiter von dem bekannten Manifeste des Herzogs
von Braunschweig aus dem Jahre 1798. Er vertheidigte ihn und behaup¬
tete, er könne der Verfasser desselben nicht gewesen sein, weil das ganze
Manifest seinem Charakter voller Nuhe und Würde entgegen sei. Dann
sprach er von der unglücklichen Schlacht von Jena und Nucrstädt. Sie ist
bekannt. Aber weniger bekannt ist vielleicht — wenigstens war es mir —
daß auch schon hier Blücher seinen Titel: Marschall Vorwärts! verdiente.
Die Franzosen, von einem Nebel gedeckt, überraschten das preußische Heer.
Der Herzog von Braunschweig schlug vor, es in Schlachtordnung zu stellen
und abzuwarten, bis man den Feind übersehen könne. Der General-Lieu¬
tenant v. Blücher und der Marschall v. Möllendorf waren bei dem Könige.
Der erstere behauptete, daß der Herzog nur einem Häuser Jäger begegnet
sein könne, und daß er sich anheischig mache, sie auf der Stelle heimzu¬
schicken. Möllendorf wiederholte, was bei einer ähnliche» Gelegenheit Wiuterfeld


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/141>, abgerufen am 01.09.2024.