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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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ihre Habsucht, die sehr häufig einen schmutzigen Charakter annimmt, und ich möchte
hinzufügen, ihre Kriecherei und trotz mancher entgegenstehenden Beispiele ihre Feigheit;
alle diese Fehler sichern sie vor meiner Sympathie; wenn sie mir aber auch noch so
unangenehm in sozialen Verhältnissen wären, so genügt mir doch dies nicht, um
ihnen die politischen Rechte abzusprechen; zumal wenn wir uns noch sagen müssen,
daß diese ihre Fehler in der Behandlung, die ihnen unsere Gesetzgebung hat an-
gedeihen lassen, ihren Ursprung haben.

v. Sareten aus Tarputschen. ES ist Thatsache, daß in Königsberg in
neuester Zeit die Juden den Sabbath ans den Sonntag haben verlegen wollen,
die Polizeibehörde dies aber nicht gestattet hat. Wer hängt hier am Vor¬
urtheil? -- Welche Rechte werden denn für die Juden verlangt? Es sind die
Rechte, die jeder Berliner Eckensteher hat, das Recht, wenn des Einzelnen emi¬
nentes Talent, ein hervorragender Geist, alle Schwierigreiten, die sich entgegen¬
stellen, zu überwinden vermag, wenn er Vertrauen erwecken und Fähigkeiten
sich anzueignen weiß, um einen Posten zu übernehmen, wollen Sie ihm dieses
Recht nicht geben, weil seine Standesgenossen in der Allgemeinheit es nicht
verdienen? .'




Betrachten wir das Resultat dieser Verhandlungen, wie sie die Preuß. All¬
gemeine Zeitung ausführlicher mittheilt, und die Abstimmung über die einzelnen
§§. der Proposition, so fällt es auf, daß hier für die Emanzipation eine so
geringe Majorität gewonnen ist, während unter den Rednern mit sehr wenigen
Ausnahmen Alle sich dafür erklärten. Wenn wir die Minister ausnehmen, die in
dieser Frage mehr theologisch-philosophische Gründe als staatsmännische vorbrachten,
so waren die Stimme" gegen die Emanzipation so kleinlaut, so confus, daß man
hätte sagen können, sie schämen sich ihrer Meinung. Haben doch selbst die Mi¬
nister zu den kühnsten Combinationen christlicher Speculation ihre Zuflucht neh¬
men müssen, um einen Gesetzvorschlag zu vertreten, in welchem das bisherige
Unwesen, das allmälig verfallen war, organisirt, von Neuem constituirt werden
sollte. Ueber den moralischen Eindruck dieser Debatte auf das Volk kann daher
kein Zweifel obwalten.


TeukLll,,.


ihre Habsucht, die sehr häufig einen schmutzigen Charakter annimmt, und ich möchte
hinzufügen, ihre Kriecherei und trotz mancher entgegenstehenden Beispiele ihre Feigheit;
alle diese Fehler sichern sie vor meiner Sympathie; wenn sie mir aber auch noch so
unangenehm in sozialen Verhältnissen wären, so genügt mir doch dies nicht, um
ihnen die politischen Rechte abzusprechen; zumal wenn wir uns noch sagen müssen,
daß diese ihre Fehler in der Behandlung, die ihnen unsere Gesetzgebung hat an-
gedeihen lassen, ihren Ursprung haben.

v. Sareten aus Tarputschen. ES ist Thatsache, daß in Königsberg in
neuester Zeit die Juden den Sabbath ans den Sonntag haben verlegen wollen,
die Polizeibehörde dies aber nicht gestattet hat. Wer hängt hier am Vor¬
urtheil? — Welche Rechte werden denn für die Juden verlangt? Es sind die
Rechte, die jeder Berliner Eckensteher hat, das Recht, wenn des Einzelnen emi¬
nentes Talent, ein hervorragender Geist, alle Schwierigreiten, die sich entgegen¬
stellen, zu überwinden vermag, wenn er Vertrauen erwecken und Fähigkeiten
sich anzueignen weiß, um einen Posten zu übernehmen, wollen Sie ihm dieses
Recht nicht geben, weil seine Standesgenossen in der Allgemeinheit es nicht
verdienen? .'




Betrachten wir das Resultat dieser Verhandlungen, wie sie die Preuß. All¬
gemeine Zeitung ausführlicher mittheilt, und die Abstimmung über die einzelnen
§§. der Proposition, so fällt es auf, daß hier für die Emanzipation eine so
geringe Majorität gewonnen ist, während unter den Rednern mit sehr wenigen
Ausnahmen Alle sich dafür erklärten. Wenn wir die Minister ausnehmen, die in
dieser Frage mehr theologisch-philosophische Gründe als staatsmännische vorbrachten,
so waren die Stimme» gegen die Emanzipation so kleinlaut, so confus, daß man
hätte sagen können, sie schämen sich ihrer Meinung. Haben doch selbst die Mi¬
nister zu den kühnsten Combinationen christlicher Speculation ihre Zuflucht neh¬
men müssen, um einen Gesetzvorschlag zu vertreten, in welchem das bisherige
Unwesen, das allmälig verfallen war, organisirt, von Neuem constituirt werden
sollte. Ueber den moralischen Eindruck dieser Debatte auf das Volk kann daher
kein Zweifel obwalten.


TeukLll,,.


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[0539] ihre Habsucht, die sehr häufig einen schmutzigen Charakter annimmt, und ich möchte hinzufügen, ihre Kriecherei und trotz mancher entgegenstehenden Beispiele ihre Feigheit; alle diese Fehler sichern sie vor meiner Sympathie; wenn sie mir aber auch noch so unangenehm in sozialen Verhältnissen wären, so genügt mir doch dies nicht, um ihnen die politischen Rechte abzusprechen; zumal wenn wir uns noch sagen müssen, daß diese ihre Fehler in der Behandlung, die ihnen unsere Gesetzgebung hat an- gedeihen lassen, ihren Ursprung haben. v. Sareten aus Tarputschen. ES ist Thatsache, daß in Königsberg in neuester Zeit die Juden den Sabbath ans den Sonntag haben verlegen wollen, die Polizeibehörde dies aber nicht gestattet hat. Wer hängt hier am Vor¬ urtheil? — Welche Rechte werden denn für die Juden verlangt? Es sind die Rechte, die jeder Berliner Eckensteher hat, das Recht, wenn des Einzelnen emi¬ nentes Talent, ein hervorragender Geist, alle Schwierigreiten, die sich entgegen¬ stellen, zu überwinden vermag, wenn er Vertrauen erwecken und Fähigkeiten sich anzueignen weiß, um einen Posten zu übernehmen, wollen Sie ihm dieses Recht nicht geben, weil seine Standesgenossen in der Allgemeinheit es nicht verdienen? .' Betrachten wir das Resultat dieser Verhandlungen, wie sie die Preuß. All¬ gemeine Zeitung ausführlicher mittheilt, und die Abstimmung über die einzelnen §§. der Proposition, so fällt es auf, daß hier für die Emanzipation eine so geringe Majorität gewonnen ist, während unter den Rednern mit sehr wenigen Ausnahmen Alle sich dafür erklärten. Wenn wir die Minister ausnehmen, die in dieser Frage mehr theologisch-philosophische Gründe als staatsmännische vorbrachten, so waren die Stimme» gegen die Emanzipation so kleinlaut, so confus, daß man hätte sagen können, sie schämen sich ihrer Meinung. Haben doch selbst die Mi¬ nister zu den kühnsten Combinationen christlicher Speculation ihre Zuflucht neh¬ men müssen, um einen Gesetzvorschlag zu vertreten, in welchem das bisherige Unwesen, das allmälig verfallen war, organisirt, von Neuem constituirt werden sollte. Ueber den moralischen Eindruck dieser Debatte auf das Volk kann daher kein Zweifel obwalten. TeukLll,,.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/539>, abgerufen am 22.07.2024.