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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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ders hakten ihn für einen leibhaften Satanas und möchten ihn aus ihrer
Gegenwart heraus exorciflren. Wohl ihm, daß es ihm gelungen ist, die
Russen diesseit des Riemen zu bringen! Ohne dieses wäre Deutschland noch
nUter französischem Joch. Es ist Pflicht, daß Sie dies einmal der Welt sa¬
gen." -- "Die Nothwendigkeit, Preußen bald sogleich eine Konstitution zu
geben, habe ich mündlich und schriftlich dargethan und dazu angetrieben.
Sogar Motive, die nur der Staatskunst angehören, gebieten dies. Es gibt
kein festeres Band, um die Einwohner der zu erwerbenden Länder an unsere
ältern zu knüpfen, als eine gute Konstitution. Ueberdies müssen wir dadurch
die, Meinung von Deutschland für uns gewinnen. So etwas erwirbt uns
den Primat über die Geister. Der dreifache Primat: der Waffen, der Kon¬
stitution, der Wissenschaften, ist es allein, der uns zwischen den mächtigern
Nachbarn aufrecht erhalten kaun. Von einem Montgelas, einem König von
Würtemberg und den andern rheinländischen Regierungen darf man liberale
Einrichtungen nicht erwarten; sie sind feindselig gegen uns gesinnt, wir müssen
ihnen daher die Herzen ihrer meist neuen Unterthanen dadurch abwendig
machen, daß wir den unsrigen eine gute Verfassung und würdige Gesetze
geben."

Niebuhr an A., April 18 1.3: "Wenn Sie wissen, in welchem
Verhältniß ich einst zu Hrn. v. Stein stand, so muß es Ihnen unnatürlich
vorkommen, wenn ich Sie nicht bitte, mich ihm zu empfehlen. Er hat mir
weher gethan als irgend ein anderer Mensch: denn er hat die treueste Liebe
mit Füßen getreten und Ihre Vertraulichkeit dem blinden Vorurtheil für den
elendesten Menschen -- für Hardenberg -- aufgeopfert: eiuen Brief preis¬
gegeben. Gott verzeihe ihm, und sei mein Zeuge, daß ich ihm darum nicht
weniger Heil wünsche, daß er so gesündigt hat. Ich wünsche ihm uur die
Strafe, daß er den, für den er es that, tief verachte, und daß sein Ge¬
wissen ihn oft erinnere, während sein Stolz es ihm nicht erlauben wird,
dem leicht und gern Verzeihenden die Hand mit Gefühl wieder zu bieten.
Es ist doch nie eine Freundschaft mit einem hochgebornen
Herrn." -- Antwort von A.: "O wenn wir doch einen hätten, der recht
in der Sache säße! Stein thut es nicht, weil er bei redlicher Gesinnung
immer neue Sprünge macht, zuweilen auch Stöße, im Allgemeinen kühner
als die Kühnsten, im Einzelnen oft peinlich. Gott muß es machen und das
Volk, oder sonst gehen wir noch einmal wieder recht tief unter, bis es von
nntenauf gährt. Mein Verhältniß zu Stein hat sich so gefunden, und ich
benutze es blos als Firma, einige Ideen auszubreiten. Er ist fast immer
gütig gegen mich, nie oder selten zutraulich, was er überhaupt wenig sein


ders hakten ihn für einen leibhaften Satanas und möchten ihn aus ihrer
Gegenwart heraus exorciflren. Wohl ihm, daß es ihm gelungen ist, die
Russen diesseit des Riemen zu bringen! Ohne dieses wäre Deutschland noch
nUter französischem Joch. Es ist Pflicht, daß Sie dies einmal der Welt sa¬
gen." — „Die Nothwendigkeit, Preußen bald sogleich eine Konstitution zu
geben, habe ich mündlich und schriftlich dargethan und dazu angetrieben.
Sogar Motive, die nur der Staatskunst angehören, gebieten dies. Es gibt
kein festeres Band, um die Einwohner der zu erwerbenden Länder an unsere
ältern zu knüpfen, als eine gute Konstitution. Ueberdies müssen wir dadurch
die, Meinung von Deutschland für uns gewinnen. So etwas erwirbt uns
den Primat über die Geister. Der dreifache Primat: der Waffen, der Kon¬
stitution, der Wissenschaften, ist es allein, der uns zwischen den mächtigern
Nachbarn aufrecht erhalten kaun. Von einem Montgelas, einem König von
Würtemberg und den andern rheinländischen Regierungen darf man liberale
Einrichtungen nicht erwarten; sie sind feindselig gegen uns gesinnt, wir müssen
ihnen daher die Herzen ihrer meist neuen Unterthanen dadurch abwendig
machen, daß wir den unsrigen eine gute Verfassung und würdige Gesetze
geben."

Niebuhr an A., April 18 1.3: „Wenn Sie wissen, in welchem
Verhältniß ich einst zu Hrn. v. Stein stand, so muß es Ihnen unnatürlich
vorkommen, wenn ich Sie nicht bitte, mich ihm zu empfehlen. Er hat mir
weher gethan als irgend ein anderer Mensch: denn er hat die treueste Liebe
mit Füßen getreten und Ihre Vertraulichkeit dem blinden Vorurtheil für den
elendesten Menschen — für Hardenberg — aufgeopfert: eiuen Brief preis¬
gegeben. Gott verzeihe ihm, und sei mein Zeuge, daß ich ihm darum nicht
weniger Heil wünsche, daß er so gesündigt hat. Ich wünsche ihm uur die
Strafe, daß er den, für den er es that, tief verachte, und daß sein Ge¬
wissen ihn oft erinnere, während sein Stolz es ihm nicht erlauben wird,
dem leicht und gern Verzeihenden die Hand mit Gefühl wieder zu bieten.
Es ist doch nie eine Freundschaft mit einem hochgebornen
Herrn." — Antwort von A.: „O wenn wir doch einen hätten, der recht
in der Sache säße! Stein thut es nicht, weil er bei redlicher Gesinnung
immer neue Sprünge macht, zuweilen auch Stöße, im Allgemeinen kühner
als die Kühnsten, im Einzelnen oft peinlich. Gott muß es machen und das
Volk, oder sonst gehen wir noch einmal wieder recht tief unter, bis es von
nntenauf gährt. Mein Verhältniß zu Stein hat sich so gefunden, und ich
benutze es blos als Firma, einige Ideen auszubreiten. Er ist fast immer
gütig gegen mich, nie oder selten zutraulich, was er überhaupt wenig sein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/476>, abgerufen am 22.07.2024.