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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Der Paschhampel schritt nun mit geflügelter Eile über Berg und Thal,
es wurde lichter Tag, die Sonne ging auf, er war zum Tode müde, aber
das Gebirg war erreicht und in einer der Banden erquickte er sich mit Brot
und Branntwein. Sechs Stunden bergauf und bergab, oft ganze Strecken
über Geröll und glattes Haidicht nimmt selbst einen so geübten und sichern
Berggänger, wie der Paschhampel war, dergestellt her, daß er den Nest des
Weges nur noch mühselig und keuchend zurücklegte. Er kam ans dein hohen
Gebirg in seiue Baude -- und blieb, wie er in die niedere Thüre trat, wie
von einem bösen Schlage getroffen, stehn. Etwas mußte vorgefallen sein,
die Ahnung, so ihn den ganzen Weg gedrückt und gepreßt hatte, war keine
falsche gewesen. Pepi saß weinend in der Ecke, die Paschhampliu, die har¬
ten ernsten Züge noch finsterer als sonst zusammenziehend ging handthierend
in der Stube ab und zu. Als der Paschhampel eintrat und eine um die
andere ansah, sing die Pepi eins's Neue an zu weinen.

"Was hat's denn gegeben?" fragte der Vater. -- "Nichts Gut's, Ham-
pel! Das kannst Dir denken, wann wär' auch bei uns was Gut's gewesen!
Die Pepi hat sich verh --!" -- "Jesus Maria!" Das arme Kind schluchzte,
als ob sie erwürgt würde.

Der Paschhampel setzte sich mit zitternden Beinen auf die Ofenbank
-- sein Weib stellte sich vor ihn.

"Heut' Nacht kommt mir vor, als hätt' die Bodenthür geklappt, weil
ich Deinetwegen keinen rechten Schlaf hatt', aber verzeih mir's der liebe
Gott, daß ich nicht aufgestanden bin, ich glaubt' am End', der Wind war
gangen und macht' die Augen wieder zu. Wie's aber um die früh wird,
seh' ich zu dem Fenster 'naus und da geht die Bodenthür wieder und die
H--- da, weiß Gott, wem sie nachgcrathen ist, läßt einen Kerl 'runter,
der die Nacht bei ihr geschlafen hat. Na und wenn's uoch Jemand aus
dem Dorf gewesen wär', aber so war's einer von den grünen Spitzbuben."
-- "Ein Jäger?" fragte der Paschhampel mit einer seltsamen Aufregung.
-- "Ja und der Igel, das flockige Aas da will's nit sagen, welcher es ge¬
wesen ist '-- ich hab' ihn uur vou rückwärts sehen können und das uit
lang, sonst wär' ich ihn mit der Mistgabel in die Wampe gefahren! Gehalte
hab' ich sie schon, daß sie striemig ist, na wart Du junges Laster, Du!" --
"Welcher war's?" -- fragte der Hampel seine winselnde Tochter. -- "Ich
kann's nit sagen, Vater, und wenn Ihr mich todtschlägt", schluchzte Pepi. --
"Nit sagen, wann's Dein Vater will? Na wart, ich will Dir's Lederzeug
anstreichen! -- Jetzt sag's!" -- "Verzeih mir die Mutter Maria alle Sün¬
den, ich sag's halt nicht!" -- "I Du Tewfelsbraten!" schrie die Mutter,


Der Paschhampel schritt nun mit geflügelter Eile über Berg und Thal,
es wurde lichter Tag, die Sonne ging auf, er war zum Tode müde, aber
das Gebirg war erreicht und in einer der Banden erquickte er sich mit Brot
und Branntwein. Sechs Stunden bergauf und bergab, oft ganze Strecken
über Geröll und glattes Haidicht nimmt selbst einen so geübten und sichern
Berggänger, wie der Paschhampel war, dergestellt her, daß er den Nest des
Weges nur noch mühselig und keuchend zurücklegte. Er kam ans dein hohen
Gebirg in seiue Baude — und blieb, wie er in die niedere Thüre trat, wie
von einem bösen Schlage getroffen, stehn. Etwas mußte vorgefallen sein,
die Ahnung, so ihn den ganzen Weg gedrückt und gepreßt hatte, war keine
falsche gewesen. Pepi saß weinend in der Ecke, die Paschhampliu, die har¬
ten ernsten Züge noch finsterer als sonst zusammenziehend ging handthierend
in der Stube ab und zu. Als der Paschhampel eintrat und eine um die
andere ansah, sing die Pepi eins's Neue an zu weinen.

„Was hat's denn gegeben?" fragte der Vater. — „Nichts Gut's, Ham-
pel! Das kannst Dir denken, wann wär' auch bei uns was Gut's gewesen!
Die Pepi hat sich verh —!" — „Jesus Maria!" Das arme Kind schluchzte,
als ob sie erwürgt würde.

Der Paschhampel setzte sich mit zitternden Beinen auf die Ofenbank
— sein Weib stellte sich vor ihn.

„Heut' Nacht kommt mir vor, als hätt' die Bodenthür geklappt, weil
ich Deinetwegen keinen rechten Schlaf hatt', aber verzeih mir's der liebe
Gott, daß ich nicht aufgestanden bin, ich glaubt' am End', der Wind war
gangen und macht' die Augen wieder zu. Wie's aber um die früh wird,
seh' ich zu dem Fenster 'naus und da geht die Bodenthür wieder und die
H—- da, weiß Gott, wem sie nachgcrathen ist, läßt einen Kerl 'runter,
der die Nacht bei ihr geschlafen hat. Na und wenn's uoch Jemand aus
dem Dorf gewesen wär', aber so war's einer von den grünen Spitzbuben."
— „Ein Jäger?" fragte der Paschhampel mit einer seltsamen Aufregung.
— „Ja und der Igel, das flockige Aas da will's nit sagen, welcher es ge¬
wesen ist '— ich hab' ihn uur vou rückwärts sehen können und das uit
lang, sonst wär' ich ihn mit der Mistgabel in die Wampe gefahren! Gehalte
hab' ich sie schon, daß sie striemig ist, na wart Du junges Laster, Du!" —
„Welcher war's?" — fragte der Hampel seine winselnde Tochter. — „Ich
kann's nit sagen, Vater, und wenn Ihr mich todtschlägt", schluchzte Pepi. —
„Nit sagen, wann's Dein Vater will? Na wart, ich will Dir's Lederzeug
anstreichen! -- Jetzt sag's!" — „Verzeih mir die Mutter Maria alle Sün¬
den, ich sag's halt nicht!" — „I Du Tewfelsbraten!" schrie die Mutter,


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[0114] Der Paschhampel schritt nun mit geflügelter Eile über Berg und Thal, es wurde lichter Tag, die Sonne ging auf, er war zum Tode müde, aber das Gebirg war erreicht und in einer der Banden erquickte er sich mit Brot und Branntwein. Sechs Stunden bergauf und bergab, oft ganze Strecken über Geröll und glattes Haidicht nimmt selbst einen so geübten und sichern Berggänger, wie der Paschhampel war, dergestellt her, daß er den Nest des Weges nur noch mühselig und keuchend zurücklegte. Er kam ans dein hohen Gebirg in seiue Baude — und blieb, wie er in die niedere Thüre trat, wie von einem bösen Schlage getroffen, stehn. Etwas mußte vorgefallen sein, die Ahnung, so ihn den ganzen Weg gedrückt und gepreßt hatte, war keine falsche gewesen. Pepi saß weinend in der Ecke, die Paschhampliu, die har¬ ten ernsten Züge noch finsterer als sonst zusammenziehend ging handthierend in der Stube ab und zu. Als der Paschhampel eintrat und eine um die andere ansah, sing die Pepi eins's Neue an zu weinen. „Was hat's denn gegeben?" fragte der Vater. — „Nichts Gut's, Ham- pel! Das kannst Dir denken, wann wär' auch bei uns was Gut's gewesen! Die Pepi hat sich verh —!" — „Jesus Maria!" Das arme Kind schluchzte, als ob sie erwürgt würde. Der Paschhampel setzte sich mit zitternden Beinen auf die Ofenbank — sein Weib stellte sich vor ihn. „Heut' Nacht kommt mir vor, als hätt' die Bodenthür geklappt, weil ich Deinetwegen keinen rechten Schlaf hatt', aber verzeih mir's der liebe Gott, daß ich nicht aufgestanden bin, ich glaubt' am End', der Wind war gangen und macht' die Augen wieder zu. Wie's aber um die früh wird, seh' ich zu dem Fenster 'naus und da geht die Bodenthür wieder und die H—- da, weiß Gott, wem sie nachgcrathen ist, läßt einen Kerl 'runter, der die Nacht bei ihr geschlafen hat. Na und wenn's uoch Jemand aus dem Dorf gewesen wär', aber so war's einer von den grünen Spitzbuben." — „Ein Jäger?" fragte der Paschhampel mit einer seltsamen Aufregung. — „Ja und der Igel, das flockige Aas da will's nit sagen, welcher es ge¬ wesen ist '— ich hab' ihn uur vou rückwärts sehen können und das uit lang, sonst wär' ich ihn mit der Mistgabel in die Wampe gefahren! Gehalte hab' ich sie schon, daß sie striemig ist, na wart Du junges Laster, Du!" — „Welcher war's?" — fragte der Hampel seine winselnde Tochter. — „Ich kann's nit sagen, Vater, und wenn Ihr mich todtschlägt", schluchzte Pepi. — „Nit sagen, wann's Dein Vater will? Na wart, ich will Dir's Lederzeug anstreichen! -- Jetzt sag's!" — „Verzeih mir die Mutter Maria alle Sün¬ den, ich sag's halt nicht!" — „I Du Tewfelsbraten!" schrie die Mutter,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/114>, abgerufen am 28.07.2024.