Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Fragt man sich nun, wer hat in dieser Angelegenheit am Klügsten ge¬
handelt, am Meisten gewonnen? so scheint mir, daß England jedenfalls den
Kürzeren ziehen wird. Es gibt drei Parteien in Portugal, die der Köni¬
gin, die der Junta, die Don Miguel's. Mit allen dreien hat Lord Pal-
merston coquettirt. Der Colonel Bilde, der erste Abgesandte. Lord Palmer-
ston's, ist ein Hvfstallmeister des Prinzen. Albert. Der König von Portugal
ist der Neffe des Q-ueeus Comfort in England. Herr Dich, der Anstifter
der Revolution in Portugal, wurde, als er in London ankam, angenblick-
lich zur Königin Victoria berufen. Das Alles bekundet hinlänglich, wie
die englische Regierung der Partei der Königin und des Königs von Por¬
tugal nicht feindlich gesinnt ist. Dennoch tritt die englische Intervention
mit Grundsätzen und Bedingungen ein, die den Insurgenten günstig sind.
Lord John proclamirt in Westmünster portugiesische Freiheit! Und unterdeß
lassen sich die englischen Befehlshaber in Portugal Zweideutigkeiten aller
Art zu Schulden kommen, die zuletzt dahin ausschlagen, daß sie mit List --
List des Starken gegen den Schwachen -- die Macht der Junta
zerstören und ihre Schätze wegnehmen. Die Art wie Lord Palmerston sich
gegen den Graf Montemolin benahm, war sicher die Hauptursache, daß
Don Miguel wieder halbwegs versuchte, offen aufzutreten. Genug, man
hat in England es aller Welt recht machen wollen, und wahrscheinlich --
es mit aller Welt verdorben.

Unterdeß steht Frankreich in gewisser Beziehung ruhig zu. Es hat erst
die Spanier zur Intervention getrieben und trieb dann die Engländer eben¬
falls in's Feuer, während es thatsächlich das Ansehen behält, als ob es
nur gezwungen mit fortgeschleppt werde. Die Portugiesen, die nachgerade
anfangen, die Engländer wie ihre Blutfeiudc zu hassen und die in den
Spaniern seit Jahrhunderten ihre Erbgegner scheu, werden thatsächlich nur
von den Engländern und den Spaniern verletzt. Die französische Fregatte,
die die englischen Schiffe "begleitet" -- wie Lord Palmerston, der wohl
ahnete, daß wenn Frankreich ganz wegbleibe, auch aller Haß der Portu¬
giesen allein auf Englaud fallen werde -- wird den Portugiesen nicht vielen
Schaden thun. Die Franzosen waren überdies halbwegs gezwungen, von
Anfang an Partei für die Königin zu nehmen; sie dürfen diese nicht fallen
lassen, weil ihr Sturz Don Miguel nach Portugal und Don Carlos nach
Spanien zurückbringen würde, ein Ereigniß, das England nicht unmöglich
erscheinen mag, für Frankreich aber eine Kriegserklärung wäre. Die Fran¬
zosen werden also bei dem portugiesischen Hofe mehr gewinnen als die Eng¬
länder, und somit thatsächlich um so mehr Einfluß in Lissabon erlangen, je


Fragt man sich nun, wer hat in dieser Angelegenheit am Klügsten ge¬
handelt, am Meisten gewonnen? so scheint mir, daß England jedenfalls den
Kürzeren ziehen wird. Es gibt drei Parteien in Portugal, die der Köni¬
gin, die der Junta, die Don Miguel's. Mit allen dreien hat Lord Pal-
merston coquettirt. Der Colonel Bilde, der erste Abgesandte. Lord Palmer-
ston's, ist ein Hvfstallmeister des Prinzen. Albert. Der König von Portugal
ist der Neffe des Q-ueeus Comfort in England. Herr Dich, der Anstifter
der Revolution in Portugal, wurde, als er in London ankam, angenblick-
lich zur Königin Victoria berufen. Das Alles bekundet hinlänglich, wie
die englische Regierung der Partei der Königin und des Königs von Por¬
tugal nicht feindlich gesinnt ist. Dennoch tritt die englische Intervention
mit Grundsätzen und Bedingungen ein, die den Insurgenten günstig sind.
Lord John proclamirt in Westmünster portugiesische Freiheit! Und unterdeß
lassen sich die englischen Befehlshaber in Portugal Zweideutigkeiten aller
Art zu Schulden kommen, die zuletzt dahin ausschlagen, daß sie mit List —
List des Starken gegen den Schwachen — die Macht der Junta
zerstören und ihre Schätze wegnehmen. Die Art wie Lord Palmerston sich
gegen den Graf Montemolin benahm, war sicher die Hauptursache, daß
Don Miguel wieder halbwegs versuchte, offen aufzutreten. Genug, man
hat in England es aller Welt recht machen wollen, und wahrscheinlich —
es mit aller Welt verdorben.

Unterdeß steht Frankreich in gewisser Beziehung ruhig zu. Es hat erst
die Spanier zur Intervention getrieben und trieb dann die Engländer eben¬
falls in's Feuer, während es thatsächlich das Ansehen behält, als ob es
nur gezwungen mit fortgeschleppt werde. Die Portugiesen, die nachgerade
anfangen, die Engländer wie ihre Blutfeiudc zu hassen und die in den
Spaniern seit Jahrhunderten ihre Erbgegner scheu, werden thatsächlich nur
von den Engländern und den Spaniern verletzt. Die französische Fregatte,
die die englischen Schiffe „begleitet" — wie Lord Palmerston, der wohl
ahnete, daß wenn Frankreich ganz wegbleibe, auch aller Haß der Portu¬
giesen allein auf Englaud fallen werde — wird den Portugiesen nicht vielen
Schaden thun. Die Franzosen waren überdies halbwegs gezwungen, von
Anfang an Partei für die Königin zu nehmen; sie dürfen diese nicht fallen
lassen, weil ihr Sturz Don Miguel nach Portugal und Don Carlos nach
Spanien zurückbringen würde, ein Ereigniß, das England nicht unmöglich
erscheinen mag, für Frankreich aber eine Kriegserklärung wäre. Die Fran¬
zosen werden also bei dem portugiesischen Hofe mehr gewinnen als die Eng¬
länder, und somit thatsächlich um so mehr Einfluß in Lissabon erlangen, je


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0524" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272423"/>
          <p xml:id="ID_1684"> Fragt man sich nun, wer hat in dieser Angelegenheit am Klügsten ge¬<lb/>
handelt, am Meisten gewonnen? so scheint mir, daß England jedenfalls den<lb/>
Kürzeren ziehen wird. Es gibt drei Parteien in Portugal, die der Köni¬<lb/>
gin, die der Junta, die Don Miguel's. Mit allen dreien hat Lord Pal-<lb/>
merston coquettirt. Der Colonel Bilde, der erste Abgesandte. Lord Palmer-<lb/>
ston's, ist ein Hvfstallmeister des Prinzen. Albert. Der König von Portugal<lb/>
ist der Neffe des Q-ueeus Comfort in England. Herr Dich, der Anstifter<lb/>
der Revolution in Portugal, wurde, als er in London ankam, angenblick-<lb/>
lich zur Königin Victoria berufen. Das Alles bekundet hinlänglich, wie<lb/>
die englische Regierung der Partei der Königin und des Königs von Por¬<lb/>
tugal nicht feindlich gesinnt ist. Dennoch tritt die englische Intervention<lb/>
mit Grundsätzen und Bedingungen ein, die den Insurgenten günstig sind.<lb/>
Lord John proclamirt in Westmünster portugiesische Freiheit! Und unterdeß<lb/>
lassen sich die englischen Befehlshaber in Portugal Zweideutigkeiten aller<lb/>
Art zu Schulden kommen, die zuletzt dahin ausschlagen, daß sie mit List &#x2014;<lb/>
List des Starken gegen den Schwachen &#x2014; die Macht der Junta<lb/>
zerstören und ihre Schätze wegnehmen. Die Art wie Lord Palmerston sich<lb/>
gegen den Graf Montemolin benahm, war sicher die Hauptursache, daß<lb/>
Don Miguel wieder halbwegs versuchte, offen aufzutreten. Genug, man<lb/>
hat in England es aller Welt recht machen wollen, und wahrscheinlich &#x2014;<lb/>
es mit aller Welt verdorben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1685" next="#ID_1686"> Unterdeß steht Frankreich in gewisser Beziehung ruhig zu. Es hat erst<lb/>
die Spanier zur Intervention getrieben und trieb dann die Engländer eben¬<lb/>
falls in's Feuer, während es thatsächlich das Ansehen behält, als ob es<lb/>
nur gezwungen mit fortgeschleppt werde. Die Portugiesen, die nachgerade<lb/>
anfangen, die Engländer wie ihre Blutfeiudc zu hassen und die in den<lb/>
Spaniern seit Jahrhunderten ihre Erbgegner scheu, werden thatsächlich nur<lb/>
von den Engländern und den Spaniern verletzt. Die französische Fregatte,<lb/>
die die englischen Schiffe &#x201E;begleitet" &#x2014; wie Lord Palmerston, der wohl<lb/>
ahnete, daß wenn Frankreich ganz wegbleibe, auch aller Haß der Portu¬<lb/>
giesen allein auf Englaud fallen werde &#x2014; wird den Portugiesen nicht vielen<lb/>
Schaden thun. Die Franzosen waren überdies halbwegs gezwungen, von<lb/>
Anfang an Partei für die Königin zu nehmen; sie dürfen diese nicht fallen<lb/>
lassen, weil ihr Sturz Don Miguel nach Portugal und Don Carlos nach<lb/>
Spanien zurückbringen würde, ein Ereigniß, das England nicht unmöglich<lb/>
erscheinen mag, für Frankreich aber eine Kriegserklärung wäre. Die Fran¬<lb/>
zosen werden also bei dem portugiesischen Hofe mehr gewinnen als die Eng¬<lb/>
länder, und somit thatsächlich um so mehr Einfluß in Lissabon erlangen, je</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0524] Fragt man sich nun, wer hat in dieser Angelegenheit am Klügsten ge¬ handelt, am Meisten gewonnen? so scheint mir, daß England jedenfalls den Kürzeren ziehen wird. Es gibt drei Parteien in Portugal, die der Köni¬ gin, die der Junta, die Don Miguel's. Mit allen dreien hat Lord Pal- merston coquettirt. Der Colonel Bilde, der erste Abgesandte. Lord Palmer- ston's, ist ein Hvfstallmeister des Prinzen. Albert. Der König von Portugal ist der Neffe des Q-ueeus Comfort in England. Herr Dich, der Anstifter der Revolution in Portugal, wurde, als er in London ankam, angenblick- lich zur Königin Victoria berufen. Das Alles bekundet hinlänglich, wie die englische Regierung der Partei der Königin und des Königs von Por¬ tugal nicht feindlich gesinnt ist. Dennoch tritt die englische Intervention mit Grundsätzen und Bedingungen ein, die den Insurgenten günstig sind. Lord John proclamirt in Westmünster portugiesische Freiheit! Und unterdeß lassen sich die englischen Befehlshaber in Portugal Zweideutigkeiten aller Art zu Schulden kommen, die zuletzt dahin ausschlagen, daß sie mit List — List des Starken gegen den Schwachen — die Macht der Junta zerstören und ihre Schätze wegnehmen. Die Art wie Lord Palmerston sich gegen den Graf Montemolin benahm, war sicher die Hauptursache, daß Don Miguel wieder halbwegs versuchte, offen aufzutreten. Genug, man hat in England es aller Welt recht machen wollen, und wahrscheinlich — es mit aller Welt verdorben. Unterdeß steht Frankreich in gewisser Beziehung ruhig zu. Es hat erst die Spanier zur Intervention getrieben und trieb dann die Engländer eben¬ falls in's Feuer, während es thatsächlich das Ansehen behält, als ob es nur gezwungen mit fortgeschleppt werde. Die Portugiesen, die nachgerade anfangen, die Engländer wie ihre Blutfeiudc zu hassen und die in den Spaniern seit Jahrhunderten ihre Erbgegner scheu, werden thatsächlich nur von den Engländern und den Spaniern verletzt. Die französische Fregatte, die die englischen Schiffe „begleitet" — wie Lord Palmerston, der wohl ahnete, daß wenn Frankreich ganz wegbleibe, auch aller Haß der Portu¬ giesen allein auf Englaud fallen werde — wird den Portugiesen nicht vielen Schaden thun. Die Franzosen waren überdies halbwegs gezwungen, von Anfang an Partei für die Königin zu nehmen; sie dürfen diese nicht fallen lassen, weil ihr Sturz Don Miguel nach Portugal und Don Carlos nach Spanien zurückbringen würde, ein Ereigniß, das England nicht unmöglich erscheinen mag, für Frankreich aber eine Kriegserklärung wäre. Die Fran¬ zosen werden also bei dem portugiesischen Hofe mehr gewinnen als die Eng¬ länder, und somit thatsächlich um so mehr Einfluß in Lissabon erlangen, je

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/524
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/524>, abgerufen am 01.10.2024.