Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.der Art mit einer Weckuhr, daß jede Bewegung eines Scheintodten die Uhr Es liegt in dem Bereiche der Pflichten der Direktion, eifrig darüber Die Todtenwächter (Hausknechte) erhielten nämlich ihrerseits den Auf¬ So kam diese wohlthätige Maßregel in Vergessenheit, und dieselbe Di¬ der Art mit einer Weckuhr, daß jede Bewegung eines Scheintodten die Uhr Es liegt in dem Bereiche der Pflichten der Direktion, eifrig darüber Die Todtenwächter (Hausknechte) erhielten nämlich ihrerseits den Auf¬ So kam diese wohlthätige Maßregel in Vergessenheit, und dieselbe Di¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0569" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272468"/> <p xml:id="ID_1881" prev="#ID_1880"> der Art mit einer Weckuhr, daß jede Bewegung eines Scheintodten die Uhr<lb/> zum Schlagen bringt, um so die im angrenzenden Zimmer weilenden Todten-<lb/> wächter herbei zu rufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1882"> Es liegt in dem Bereiche der Pflichten der Direktion, eifrig darüber<lb/> zu wachen, daß diese hochwichtigen Vorkehrungen zur Rettung Scheintvdter<lb/> gehörig vollzogen werden. Indessen hält es die Direction aus unbegreiflichen<lb/> Gründen für nothwendig, ihre Pflicht den ohnehin überlasteten subalternen<lb/> Aerzten aufzubürden. Wäre dies auf eine Art geschehen, welche die wohl¬<lb/> thätige Bestimmung der erwähnten Kammer sicher stellt, so würden wir über<lb/> diese Uebertragung einer Obliegenheit kein Wort verlieren. Allein da man<lb/> dabei einen so verkehrten Weg einschlug, daß diese außerordentlich wichtige<lb/> Anstalt gegenwärtig, weder von dem Director, noch von den subalternen<lb/> Aerzten überwacht wird, so halten wir es für eine heilige Pflicht, dem Leser<lb/> Aufschluß zu geben, wie mau zu diesem gefährlichen Resultate gelangte. Der<lb/> Director befahl den subalternen Aerzten, deren Lage wir unten schildern<lb/> werden, bei Tag wie bei Nacht alle drei Stunden nachzusehen, ob die Todten-<lb/> kammerwächter nüchtern ans ihrem Posten sein. Zum Beweise, daß die Aerzte<lb/> diese Controle regelmäßig ausüben, sollten sie ihre Namen, Tag und Stunde<lb/> des Nachtdienstes in ein dazu bestimmtes Buch schreiben. Die subalternen<lb/> Aerzte hätten im Hinblick ans den höchst wichtigen Zweck diese neue Pflicht<lb/> freudig übernommen, wenn nicht die Direction zu gleicher Zeit beschlossen<lb/> hätte, die von den Aerzten zu überwachenden Wächter wieder zu Wächtern<lb/> über die Aerzte zu erheben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1883"> Die Todtenwächter (Hausknechte) erhielten nämlich ihrerseits den Auf¬<lb/> trag, das Ausbleiben eines Arztes zur bestimmten Stunde sogleich der Di¬<lb/> rection zu denunciren. Diese auffallende Anordnung bewirkte, daß alle<lb/> subalternen Aerzte ohne Ausnahme dem Befehle des Directors keine Folge<lb/> leisten, weil sie es ihrer Stellung unwürdig finden, die Controle der Haus¬<lb/> knechte anzuerkennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1884"> So kam diese wohlthätige Maßregel in Vergessenheit, und dieselbe Di¬<lb/> rection, die den Aerzten nicht traute, überläßt jetzt mit größter Unbefangen,<lb/> heit den rohen Hausknechte» das wichtige Amt der Todtenbewachung. Wird<lb/> die von der kalten, sich matt regenden Hand eines Scheintodten getroffene<lb/> Weckuhr stets vernommen? Sind die Hausknechte immer auf ihrem Posten?<lb/> sind sie stets nüchtern? wachen sie, um unverzüglich Hülfe herbeizurufen,<lb/> wenn das Leben in einem scheinbar erstarrten Herzen sich wieder zu regen<lb/> beginnt? -—</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0569]
der Art mit einer Weckuhr, daß jede Bewegung eines Scheintodten die Uhr
zum Schlagen bringt, um so die im angrenzenden Zimmer weilenden Todten-
wächter herbei zu rufen.
Es liegt in dem Bereiche der Pflichten der Direktion, eifrig darüber
zu wachen, daß diese hochwichtigen Vorkehrungen zur Rettung Scheintvdter
gehörig vollzogen werden. Indessen hält es die Direction aus unbegreiflichen
Gründen für nothwendig, ihre Pflicht den ohnehin überlasteten subalternen
Aerzten aufzubürden. Wäre dies auf eine Art geschehen, welche die wohl¬
thätige Bestimmung der erwähnten Kammer sicher stellt, so würden wir über
diese Uebertragung einer Obliegenheit kein Wort verlieren. Allein da man
dabei einen so verkehrten Weg einschlug, daß diese außerordentlich wichtige
Anstalt gegenwärtig, weder von dem Director, noch von den subalternen
Aerzten überwacht wird, so halten wir es für eine heilige Pflicht, dem Leser
Aufschluß zu geben, wie mau zu diesem gefährlichen Resultate gelangte. Der
Director befahl den subalternen Aerzten, deren Lage wir unten schildern
werden, bei Tag wie bei Nacht alle drei Stunden nachzusehen, ob die Todten-
kammerwächter nüchtern ans ihrem Posten sein. Zum Beweise, daß die Aerzte
diese Controle regelmäßig ausüben, sollten sie ihre Namen, Tag und Stunde
des Nachtdienstes in ein dazu bestimmtes Buch schreiben. Die subalternen
Aerzte hätten im Hinblick ans den höchst wichtigen Zweck diese neue Pflicht
freudig übernommen, wenn nicht die Direction zu gleicher Zeit beschlossen
hätte, die von den Aerzten zu überwachenden Wächter wieder zu Wächtern
über die Aerzte zu erheben.
Die Todtenwächter (Hausknechte) erhielten nämlich ihrerseits den Auf¬
trag, das Ausbleiben eines Arztes zur bestimmten Stunde sogleich der Di¬
rection zu denunciren. Diese auffallende Anordnung bewirkte, daß alle
subalternen Aerzte ohne Ausnahme dem Befehle des Directors keine Folge
leisten, weil sie es ihrer Stellung unwürdig finden, die Controle der Haus¬
knechte anzuerkennen.
So kam diese wohlthätige Maßregel in Vergessenheit, und dieselbe Di¬
rection, die den Aerzten nicht traute, überläßt jetzt mit größter Unbefangen,
heit den rohen Hausknechte» das wichtige Amt der Todtenbewachung. Wird
die von der kalten, sich matt regenden Hand eines Scheintodten getroffene
Weckuhr stets vernommen? Sind die Hausknechte immer auf ihrem Posten?
sind sie stets nüchtern? wachen sie, um unverzüglich Hülfe herbeizurufen,
wenn das Leben in einem scheinbar erstarrten Herzen sich wieder zu regen
beginnt? -—
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