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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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"Du Jägerzuchtel! hau' sie nur Hampel, daß sie schwarz wird!" -- Aber
der Hampel hatte deu Kiüttel, den er gefaßt, wieder fallen lassen und sagte
mit einer sanfteren Stimme als früher: "Thu' Dich an, Pepi! Du wirst
heute mit mir gehen!"

Das Mädchen sprang auf und ging in die Bodenkammer, hier legte sie
ihren gureu Anzug an und packte alles Uebrige wieder in die grüne mit
rothen Blumen bemalte Truhe, die einst ihren Hochzeitsstaat enthalten sollte.
Der Paschhampel war indeß ein Paar Mal auf und ab gegangen, und hatte
seinem Weibe die Abenteuer dieser Nacht, die er erfahren, mitgetheilt. Die
ohnehin zornig aufgeregte Paschhampliu brach in die wüthendsten Schmä¬
hungen und Schimpfworte ans, verwünschte alles, was nur "grün" war, in
die Hölle hinein und fing endlich mit heiscrgewordener Stimme an zu schluch¬
zen. Die Wuth und der Haß dieses Weibes hatten etwas wahrhaft tragi¬
sches, wie der finstere Trübsinn des Mannes. Hampel theilte seinem Weibe,
mit, daß er heute und morgen ausbleiben und das Mädel mitnehmen werde.
-- "Wozu nimmst Du sie mit?" -- "Das laß meine Sack/ sein!" hatte
der Hampel schließlich geantwortet und nachdem er sich sattsam ausgeruht,
"ahn er den Krcuzdornstecken und ging mit Pepi, die aufgeregt und thrä-
ncuroth neben ihm herschritt, deu Weg uach Hohenelbe zu. Er fragte nach
einer langen Weile nach dem Jäger, aber Pepi weigerte sich ebenso entschie¬
den ihn zu nennen -- da schwoll dem Hampel die Zornader nud er rief:
"So pank' Dich zu Deinem Kerl, Dn Balg, Du! aber mir komm' uicht
mehr vor die Augen!"

Pepi blieb eine Weile unentschlossen stehn, dann ging sie weinend den
Berg hinauf und in den Tannwald -- der Hampel aber mit eiligen geflü-
gelten Schritten vorwärts.




Der Herr Commissair wurde aufgeweckt, weil ihn Jemand zu sprechen
wünsche. Es war schon neun Uhr, aber dem Manne viel zu früh. Mur¬
rend fuhr er in die Pantoffeln und in deu etwas schmierigen Schlafrock,
und ging in die Kanzlei, wo der Paschhampel seiner wartete. Der Com-
missair warf einen Blick der Verwunderung ans den Mann, denu da Niemand
als der Schreiber sonst in der Stube war, sah er gleich, daß jener nicht
als Gefangener eingebracht worden sei. Er setzte sich daher würdevoll in
seinen Armstuhl nud fragte den Schnauzbart drehend: "Was will man?" Äer
Hampel verneigte sich. -- "Ich möcht' gern mit Ew. Gestrengen ein Wort al¬
lein reden!" -- "Allein? er? was hat er mit mir allem zu reden? Rede er
nur zu, vor dem Schreiber da kann er das Maul aufreißen, so weit er will!"


„Du Jägerzuchtel! hau' sie nur Hampel, daß sie schwarz wird!" — Aber
der Hampel hatte deu Kiüttel, den er gefaßt, wieder fallen lassen und sagte
mit einer sanfteren Stimme als früher: „Thu' Dich an, Pepi! Du wirst
heute mit mir gehen!"

Das Mädchen sprang auf und ging in die Bodenkammer, hier legte sie
ihren gureu Anzug an und packte alles Uebrige wieder in die grüne mit
rothen Blumen bemalte Truhe, die einst ihren Hochzeitsstaat enthalten sollte.
Der Paschhampel war indeß ein Paar Mal auf und ab gegangen, und hatte
seinem Weibe die Abenteuer dieser Nacht, die er erfahren, mitgetheilt. Die
ohnehin zornig aufgeregte Paschhampliu brach in die wüthendsten Schmä¬
hungen und Schimpfworte ans, verwünschte alles, was nur „grün" war, in
die Hölle hinein und fing endlich mit heiscrgewordener Stimme an zu schluch¬
zen. Die Wuth und der Haß dieses Weibes hatten etwas wahrhaft tragi¬
sches, wie der finstere Trübsinn des Mannes. Hampel theilte seinem Weibe,
mit, daß er heute und morgen ausbleiben und das Mädel mitnehmen werde.
— „Wozu nimmst Du sie mit?" — „Das laß meine Sack/ sein!" hatte
der Hampel schließlich geantwortet und nachdem er sich sattsam ausgeruht,
»ahn er den Krcuzdornstecken und ging mit Pepi, die aufgeregt und thrä-
ncuroth neben ihm herschritt, deu Weg uach Hohenelbe zu. Er fragte nach
einer langen Weile nach dem Jäger, aber Pepi weigerte sich ebenso entschie¬
den ihn zu nennen — da schwoll dem Hampel die Zornader nud er rief:
„So pank' Dich zu Deinem Kerl, Dn Balg, Du! aber mir komm' uicht
mehr vor die Augen!"

Pepi blieb eine Weile unentschlossen stehn, dann ging sie weinend den
Berg hinauf und in den Tannwald — der Hampel aber mit eiligen geflü-
gelten Schritten vorwärts.




Der Herr Commissair wurde aufgeweckt, weil ihn Jemand zu sprechen
wünsche. Es war schon neun Uhr, aber dem Manne viel zu früh. Mur¬
rend fuhr er in die Pantoffeln und in deu etwas schmierigen Schlafrock,
und ging in die Kanzlei, wo der Paschhampel seiner wartete. Der Com-
missair warf einen Blick der Verwunderung ans den Mann, denu da Niemand
als der Schreiber sonst in der Stube war, sah er gleich, daß jener nicht
als Gefangener eingebracht worden sei. Er setzte sich daher würdevoll in
seinen Armstuhl nud fragte den Schnauzbart drehend: „Was will man?" Äer
Hampel verneigte sich. — „Ich möcht' gern mit Ew. Gestrengen ein Wort al¬
lein reden!" — „Allein? er? was hat er mit mir allem zu reden? Rede er
nur zu, vor dem Schreiber da kann er das Maul aufreißen, so weit er will!"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/115>, abgerufen am 28.07.2024.