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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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V.
Aus Süddeutschland.

Die Ordenswuth. -- Ihr Einfluß auf Staatsverträge. -- Nordamerika. -- Portugie¬
sische Freigebigkeit.

Es muß doch ein gar wunderliches Ding um einen Orden sein, daß manche
als vernünftig angesehen sein wollende Menschen ihr ganzes Leben darnach
haschen und ringen so ein buntes Bändlein oder Krcuzleiu zu bekommen. Fall-
staf sagt: "was thue ich mit der Ehre, sättigt sie mich? nein! tränkt sie
mich? nein! kann ich mich damit zudecken wenn mich friert? nein! Also was thue
ich damit?" Wir Menschen sind doch oft aus wunderlichen Stoffen zusammen¬
gesetzt und schwer zu ergründen. Besonders je höher Jemand in der Gesell¬
schaft steht, je mehr ihm sonst schon Ehre und Rang aller Art zu Theil wird,
desto stärker wächst auch seine Ordenskrankhcit, denn so darf man es wohl mit
Recht nennen. Was ist schon Alles eines Ordens wegen geschehen, was unter¬
lassen? Es müsse in der That einen hübschen Betrag zur Geschichte des Men¬
schengeschlechtes geben, könnte man nur ein Hunderttheil dieser Fälle in voller
Wahrheit schildern. Menschen, die ganz besonders Orden zu lieben Pflegen, sind
unsere Diplomaten, in deren Händen ja das Wohl und Wehe der Nationen liegt.
Bei Abschließung von Verträgen wird stark Bedacht darauf genommen, daß
ja auch eiir Bändlein und Sternlein mit dabei abfällt, und oft sehr wichtige
allgemeine Interessen diesem noch wichtigeren speziellen untergeordnet. Es ist
Schade, daß die vereinigten Staaten von Nordamerika keinen Orden haben. Wir
glauben fest, der viel gehoffte Handelsvertrag des Zollvereines mit demselben
wäre sonst schon lange zu Stande gekommen. So freilich mag es noch viele
Jahre damit währen, ja wird wahrscheinlich, wie schon so oft Aehnliches von
uns geschah, so lange aufgeschoben werden, bis ein anderer klugerer Staat, dessen
Vertreter nicht so sehr diese Ordcnswuth besitzen, uns zuvorkommt, und für sich
Vortheile gewinnt, die wir selbst hätten haben können. Doch was macht dies
unseren Diplomaten? Da hat Portugal es doch ganz anders verstanden; seine
bunten Kreuze, die es mit so überschwenglicher Freigebigkeit zu Dutzenden aus¬
theilte, haben bewirkt, daß das ganze Prinzip des Zollvereines vor ihnen zu
Schanden ward. Diesem gemäß sollte derselbe mir vereint Handelsverträge
wie auswärtigen Staaten abschließen können , jedem einzelnen Vcreinslande dies
aber untersagt bleiben. Doch der portugiesische Gesandte, der wohl auch gerne
möchlichst viele verschiedene dieser Orden mit nach Lissabon bringen wollte, wußte
den Repräsentanten unserer einzelnen Staaten es einleuchtend zu machen, daß ihnen
la aus diese Weise die hübschen portugiesischen Dekorationen entgehen würden.
Dies zog, eilig wurde das ganze System des Aneinanderhaltcns zerstört, und un-
üngedenk des gegebenen Versprechens, schloß jeder einzelne Staat, oder Staatlein,
gleichviel, ob er (wie es bei Manchen im Innern von Deutschland der Fall ist),
auch nicht für einen Kreuzer Werth Handelsverbindungen mit Portugal hat,
einen eigenen weitläufigen Handelsvertrag mit demselben ab. Alle Parteien,


V.
Aus Süddeutschland.

Die Ordenswuth. — Ihr Einfluß auf Staatsverträge. — Nordamerika. — Portugie¬
sische Freigebigkeit.

Es muß doch ein gar wunderliches Ding um einen Orden sein, daß manche
als vernünftig angesehen sein wollende Menschen ihr ganzes Leben darnach
haschen und ringen so ein buntes Bändlein oder Krcuzleiu zu bekommen. Fall-
staf sagt: „was thue ich mit der Ehre, sättigt sie mich? nein! tränkt sie
mich? nein! kann ich mich damit zudecken wenn mich friert? nein! Also was thue
ich damit?" Wir Menschen sind doch oft aus wunderlichen Stoffen zusammen¬
gesetzt und schwer zu ergründen. Besonders je höher Jemand in der Gesell¬
schaft steht, je mehr ihm sonst schon Ehre und Rang aller Art zu Theil wird,
desto stärker wächst auch seine Ordenskrankhcit, denn so darf man es wohl mit
Recht nennen. Was ist schon Alles eines Ordens wegen geschehen, was unter¬
lassen? Es müsse in der That einen hübschen Betrag zur Geschichte des Men¬
schengeschlechtes geben, könnte man nur ein Hunderttheil dieser Fälle in voller
Wahrheit schildern. Menschen, die ganz besonders Orden zu lieben Pflegen, sind
unsere Diplomaten, in deren Händen ja das Wohl und Wehe der Nationen liegt.
Bei Abschließung von Verträgen wird stark Bedacht darauf genommen, daß
ja auch eiir Bändlein und Sternlein mit dabei abfällt, und oft sehr wichtige
allgemeine Interessen diesem noch wichtigeren speziellen untergeordnet. Es ist
Schade, daß die vereinigten Staaten von Nordamerika keinen Orden haben. Wir
glauben fest, der viel gehoffte Handelsvertrag des Zollvereines mit demselben
wäre sonst schon lange zu Stande gekommen. So freilich mag es noch viele
Jahre damit währen, ja wird wahrscheinlich, wie schon so oft Aehnliches von
uns geschah, so lange aufgeschoben werden, bis ein anderer klugerer Staat, dessen
Vertreter nicht so sehr diese Ordcnswuth besitzen, uns zuvorkommt, und für sich
Vortheile gewinnt, die wir selbst hätten haben können. Doch was macht dies
unseren Diplomaten? Da hat Portugal es doch ganz anders verstanden; seine
bunten Kreuze, die es mit so überschwenglicher Freigebigkeit zu Dutzenden aus¬
theilte, haben bewirkt, daß das ganze Prinzip des Zollvereines vor ihnen zu
Schanden ward. Diesem gemäß sollte derselbe mir vereint Handelsverträge
wie auswärtigen Staaten abschließen können , jedem einzelnen Vcreinslande dies
aber untersagt bleiben. Doch der portugiesische Gesandte, der wohl auch gerne
möchlichst viele verschiedene dieser Orden mit nach Lissabon bringen wollte, wußte
den Repräsentanten unserer einzelnen Staaten es einleuchtend zu machen, daß ihnen
la aus diese Weise die hübschen portugiesischen Dekorationen entgehen würden.
Dies zog, eilig wurde das ganze System des Aneinanderhaltcns zerstört, und un-
üngedenk des gegebenen Versprechens, schloß jeder einzelne Staat, oder Staatlein,
gleichviel, ob er (wie es bei Manchen im Innern von Deutschland der Fall ist),
auch nicht für einen Kreuzer Werth Handelsverbindungen mit Portugal hat,
einen eigenen weitläufigen Handelsvertrag mit demselben ab. Alle Parteien,


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[0501] V. Aus Süddeutschland. Die Ordenswuth. — Ihr Einfluß auf Staatsverträge. — Nordamerika. — Portugie¬ sische Freigebigkeit. Es muß doch ein gar wunderliches Ding um einen Orden sein, daß manche als vernünftig angesehen sein wollende Menschen ihr ganzes Leben darnach haschen und ringen so ein buntes Bändlein oder Krcuzleiu zu bekommen. Fall- staf sagt: „was thue ich mit der Ehre, sättigt sie mich? nein! tränkt sie mich? nein! kann ich mich damit zudecken wenn mich friert? nein! Also was thue ich damit?" Wir Menschen sind doch oft aus wunderlichen Stoffen zusammen¬ gesetzt und schwer zu ergründen. Besonders je höher Jemand in der Gesell¬ schaft steht, je mehr ihm sonst schon Ehre und Rang aller Art zu Theil wird, desto stärker wächst auch seine Ordenskrankhcit, denn so darf man es wohl mit Recht nennen. Was ist schon Alles eines Ordens wegen geschehen, was unter¬ lassen? Es müsse in der That einen hübschen Betrag zur Geschichte des Men¬ schengeschlechtes geben, könnte man nur ein Hunderttheil dieser Fälle in voller Wahrheit schildern. Menschen, die ganz besonders Orden zu lieben Pflegen, sind unsere Diplomaten, in deren Händen ja das Wohl und Wehe der Nationen liegt. Bei Abschließung von Verträgen wird stark Bedacht darauf genommen, daß ja auch eiir Bändlein und Sternlein mit dabei abfällt, und oft sehr wichtige allgemeine Interessen diesem noch wichtigeren speziellen untergeordnet. Es ist Schade, daß die vereinigten Staaten von Nordamerika keinen Orden haben. Wir glauben fest, der viel gehoffte Handelsvertrag des Zollvereines mit demselben wäre sonst schon lange zu Stande gekommen. So freilich mag es noch viele Jahre damit währen, ja wird wahrscheinlich, wie schon so oft Aehnliches von uns geschah, so lange aufgeschoben werden, bis ein anderer klugerer Staat, dessen Vertreter nicht so sehr diese Ordcnswuth besitzen, uns zuvorkommt, und für sich Vortheile gewinnt, die wir selbst hätten haben können. Doch was macht dies unseren Diplomaten? Da hat Portugal es doch ganz anders verstanden; seine bunten Kreuze, die es mit so überschwenglicher Freigebigkeit zu Dutzenden aus¬ theilte, haben bewirkt, daß das ganze Prinzip des Zollvereines vor ihnen zu Schanden ward. Diesem gemäß sollte derselbe mir vereint Handelsverträge wie auswärtigen Staaten abschließen können , jedem einzelnen Vcreinslande dies aber untersagt bleiben. Doch der portugiesische Gesandte, der wohl auch gerne möchlichst viele verschiedene dieser Orden mit nach Lissabon bringen wollte, wußte den Repräsentanten unserer einzelnen Staaten es einleuchtend zu machen, daß ihnen la aus diese Weise die hübschen portugiesischen Dekorationen entgehen würden. Dies zog, eilig wurde das ganze System des Aneinanderhaltcns zerstört, und un- üngedenk des gegebenen Versprechens, schloß jeder einzelne Staat, oder Staatlein, gleichviel, ob er (wie es bei Manchen im Innern von Deutschland der Fall ist), auch nicht für einen Kreuzer Werth Handelsverbindungen mit Portugal hat, einen eigenen weitläufigen Handelsvertrag mit demselben ab. Alle Parteien,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/501>, abgerufen am 22.07.2024.