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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Sie müssen mir's schwören Herr Böhm, sonst glaub ich's Ihnen nicht!" --
"Meine Seele Hampel! soll mir Gott nicht gnädig sein, wenn ich die Pepi
nicht Heirathe, aber ans den Tag kann ich's nicht bestimmen!" >- "Adjes
Herr Böhm! aber wenn Sie falsch geschworen haben, da hüten Sie sich!"
Es lag etwas Furchtbares in dem sonst unscheinbaren und gemüthlichen Wesen
des Paschhampels, und etwas Rührendes zugleich in seinem frommen Glau¬
ben. Der kecke Pascher, der um sich ans den Händen des Gerichtes loszu¬
machen, gelogen und geheuchelt hätte, ohne sein Gewissen im Mindesten be¬
schwert zu fühlen, legte hier in ein heiliges Versprechen eine fast kindliche
Zuversicht. Nur dem Gesetze gegenüber wird der sonst brave Mann zum
Schurken -- das kommt auf deren Rechnung, die solche Gesetze gemacht
haben.




Am entgegengesetzten Ende Böhmens im finstern dichten Grcnzwalde
steht ein kleines Zollhaus, ein sogenanntes Hilfsamt, das einen Fahrweg
sperrt, und wo nun die zum Greuzverkehr unmittelbar nöthigen Waaren
eingeführt und angemeldet werden können. Vor der Thüre saß Pepi, in
abgetragenen städtischen Kleidern, ein Kind vor sich auf dein Schooße --
neben ihr lehnte an dein herabgelassenen schwarz und gelb angestrichenen
Zollschranken Karl, Hieramts zugetheilt, aber die gelben Aufschläge auf dem
Rock hatten sich in luftgrün verwandelt, er war aus der Grenzwache in die
sogenannte Gefällwache übergetreten und Pepi wurde von der Frau Ein¬
nehmerin stillschweigend im Hanse geduldet und mußte dafür zugreifen und
mithelfen, fast wie eine Magd. Aber sie that Alles willig, sie trug die nicht
immer anmuthigen Launen ihrer Beschützerin ohne Murren, denn nur durch
dieses Opfer kounte sie das Glück erkaufen, bei Karl wohnen zu dürfen.
Sonst war es unendlich finster und einsam im Walde -- zweihundert Schritt
weit stand das erste Haus des Dorfes, die anderen in noch größerer Ent¬
fernung.

"Sich doch hin", sagte Pepi plötzlich, "ne bin ich doch erschrocken!" --
"Worüber denn?" fragte Karl. -- "Es war grade so, als wie wenn der
Vater dort an der Ecke gestanden wär'!" -- "Es ist ja Niemand dort!" --
"Ja, aber es waren zweie dort, und der eine hat grade so ausgesehen, wie
mein Vater! Ich kaun mir noch gar nicht Fried' geben, Karl!" -- "Es ist
Dir nur so vorgekommen!" -- "Ne, ne, bestimmt nicht! Herr Jesus, mir
schlägt's noch in einem fort -- ich möcht' was dafür geben, wenn ich's nicht
gesehen hätt'!" -- "Dummes Zeug!" ,


Sie müssen mir's schwören Herr Böhm, sonst glaub ich's Ihnen nicht!" —
„Meine Seele Hampel! soll mir Gott nicht gnädig sein, wenn ich die Pepi
nicht Heirathe, aber ans den Tag kann ich's nicht bestimmen!" >- „Adjes
Herr Böhm! aber wenn Sie falsch geschworen haben, da hüten Sie sich!"
Es lag etwas Furchtbares in dem sonst unscheinbaren und gemüthlichen Wesen
des Paschhampels, und etwas Rührendes zugleich in seinem frommen Glau¬
ben. Der kecke Pascher, der um sich ans den Händen des Gerichtes loszu¬
machen, gelogen und geheuchelt hätte, ohne sein Gewissen im Mindesten be¬
schwert zu fühlen, legte hier in ein heiliges Versprechen eine fast kindliche
Zuversicht. Nur dem Gesetze gegenüber wird der sonst brave Mann zum
Schurken — das kommt auf deren Rechnung, die solche Gesetze gemacht
haben.




Am entgegengesetzten Ende Böhmens im finstern dichten Grcnzwalde
steht ein kleines Zollhaus, ein sogenanntes Hilfsamt, das einen Fahrweg
sperrt, und wo nun die zum Greuzverkehr unmittelbar nöthigen Waaren
eingeführt und angemeldet werden können. Vor der Thüre saß Pepi, in
abgetragenen städtischen Kleidern, ein Kind vor sich auf dein Schooße —
neben ihr lehnte an dein herabgelassenen schwarz und gelb angestrichenen
Zollschranken Karl, Hieramts zugetheilt, aber die gelben Aufschläge auf dem
Rock hatten sich in luftgrün verwandelt, er war aus der Grenzwache in die
sogenannte Gefällwache übergetreten und Pepi wurde von der Frau Ein¬
nehmerin stillschweigend im Hanse geduldet und mußte dafür zugreifen und
mithelfen, fast wie eine Magd. Aber sie that Alles willig, sie trug die nicht
immer anmuthigen Launen ihrer Beschützerin ohne Murren, denn nur durch
dieses Opfer kounte sie das Glück erkaufen, bei Karl wohnen zu dürfen.
Sonst war es unendlich finster und einsam im Walde — zweihundert Schritt
weit stand das erste Haus des Dorfes, die anderen in noch größerer Ent¬
fernung.

„Sich doch hin", sagte Pepi plötzlich, „ne bin ich doch erschrocken!" —
„Worüber denn?" fragte Karl. — „Es war grade so, als wie wenn der
Vater dort an der Ecke gestanden wär'!" — „Es ist ja Niemand dort!" —
„Ja, aber es waren zweie dort, und der eine hat grade so ausgesehen, wie
mein Vater! Ich kaun mir noch gar nicht Fried' geben, Karl!" — „Es ist
Dir nur so vorgekommen!" — „Ne, ne, bestimmt nicht! Herr Jesus, mir
schlägt's noch in einem fort — ich möcht' was dafür geben, wenn ich's nicht
gesehen hätt'!" — „Dummes Zeug!" ,


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[0118] Sie müssen mir's schwören Herr Böhm, sonst glaub ich's Ihnen nicht!" — „Meine Seele Hampel! soll mir Gott nicht gnädig sein, wenn ich die Pepi nicht Heirathe, aber ans den Tag kann ich's nicht bestimmen!" >- „Adjes Herr Böhm! aber wenn Sie falsch geschworen haben, da hüten Sie sich!" Es lag etwas Furchtbares in dem sonst unscheinbaren und gemüthlichen Wesen des Paschhampels, und etwas Rührendes zugleich in seinem frommen Glau¬ ben. Der kecke Pascher, der um sich ans den Händen des Gerichtes loszu¬ machen, gelogen und geheuchelt hätte, ohne sein Gewissen im Mindesten be¬ schwert zu fühlen, legte hier in ein heiliges Versprechen eine fast kindliche Zuversicht. Nur dem Gesetze gegenüber wird der sonst brave Mann zum Schurken — das kommt auf deren Rechnung, die solche Gesetze gemacht haben. Am entgegengesetzten Ende Böhmens im finstern dichten Grcnzwalde steht ein kleines Zollhaus, ein sogenanntes Hilfsamt, das einen Fahrweg sperrt, und wo nun die zum Greuzverkehr unmittelbar nöthigen Waaren eingeführt und angemeldet werden können. Vor der Thüre saß Pepi, in abgetragenen städtischen Kleidern, ein Kind vor sich auf dein Schooße — neben ihr lehnte an dein herabgelassenen schwarz und gelb angestrichenen Zollschranken Karl, Hieramts zugetheilt, aber die gelben Aufschläge auf dem Rock hatten sich in luftgrün verwandelt, er war aus der Grenzwache in die sogenannte Gefällwache übergetreten und Pepi wurde von der Frau Ein¬ nehmerin stillschweigend im Hanse geduldet und mußte dafür zugreifen und mithelfen, fast wie eine Magd. Aber sie that Alles willig, sie trug die nicht immer anmuthigen Launen ihrer Beschützerin ohne Murren, denn nur durch dieses Opfer kounte sie das Glück erkaufen, bei Karl wohnen zu dürfen. Sonst war es unendlich finster und einsam im Walde — zweihundert Schritt weit stand das erste Haus des Dorfes, die anderen in noch größerer Ent¬ fernung. „Sich doch hin", sagte Pepi plötzlich, „ne bin ich doch erschrocken!" — „Worüber denn?" fragte Karl. — „Es war grade so, als wie wenn der Vater dort an der Ecke gestanden wär'!" — „Es ist ja Niemand dort!" — „Ja, aber es waren zweie dort, und der eine hat grade so ausgesehen, wie mein Vater! Ich kaun mir noch gar nicht Fried' geben, Karl!" — „Es ist Dir nur so vorgekommen!" — „Ne, ne, bestimmt nicht! Herr Jesus, mir schlägt's noch in einem fort — ich möcht' was dafür geben, wenn ich's nicht gesehen hätt'!" — „Dummes Zeug!" ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/118>, abgerufen am 28.07.2024.