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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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IV. Die Tvdtenlisten.

Unstreitig müssen die Tvdtenlisten oder Stcrbcrcgister, um als statisti¬
sche Hülfsmittel zu nützen, und anderen höchst wichtigen Zwecken zu dienen,
den Stempel der Aechtheit an der Stirne tragen, und mit heiligem Ernst
für die Wahrheit, und den wissenschaftlichen Fortschritt verfaßt werden.

Die Primär- und Secnndarärzte begreifen die Wichtigkeit dieser Pflich¬
ten vollkommen, und bezeichnen sowohl in den täglichen, als in den monat¬
lichen Berichten genau und gewissenhaft die Krankheiten, welchen die Leiden¬
den erlegen sind. Nun ereignet es sich nicht selten, daß die Direction, wel¬
che die abgeschiedenen Kranken gar nicht sah, die in den Berichten bezeich¬
neten tödtlichen Krankheiten streicht, und an ihre Stelle nach Willkür andere
setzt! Wir haben hier nicht jene Krankheiten im Ange, deren Veröffentlichung
das Gedächtniß deö Verstorbenen, oder seine Angehörigen verletzen könnte, und
die vorschriftsmäßig nicht enthüllt werden dürfen. Wir meinen jene Uebel,
bei welchen diese zarte Rücksichten keine Anwendung finden, und die willkür¬
lich "zur Ehre des Hauses," oder "um den Credit des Hauses nicht zu
schmälern," wie die Direction sich ausdrückt, in andere Uebel travestirt werden!


V. Die Aerzte.

Werfen wir zum Schlüsse noch einen Blick ans die äußere Lebensstel¬
lung der im Krankenhause wirkenden Aerzte.

Daß diese Stellung in vielfacher Hinsicht die Aufmerksamkeit des Forschers
in Anspruch nimmt, wird Niemand in Abrede stellen, der erwägt, wie schwer,
wie heilig der Priesterdienst der Hygiäa ist, besonders in einem so giganti¬
schen Institute, wo Leben und Tod sich so oft begegnen, so nahe aneinander
grenzen.

Die Aerzte des Krankenhauses siud Primär- oder Secnndarärzte.

Die Primarärzte beziehen ein Gehalt von l200 bis 15V0 Fi. C. M,,
und haben schöne, geräumige Wohnungen im Institut. Sie müssen zwei
Mal des Tags, Morgens um sechs und Nachmittags um vier Uhr die ihnen
zugewiesenen Krankenzimmer besuchen, und die Ordination besorgen.

Die Secuudarärzte, deren, in jeder Abtheilung zwei wirksam sind, be¬
ziehen eine jährliche Besoldung von 2-w Fi. C. M., d. i. vierzig Kreuzer
des Tags, d. i. vier Kreuzer mehr als die Hausknechte. Ihre Wohnung
besteht in einer kleinen höchst dürstig meublirten Kammer, die fast sür den
niedrigsten Diener der Anstalt zu schlecht geachtet wird. Wie weit man hierin
geht, beweist unter andern die Thatsache, daß man aus einer Hausknechts-


IV. Die Tvdtenlisten.

Unstreitig müssen die Tvdtenlisten oder Stcrbcrcgister, um als statisti¬
sche Hülfsmittel zu nützen, und anderen höchst wichtigen Zwecken zu dienen,
den Stempel der Aechtheit an der Stirne tragen, und mit heiligem Ernst
für die Wahrheit, und den wissenschaftlichen Fortschritt verfaßt werden.

Die Primär- und Secnndarärzte begreifen die Wichtigkeit dieser Pflich¬
ten vollkommen, und bezeichnen sowohl in den täglichen, als in den monat¬
lichen Berichten genau und gewissenhaft die Krankheiten, welchen die Leiden¬
den erlegen sind. Nun ereignet es sich nicht selten, daß die Direction, wel¬
che die abgeschiedenen Kranken gar nicht sah, die in den Berichten bezeich¬
neten tödtlichen Krankheiten streicht, und an ihre Stelle nach Willkür andere
setzt! Wir haben hier nicht jene Krankheiten im Ange, deren Veröffentlichung
das Gedächtniß deö Verstorbenen, oder seine Angehörigen verletzen könnte, und
die vorschriftsmäßig nicht enthüllt werden dürfen. Wir meinen jene Uebel,
bei welchen diese zarte Rücksichten keine Anwendung finden, und die willkür¬
lich „zur Ehre des Hauses," oder „um den Credit des Hauses nicht zu
schmälern," wie die Direction sich ausdrückt, in andere Uebel travestirt werden!


V. Die Aerzte.

Werfen wir zum Schlüsse noch einen Blick ans die äußere Lebensstel¬
lung der im Krankenhause wirkenden Aerzte.

Daß diese Stellung in vielfacher Hinsicht die Aufmerksamkeit des Forschers
in Anspruch nimmt, wird Niemand in Abrede stellen, der erwägt, wie schwer,
wie heilig der Priesterdienst der Hygiäa ist, besonders in einem so giganti¬
schen Institute, wo Leben und Tod sich so oft begegnen, so nahe aneinander
grenzen.

Die Aerzte des Krankenhauses siud Primär- oder Secnndarärzte.

Die Primarärzte beziehen ein Gehalt von l200 bis 15V0 Fi. C. M,,
und haben schöne, geräumige Wohnungen im Institut. Sie müssen zwei
Mal des Tags, Morgens um sechs und Nachmittags um vier Uhr die ihnen
zugewiesenen Krankenzimmer besuchen, und die Ordination besorgen.

Die Secuudarärzte, deren, in jeder Abtheilung zwei wirksam sind, be¬
ziehen eine jährliche Besoldung von 2-w Fi. C. M., d. i. vierzig Kreuzer
des Tags, d. i. vier Kreuzer mehr als die Hausknechte. Ihre Wohnung
besteht in einer kleinen höchst dürstig meublirten Kammer, die fast sür den
niedrigsten Diener der Anstalt zu schlecht geachtet wird. Wie weit man hierin
geht, beweist unter andern die Thatsache, daß man aus einer Hausknechts-


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[0570] IV. Die Tvdtenlisten. Unstreitig müssen die Tvdtenlisten oder Stcrbcrcgister, um als statisti¬ sche Hülfsmittel zu nützen, und anderen höchst wichtigen Zwecken zu dienen, den Stempel der Aechtheit an der Stirne tragen, und mit heiligem Ernst für die Wahrheit, und den wissenschaftlichen Fortschritt verfaßt werden. Die Primär- und Secnndarärzte begreifen die Wichtigkeit dieser Pflich¬ ten vollkommen, und bezeichnen sowohl in den täglichen, als in den monat¬ lichen Berichten genau und gewissenhaft die Krankheiten, welchen die Leiden¬ den erlegen sind. Nun ereignet es sich nicht selten, daß die Direction, wel¬ che die abgeschiedenen Kranken gar nicht sah, die in den Berichten bezeich¬ neten tödtlichen Krankheiten streicht, und an ihre Stelle nach Willkür andere setzt! Wir haben hier nicht jene Krankheiten im Ange, deren Veröffentlichung das Gedächtniß deö Verstorbenen, oder seine Angehörigen verletzen könnte, und die vorschriftsmäßig nicht enthüllt werden dürfen. Wir meinen jene Uebel, bei welchen diese zarte Rücksichten keine Anwendung finden, und die willkür¬ lich „zur Ehre des Hauses," oder „um den Credit des Hauses nicht zu schmälern," wie die Direction sich ausdrückt, in andere Uebel travestirt werden! V. Die Aerzte. Werfen wir zum Schlüsse noch einen Blick ans die äußere Lebensstel¬ lung der im Krankenhause wirkenden Aerzte. Daß diese Stellung in vielfacher Hinsicht die Aufmerksamkeit des Forschers in Anspruch nimmt, wird Niemand in Abrede stellen, der erwägt, wie schwer, wie heilig der Priesterdienst der Hygiäa ist, besonders in einem so giganti¬ schen Institute, wo Leben und Tod sich so oft begegnen, so nahe aneinander grenzen. Die Aerzte des Krankenhauses siud Primär- oder Secnndarärzte. Die Primarärzte beziehen ein Gehalt von l200 bis 15V0 Fi. C. M,, und haben schöne, geräumige Wohnungen im Institut. Sie müssen zwei Mal des Tags, Morgens um sechs und Nachmittags um vier Uhr die ihnen zugewiesenen Krankenzimmer besuchen, und die Ordination besorgen. Die Secuudarärzte, deren, in jeder Abtheilung zwei wirksam sind, be¬ ziehen eine jährliche Besoldung von 2-w Fi. C. M., d. i. vierzig Kreuzer des Tags, d. i. vier Kreuzer mehr als die Hausknechte. Ihre Wohnung besteht in einer kleinen höchst dürstig meublirten Kammer, die fast sür den niedrigsten Diener der Anstalt zu schlecht geachtet wird. Wie weit man hierin geht, beweist unter andern die Thatsache, daß man aus einer Hausknechts-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/570>, abgerufen am 22.07.2024.