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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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war er ein eifriger Patriot, Mitglied des vaterländischen Museums, arbeitete
sogar an der böhmischen Monatschrift mit und war ein tüchtiger Oekonom
und Bienenzüchter. Der Baron bildete sich daher auf seinen Pfarrer große
Stücke ein, und schwur nicht hoher, als bei seiner Gelehrsamkeit. Als daher
Theodor in das Zimmer trat, wies ihm der Baron den Platz neben Jarv-
mirchen, der in einem fort schrie, daß er fürchterlichen Hunger habe und dem
Pfarrer gegenüber, an, der die respectvolle Verbeugung des Studiosen mit
väterlicher Würde erwiederte und dann die /Hände zum Tischgebet zusammen¬
schlug, was von der ganzen Familie nachgeahmt wurde. Endlich sagte der
geistliche Herr mit salbungsvoller Stimme "Amen!" und die Baronin legte
vor. Das feierliche Stillschweigen dauerte bis nach dem Braten, dann schob
der Hausherr den Armstuhl zurück, streckte die Beine aus und rief "Karl!"
-- Alsbald wurde ihm, eine große Meerschaumpfeife gebracht und angezün¬
det, der Pfarrer nahm eine Prise und auch Theodor schnupfte aus Höflich¬
keit mit. Der Baron fragte nun, "sagen Sie mir Nestcisny" --

Theodor nieste.

"Was werden Sie dem Buben da Alles lehren?"

Theodor nieste wieder -- die Augen gingen ihm über -- er wollte
antworten, aber der rappirte Galizier, den der Pfarrer führte, rumorte noch
eine gute Weile und machte es dem armen Menschen unmöglich zu ant¬
worten.

"Man steht es, daß Sie kein Schnupfer siud!" bemerkte der Pfarrer,
eine dicke Prise nehmend. -- "Junge Leute sollen auch uicht schnupfen!"
warf die Baronin mit gerunzelter Sirue ein -- Jaromir aber freute sich
und rief: "der Herr Nestilsny muß noch immer niesen!" -- "Phe Jaromir!
nicht vorlaut sein!" ermahnte der Freiherr, "nun, mit was wollen Sie also
anfangen?" -- "Ach Gott, damit hat es ja Zeit bis morgen!" fiel die
Baronin ein, "das können Sie mit dem Herrn Pfarrer besprechen! heute
wird so nichts zu reden sein, wir find Alle müde von: Weg und von der
Kälte! Karl schenk' ein!"

Karl schenkte dem Hofmeister ein, er Härte ihn am liebsten vergiften mö¬
gen. Der Pfarrer trank seinen Humpen ans: "Das Bier von diesem Gebräu
ist wieder sehr gut, Herr Baron!"

"Ja! das vorige hat zu wenig getrieben -- ich Hab's dem Brauer gleich
gesagt, daß es trübe bleiben würde." -- "Ich habe auch einen halben Ei¬
mer vom vorigen liegen, aber es geht jetzt auch damit! er hat beim Rege"
auskühlen lassen, das war der Fehler!" "Können Sie das Fortepiano
selbst stimmen, oder soll ich morgen nach dem Schullehrer schicken?" unter-


war er ein eifriger Patriot, Mitglied des vaterländischen Museums, arbeitete
sogar an der böhmischen Monatschrift mit und war ein tüchtiger Oekonom
und Bienenzüchter. Der Baron bildete sich daher auf seinen Pfarrer große
Stücke ein, und schwur nicht hoher, als bei seiner Gelehrsamkeit. Als daher
Theodor in das Zimmer trat, wies ihm der Baron den Platz neben Jarv-
mirchen, der in einem fort schrie, daß er fürchterlichen Hunger habe und dem
Pfarrer gegenüber, an, der die respectvolle Verbeugung des Studiosen mit
väterlicher Würde erwiederte und dann die /Hände zum Tischgebet zusammen¬
schlug, was von der ganzen Familie nachgeahmt wurde. Endlich sagte der
geistliche Herr mit salbungsvoller Stimme „Amen!" und die Baronin legte
vor. Das feierliche Stillschweigen dauerte bis nach dem Braten, dann schob
der Hausherr den Armstuhl zurück, streckte die Beine aus und rief „Karl!"
— Alsbald wurde ihm, eine große Meerschaumpfeife gebracht und angezün¬
det, der Pfarrer nahm eine Prise und auch Theodor schnupfte aus Höflich¬
keit mit. Der Baron fragte nun, „sagen Sie mir Nestcisny" —

Theodor nieste.

„Was werden Sie dem Buben da Alles lehren?"

Theodor nieste wieder — die Augen gingen ihm über — er wollte
antworten, aber der rappirte Galizier, den der Pfarrer führte, rumorte noch
eine gute Weile und machte es dem armen Menschen unmöglich zu ant¬
worten.

„Man steht es, daß Sie kein Schnupfer siud!" bemerkte der Pfarrer,
eine dicke Prise nehmend. — „Junge Leute sollen auch uicht schnupfen!"
warf die Baronin mit gerunzelter Sirue ein — Jaromir aber freute sich
und rief: „der Herr Nestilsny muß noch immer niesen!" — „Phe Jaromir!
nicht vorlaut sein!" ermahnte der Freiherr, „nun, mit was wollen Sie also
anfangen?" — „Ach Gott, damit hat es ja Zeit bis morgen!" fiel die
Baronin ein, „das können Sie mit dem Herrn Pfarrer besprechen! heute
wird so nichts zu reden sein, wir find Alle müde von: Weg und von der
Kälte! Karl schenk' ein!"

Karl schenkte dem Hofmeister ein, er Härte ihn am liebsten vergiften mö¬
gen. Der Pfarrer trank seinen Humpen ans: „Das Bier von diesem Gebräu
ist wieder sehr gut, Herr Baron!"

„Ja! das vorige hat zu wenig getrieben — ich Hab's dem Brauer gleich
gesagt, daß es trübe bleiben würde." — „Ich habe auch einen halben Ei¬
mer vom vorigen liegen, aber es geht jetzt auch damit! er hat beim Rege»
auskühlen lassen, das war der Fehler!" „Können Sie das Fortepiano
selbst stimmen, oder soll ich morgen nach dem Schullehrer schicken?" unter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/66>, abgerufen am 22.07.2024.