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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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"ich bitte Sie, sagen Sie, was er mir Alles nachgeredet hat, ich möchte da¬
mit zur Herrschaft gehen'." -- "Und Sie haben ihn geliebt," sagte Theodor
mit vorwurfsvollem Ernst, "vielleicht ist er für alle seine Liebe und Treue ein
Opfer Ihrer Unbeständigkeit geworden? Nein Berti, mit einem Herzen darf
man nicht spielen!"

Der pathetische Ton verfehlte seine Wirkung, Betel war zu sehr an na¬
türliche, wenn auch minder erhabene Allsbrüche männlicher Eifersucht ge¬
wöhnt, als daß sie viel Furcht vor dieser Weise gehabt hätte. Sie wieder-
holte daher mit Heftigkeit "Was hat der Karl von mir gesagt?" -- "Daß
er Sie geliebt hat, daß Sie ihn auch geliebt haben, Betel!"

Nun war Betel doch roth geworden. "Ja wir haben Bekanntschaft zu¬
sammen gehabt, aber sonst nichts. Wenn er mehr gesagt hat, so ist er ein
schlechter Kerl, den unser Herrgott strafen wird! Ich bitte Sie, er ist der
Sohn vom Roketnitzer Oberförster lind soll hier eine Anstellung bekommen,
ich war vor zwei Jahren uoch ein ganz dummes Mädel" -- ein Thränen¬
strom schoß aus ihren Augen, die ganze drückende Schwere der Schaam, sich '
mit einem Büchsenspanner eingelassen zu haben, siel ihr auf das Herz.
'

"Die Frau Baronin hatschon Recht gehabt," schluchzte sie, "wenn sie
mit mir gezankt hat, daß ich mich mit dem Karl eingelassen habe; sie hat
immer gesagt, das schickt sich nicht und ich hätte ihr gleich folgen sollen'.
Ich bitte Sie, sagen Sie mir, was hat der Karl über mich gesprochen?"

Theodor war unter den Thränen, die seinetwillen flössen, bereits weich
wie Wachs geworden, aber er nahm sich zusammen und sagte finster "Sie
haben ihn sehr oft geküßt, vor allen Leuten geküßt -- hören Sie Betel,
wenn das so --"

"Der Lügner," schluchzte Betel, "der abscheuliche ruchlose Lügner, er thut
als ob ich wer weiß was mit ihm vorgehabt hätte, und es ist Alles nicht
wahr! Er hat mich geküßt, wenn ich mi/s nicht versehen habe, aber'vor den
Leuten gewiß nicht, da hätte ich ihm eine Ohrfeige gegeben!" '

Mit dieser Drohung sind die böhmischen Mädchen, die schönen Enkelin¬
nen der Amazonen, gleich bei der Hand und es sind schon so häufige Bei¬
spiele vorgekommen, daß sie wirklich zuschlugen und in homerischen Zwei-
kämpfen ihr Recht behaupteten, daß es nie gerathen ist, sie beim Wort zu
nehmen. '

^ ist wahr, Betel'S Rechtfertigung war etwas mangelhaft, aber auf
den gutherzigen Theodor hatte sie eine hinreichende Wirkung ausgeübt. MS
daher Betel überwältigt von Wehmuth an seine Brust sank , machte er nur
noch einen schwachen Versuch, sie abzuwehren. Aber auch dieser erschien der
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„ich bitte Sie, sagen Sie, was er mir Alles nachgeredet hat, ich möchte da¬
mit zur Herrschaft gehen'." — „Und Sie haben ihn geliebt," sagte Theodor
mit vorwurfsvollem Ernst, „vielleicht ist er für alle seine Liebe und Treue ein
Opfer Ihrer Unbeständigkeit geworden? Nein Berti, mit einem Herzen darf
man nicht spielen!"

Der pathetische Ton verfehlte seine Wirkung, Betel war zu sehr an na¬
türliche, wenn auch minder erhabene Allsbrüche männlicher Eifersucht ge¬
wöhnt, als daß sie viel Furcht vor dieser Weise gehabt hätte. Sie wieder-
holte daher mit Heftigkeit „Was hat der Karl von mir gesagt?" — „Daß
er Sie geliebt hat, daß Sie ihn auch geliebt haben, Betel!"

Nun war Betel doch roth geworden. „Ja wir haben Bekanntschaft zu¬
sammen gehabt, aber sonst nichts. Wenn er mehr gesagt hat, so ist er ein
schlechter Kerl, den unser Herrgott strafen wird! Ich bitte Sie, er ist der
Sohn vom Roketnitzer Oberförster lind soll hier eine Anstellung bekommen,
ich war vor zwei Jahren uoch ein ganz dummes Mädel" — ein Thränen¬
strom schoß aus ihren Augen, die ganze drückende Schwere der Schaam, sich '
mit einem Büchsenspanner eingelassen zu haben, siel ihr auf das Herz.
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„Die Frau Baronin hatschon Recht gehabt," schluchzte sie, „wenn sie
mit mir gezankt hat, daß ich mich mit dem Karl eingelassen habe; sie hat
immer gesagt, das schickt sich nicht und ich hätte ihr gleich folgen sollen'.
Ich bitte Sie, sagen Sie mir, was hat der Karl über mich gesprochen?"

Theodor war unter den Thränen, die seinetwillen flössen, bereits weich
wie Wachs geworden, aber er nahm sich zusammen und sagte finster „Sie
haben ihn sehr oft geküßt, vor allen Leuten geküßt — hören Sie Betel,
wenn das so —"

„Der Lügner," schluchzte Betel, „der abscheuliche ruchlose Lügner, er thut
als ob ich wer weiß was mit ihm vorgehabt hätte, und es ist Alles nicht
wahr! Er hat mich geküßt, wenn ich mi/s nicht versehen habe, aber'vor den
Leuten gewiß nicht, da hätte ich ihm eine Ohrfeige gegeben!" '

Mit dieser Drohung sind die böhmischen Mädchen, die schönen Enkelin¬
nen der Amazonen, gleich bei der Hand und es sind schon so häufige Bei¬
spiele vorgekommen, daß sie wirklich zuschlugen und in homerischen Zwei-
kämpfen ihr Recht behaupteten, daß es nie gerathen ist, sie beim Wort zu
nehmen. '

^ ist wahr, Betel'S Rechtfertigung war etwas mangelhaft, aber auf
den gutherzigen Theodor hatte sie eine hinreichende Wirkung ausgeübt. MS
daher Betel überwältigt von Wehmuth an seine Brust sank , machte er nur
noch einen schwachen Versuch, sie abzuwehren. Aber auch dieser erschien der
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[0075] „ich bitte Sie, sagen Sie, was er mir Alles nachgeredet hat, ich möchte da¬ mit zur Herrschaft gehen'." — „Und Sie haben ihn geliebt," sagte Theodor mit vorwurfsvollem Ernst, „vielleicht ist er für alle seine Liebe und Treue ein Opfer Ihrer Unbeständigkeit geworden? Nein Berti, mit einem Herzen darf man nicht spielen!" Der pathetische Ton verfehlte seine Wirkung, Betel war zu sehr an na¬ türliche, wenn auch minder erhabene Allsbrüche männlicher Eifersucht ge¬ wöhnt, als daß sie viel Furcht vor dieser Weise gehabt hätte. Sie wieder- holte daher mit Heftigkeit „Was hat der Karl von mir gesagt?" — „Daß er Sie geliebt hat, daß Sie ihn auch geliebt haben, Betel!" Nun war Betel doch roth geworden. „Ja wir haben Bekanntschaft zu¬ sammen gehabt, aber sonst nichts. Wenn er mehr gesagt hat, so ist er ein schlechter Kerl, den unser Herrgott strafen wird! Ich bitte Sie, er ist der Sohn vom Roketnitzer Oberförster lind soll hier eine Anstellung bekommen, ich war vor zwei Jahren uoch ein ganz dummes Mädel" — ein Thränen¬ strom schoß aus ihren Augen, die ganze drückende Schwere der Schaam, sich ' mit einem Büchsenspanner eingelassen zu haben, siel ihr auf das Herz. ' „Die Frau Baronin hatschon Recht gehabt," schluchzte sie, „wenn sie mit mir gezankt hat, daß ich mich mit dem Karl eingelassen habe; sie hat immer gesagt, das schickt sich nicht und ich hätte ihr gleich folgen sollen'. Ich bitte Sie, sagen Sie mir, was hat der Karl über mich gesprochen?" Theodor war unter den Thränen, die seinetwillen flössen, bereits weich wie Wachs geworden, aber er nahm sich zusammen und sagte finster „Sie haben ihn sehr oft geküßt, vor allen Leuten geküßt — hören Sie Betel, wenn das so —" „Der Lügner," schluchzte Betel, „der abscheuliche ruchlose Lügner, er thut als ob ich wer weiß was mit ihm vorgehabt hätte, und es ist Alles nicht wahr! Er hat mich geküßt, wenn ich mi/s nicht versehen habe, aber'vor den Leuten gewiß nicht, da hätte ich ihm eine Ohrfeige gegeben!" ' Mit dieser Drohung sind die böhmischen Mädchen, die schönen Enkelin¬ nen der Amazonen, gleich bei der Hand und es sind schon so häufige Bei¬ spiele vorgekommen, daß sie wirklich zuschlugen und in homerischen Zwei- kämpfen ihr Recht behaupteten, daß es nie gerathen ist, sie beim Wort zu nehmen. ' ^ ist wahr, Betel'S Rechtfertigung war etwas mangelhaft, aber auf den gutherzigen Theodor hatte sie eine hinreichende Wirkung ausgeübt. MS daher Betel überwältigt von Wehmuth an seine Brust sank , machte er nur noch einen schwachen Versuch, sie abzuwehren. Aber auch dieser erschien der ' 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/75>, abgerufen am 03.07.2024.