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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Der diensthabende Secundararzt -- der Dienst trifft ihn einen Tag
um den andern -- darf Tag und Nacht das Haus nicht verlassen. Da die
Primarärzte nur zwei Mal des Tags bei den abzuhaltenden Ordinationeu
zu erscheinen verpflichtet find, so müssen die Secundarärzte jeden ncuaulan-
gendcn Kranken aufnehmen, untersuchen und behandeln. Den Kranken, deren
Zustand sich in der zwischen den Ordinationeu oder Visiten liegenden Zeit
verschlimmert, muß der Secuudarius bei Tag und Nacht schleunige Hülfe
leisten. Ueberdies liegt den Secnndarärzten die Führung der Protokolle,
die Verfassung der Krankengeschichten, Ordinations- oder sogenannten Ein¬
lagszettel, den Medicamentenextracten für die Apotheke, der Speisezetteln,
die tägliche Nappvrterstattuug, die Aufzeichnung der für jeden einzelnen
Kranken bestimmten Diät, die Ausarbeitung der Monats- und Jahresberichte
u. s. w. ob.

Während der Ordination haben die Secundarärzte den Primarien stets
an der Seite zu sein, und in Kürze vorzutragen, was sich bei Tag oder Nacht
mit den Kranken zugetragen. Im Ertrankungsfalle der Primarien vertreten
die Secundarien ihre Stelle.

Ueberdies müssen die Secuudarieu entdeckte Gebrechen, welche zum Nach¬
theile der Kranken gereichen, entweder selbst auf das Schleunigste abstellen,
oder dem Primarärzte der Abtheilung anzeigen, die ihnen subalternen Wund¬
ärzte, Practikanten nud Wärtcrslente zur genauesten Pflichterfüllung anhal¬
ten, die Kranken vor Verwahrlosung, Verkürzung oder Mißhandlung der
Wärtersleute schützen, die Qualität und Quantität der Speisen untersuchen'),
auf die Heitzung, Beleuchtung und Reinigung der Krankcnsäle ihr Augen¬
merk richten.

Auch haben sie zu sorgen, daß in den Krankensälen die reinste Sitt¬
lichkeit beobachtet werde und die Kranken, ehe sie noch die Geistesgegenwart
verlieren, zur Erfüllung der Pflichten jener Religion, zu welcher sie sich be-
kennen, verhalten werden.

Wir übergehen noch andere Leistungen, welche die treffliche Instruction
für die Secundarärzte ihnen zur Pflicht macht. Der Leser sieht, daß diese
so thätigen mit ärztlichen, Kanzleiökonvmic und Sittenpolizeidiensten über¬
schwemmten Personen mehr verdienen, als kümmerlichen Tagarbeiterlohn, und
daß sie auf eine höhere, bessere Würdigung ihres gemeinnützigen Lebens
die gerechtesten Ansprüche hätten. Im Laufe einiger Monate raffte jüngst



*) Weshalb die Secundarärzte diesen wichtigen Sendungen nicht, wie es sein sollte,
D. E. entsprechen, haben wir oben angedeutet.

Der diensthabende Secundararzt — der Dienst trifft ihn einen Tag
um den andern — darf Tag und Nacht das Haus nicht verlassen. Da die
Primarärzte nur zwei Mal des Tags bei den abzuhaltenden Ordinationeu
zu erscheinen verpflichtet find, so müssen die Secundarärzte jeden ncuaulan-
gendcn Kranken aufnehmen, untersuchen und behandeln. Den Kranken, deren
Zustand sich in der zwischen den Ordinationeu oder Visiten liegenden Zeit
verschlimmert, muß der Secuudarius bei Tag und Nacht schleunige Hülfe
leisten. Ueberdies liegt den Secnndarärzten die Führung der Protokolle,
die Verfassung der Krankengeschichten, Ordinations- oder sogenannten Ein¬
lagszettel, den Medicamentenextracten für die Apotheke, der Speisezetteln,
die tägliche Nappvrterstattuug, die Aufzeichnung der für jeden einzelnen
Kranken bestimmten Diät, die Ausarbeitung der Monats- und Jahresberichte
u. s. w. ob.

Während der Ordination haben die Secundarärzte den Primarien stets
an der Seite zu sein, und in Kürze vorzutragen, was sich bei Tag oder Nacht
mit den Kranken zugetragen. Im Ertrankungsfalle der Primarien vertreten
die Secundarien ihre Stelle.

Ueberdies müssen die Secuudarieu entdeckte Gebrechen, welche zum Nach¬
theile der Kranken gereichen, entweder selbst auf das Schleunigste abstellen,
oder dem Primarärzte der Abtheilung anzeigen, die ihnen subalternen Wund¬
ärzte, Practikanten nud Wärtcrslente zur genauesten Pflichterfüllung anhal¬
ten, die Kranken vor Verwahrlosung, Verkürzung oder Mißhandlung der
Wärtersleute schützen, die Qualität und Quantität der Speisen untersuchen'),
auf die Heitzung, Beleuchtung und Reinigung der Krankcnsäle ihr Augen¬
merk richten.

Auch haben sie zu sorgen, daß in den Krankensälen die reinste Sitt¬
lichkeit beobachtet werde und die Kranken, ehe sie noch die Geistesgegenwart
verlieren, zur Erfüllung der Pflichten jener Religion, zu welcher sie sich be-
kennen, verhalten werden.

Wir übergehen noch andere Leistungen, welche die treffliche Instruction
für die Secundarärzte ihnen zur Pflicht macht. Der Leser sieht, daß diese
so thätigen mit ärztlichen, Kanzleiökonvmic und Sittenpolizeidiensten über¬
schwemmten Personen mehr verdienen, als kümmerlichen Tagarbeiterlohn, und
daß sie auf eine höhere, bessere Würdigung ihres gemeinnützigen Lebens
die gerechtesten Ansprüche hätten. Im Laufe einiger Monate raffte jüngst



*) Weshalb die Secundarärzte diesen wichtigen Sendungen nicht, wie es sein sollte,
D. E. entsprechen, haben wir oben angedeutet.
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[0572] Der diensthabende Secundararzt — der Dienst trifft ihn einen Tag um den andern — darf Tag und Nacht das Haus nicht verlassen. Da die Primarärzte nur zwei Mal des Tags bei den abzuhaltenden Ordinationeu zu erscheinen verpflichtet find, so müssen die Secundarärzte jeden ncuaulan- gendcn Kranken aufnehmen, untersuchen und behandeln. Den Kranken, deren Zustand sich in der zwischen den Ordinationeu oder Visiten liegenden Zeit verschlimmert, muß der Secuudarius bei Tag und Nacht schleunige Hülfe leisten. Ueberdies liegt den Secnndarärzten die Führung der Protokolle, die Verfassung der Krankengeschichten, Ordinations- oder sogenannten Ein¬ lagszettel, den Medicamentenextracten für die Apotheke, der Speisezetteln, die tägliche Nappvrterstattuug, die Aufzeichnung der für jeden einzelnen Kranken bestimmten Diät, die Ausarbeitung der Monats- und Jahresberichte u. s. w. ob. Während der Ordination haben die Secundarärzte den Primarien stets an der Seite zu sein, und in Kürze vorzutragen, was sich bei Tag oder Nacht mit den Kranken zugetragen. Im Ertrankungsfalle der Primarien vertreten die Secundarien ihre Stelle. Ueberdies müssen die Secuudarieu entdeckte Gebrechen, welche zum Nach¬ theile der Kranken gereichen, entweder selbst auf das Schleunigste abstellen, oder dem Primarärzte der Abtheilung anzeigen, die ihnen subalternen Wund¬ ärzte, Practikanten nud Wärtcrslente zur genauesten Pflichterfüllung anhal¬ ten, die Kranken vor Verwahrlosung, Verkürzung oder Mißhandlung der Wärtersleute schützen, die Qualität und Quantität der Speisen untersuchen'), auf die Heitzung, Beleuchtung und Reinigung der Krankcnsäle ihr Augen¬ merk richten. Auch haben sie zu sorgen, daß in den Krankensälen die reinste Sitt¬ lichkeit beobachtet werde und die Kranken, ehe sie noch die Geistesgegenwart verlieren, zur Erfüllung der Pflichten jener Religion, zu welcher sie sich be- kennen, verhalten werden. Wir übergehen noch andere Leistungen, welche die treffliche Instruction für die Secundarärzte ihnen zur Pflicht macht. Der Leser sieht, daß diese so thätigen mit ärztlichen, Kanzleiökonvmic und Sittenpolizeidiensten über¬ schwemmten Personen mehr verdienen, als kümmerlichen Tagarbeiterlohn, und daß sie auf eine höhere, bessere Würdigung ihres gemeinnützigen Lebens die gerechtesten Ansprüche hätten. Im Laufe einiger Monate raffte jüngst *) Weshalb die Secundarärzte diesen wichtigen Sendungen nicht, wie es sein sollte, D. E. entsprechen, haben wir oben angedeutet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/572>, abgerufen am 03.07.2024.