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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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"Was der alte Sünder auch verbrochen hat, es kann keine Hölle für ihn
geben, wenn er weiß, welchen Lärm sein Tod auf dieser armen Erde macht;
denn seligeres Futter gibt es nicht für seine Eitelkeit. Noch hat ja die Furcht
nicht ganz aufgehört, daß er uoch alle Universitäten mit sich in die Grube
ziehen werde. Selbst ganz honette Leute lassen sich thörichtes Zeug vor¬
schwatzen, Gneisenau z. B. hat mich seit dieser Zeit gar uicht gesehen, und
gesagt, daß sei doch nun die Folge von dem, wie die Jugend gelehrt werde,
und ein ordentlicher Mann dürfe damit keine Gemeinschaft haben." In der¬
selben Zeit: "Unser ganzes Verwaltungswcsen wird überhaupt immer mise¬
rabler, und es will die höchste Zeit werden, daß etwas dazwischen fährt.
Ich dachte, die große Gelindigkeit, mit welcher selbst die bairische Negierung
von den Ständen behandelt wird, sollte den Leuten Muth machen, den Schritt
endlich zu thun, dem sie doch nicht ausweichen können."

Der Freiherr von Stein an A>, Januar 1818: "Die Frage
wegen landständischcr Verfassungen wird gegenwärtig von allen Seiten
abgehandelt; die Mehrheit will dergleichen Institutionen in das Leben ge¬
bracht haben, Manche, und leider die Machthaber, suchen sie zurückzuhalten
und zu beseitigen. Bei diesem Zustand der Dinge sollten doch alle Freunde
einer geschlichen Freiheit sich vereinigen, um das gemeinschaftliche Ziel zu
erringen und den gemeinschaftlichen Feind zu bekämpfen, und nicht unter
einander sich veruneinigen, nicht durch Unbesonnenheiten Blößen geben und
sich wechselseitig schaden. Die wahren Widersacher der guten Sache sind
das Bcamtenheer. Diese wünschen, gut besoldet mit Bequemlichkeit, durch
x"zi>8wi>8 prägen-lei^ues für das Leben gesichert, ihr geheimnißvolles Schreiber-
werk fortzutreiben; sie ahnen es, daß durch eine Nepräsentativ-Verfassung für sie
eine wahre Verantwortlichkeit, nicht eine Scheinverantwortlichkeit wie jetzt, gegen
ihre 70 Meilen entfernten überladenen Obern vorhanden sein wird, und daß
ihre Zahl sich verringern muß. Statt nnn die ans diesem Zustand der
Dinge entstehenden Hindernisse zu beseitigen, spricht man gegen die Aristo¬
kraten, die ohne wahren Einfluß sind, und predigt den reinen Demokratism,
begeht Narrheiten wie Oken und Jahr, und gibt den Widersachern Gelegen¬
heit, das Ganze verdächtig und den Fürsten gehässig zu machen. So gehen
wir blind in der Irre und Hetzen uns auf die tollste Art gegen einander;
der eine will das Volk in einen großen Brei auflösen, alle Gliederungen
und Absonderungen zerstören, der andere will die Bauern in Tagelöhner,
die Bürger in patentirte Pfuscher, und das Ganze in ein Aggregat von
Gesindel, Juden, neuen Reichen, phantastischen Gelehrten verwandeln u. s. w.
Der gegenwärtige Moment ist wichtig und verhängnißvoll. Männer, wie


I

„Was der alte Sünder auch verbrochen hat, es kann keine Hölle für ihn
geben, wenn er weiß, welchen Lärm sein Tod auf dieser armen Erde macht;
denn seligeres Futter gibt es nicht für seine Eitelkeit. Noch hat ja die Furcht
nicht ganz aufgehört, daß er uoch alle Universitäten mit sich in die Grube
ziehen werde. Selbst ganz honette Leute lassen sich thörichtes Zeug vor¬
schwatzen, Gneisenau z. B. hat mich seit dieser Zeit gar uicht gesehen, und
gesagt, daß sei doch nun die Folge von dem, wie die Jugend gelehrt werde,
und ein ordentlicher Mann dürfe damit keine Gemeinschaft haben." In der¬
selben Zeit: „Unser ganzes Verwaltungswcsen wird überhaupt immer mise¬
rabler, und es will die höchste Zeit werden, daß etwas dazwischen fährt.
Ich dachte, die große Gelindigkeit, mit welcher selbst die bairische Negierung
von den Ständen behandelt wird, sollte den Leuten Muth machen, den Schritt
endlich zu thun, dem sie doch nicht ausweichen können."

Der Freiherr von Stein an A>, Januar 1818: „Die Frage
wegen landständischcr Verfassungen wird gegenwärtig von allen Seiten
abgehandelt; die Mehrheit will dergleichen Institutionen in das Leben ge¬
bracht haben, Manche, und leider die Machthaber, suchen sie zurückzuhalten
und zu beseitigen. Bei diesem Zustand der Dinge sollten doch alle Freunde
einer geschlichen Freiheit sich vereinigen, um das gemeinschaftliche Ziel zu
erringen und den gemeinschaftlichen Feind zu bekämpfen, und nicht unter
einander sich veruneinigen, nicht durch Unbesonnenheiten Blößen geben und
sich wechselseitig schaden. Die wahren Widersacher der guten Sache sind
das Bcamtenheer. Diese wünschen, gut besoldet mit Bequemlichkeit, durch
x«zi>8wi>8 prägen-lei^ues für das Leben gesichert, ihr geheimnißvolles Schreiber-
werk fortzutreiben; sie ahnen es, daß durch eine Nepräsentativ-Verfassung für sie
eine wahre Verantwortlichkeit, nicht eine Scheinverantwortlichkeit wie jetzt, gegen
ihre 70 Meilen entfernten überladenen Obern vorhanden sein wird, und daß
ihre Zahl sich verringern muß. Statt nnn die ans diesem Zustand der
Dinge entstehenden Hindernisse zu beseitigen, spricht man gegen die Aristo¬
kraten, die ohne wahren Einfluß sind, und predigt den reinen Demokratism,
begeht Narrheiten wie Oken und Jahr, und gibt den Widersachern Gelegen¬
heit, das Ganze verdächtig und den Fürsten gehässig zu machen. So gehen
wir blind in der Irre und Hetzen uns auf die tollste Art gegen einander;
der eine will das Volk in einen großen Brei auflösen, alle Gliederungen
und Absonderungen zerstören, der andere will die Bauern in Tagelöhner,
die Bürger in patentirte Pfuscher, und das Ganze in ein Aggregat von
Gesindel, Juden, neuen Reichen, phantastischen Gelehrten verwandeln u. s. w.
Der gegenwärtige Moment ist wichtig und verhängnißvoll. Männer, wie


I

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[0474] „Was der alte Sünder auch verbrochen hat, es kann keine Hölle für ihn geben, wenn er weiß, welchen Lärm sein Tod auf dieser armen Erde macht; denn seligeres Futter gibt es nicht für seine Eitelkeit. Noch hat ja die Furcht nicht ganz aufgehört, daß er uoch alle Universitäten mit sich in die Grube ziehen werde. Selbst ganz honette Leute lassen sich thörichtes Zeug vor¬ schwatzen, Gneisenau z. B. hat mich seit dieser Zeit gar uicht gesehen, und gesagt, daß sei doch nun die Folge von dem, wie die Jugend gelehrt werde, und ein ordentlicher Mann dürfe damit keine Gemeinschaft haben." In der¬ selben Zeit: „Unser ganzes Verwaltungswcsen wird überhaupt immer mise¬ rabler, und es will die höchste Zeit werden, daß etwas dazwischen fährt. Ich dachte, die große Gelindigkeit, mit welcher selbst die bairische Negierung von den Ständen behandelt wird, sollte den Leuten Muth machen, den Schritt endlich zu thun, dem sie doch nicht ausweichen können." Der Freiherr von Stein an A>, Januar 1818: „Die Frage wegen landständischcr Verfassungen wird gegenwärtig von allen Seiten abgehandelt; die Mehrheit will dergleichen Institutionen in das Leben ge¬ bracht haben, Manche, und leider die Machthaber, suchen sie zurückzuhalten und zu beseitigen. Bei diesem Zustand der Dinge sollten doch alle Freunde einer geschlichen Freiheit sich vereinigen, um das gemeinschaftliche Ziel zu erringen und den gemeinschaftlichen Feind zu bekämpfen, und nicht unter einander sich veruneinigen, nicht durch Unbesonnenheiten Blößen geben und sich wechselseitig schaden. Die wahren Widersacher der guten Sache sind das Bcamtenheer. Diese wünschen, gut besoldet mit Bequemlichkeit, durch x«zi>8wi>8 prägen-lei^ues für das Leben gesichert, ihr geheimnißvolles Schreiber- werk fortzutreiben; sie ahnen es, daß durch eine Nepräsentativ-Verfassung für sie eine wahre Verantwortlichkeit, nicht eine Scheinverantwortlichkeit wie jetzt, gegen ihre 70 Meilen entfernten überladenen Obern vorhanden sein wird, und daß ihre Zahl sich verringern muß. Statt nnn die ans diesem Zustand der Dinge entstehenden Hindernisse zu beseitigen, spricht man gegen die Aristo¬ kraten, die ohne wahren Einfluß sind, und predigt den reinen Demokratism, begeht Narrheiten wie Oken und Jahr, und gibt den Widersachern Gelegen¬ heit, das Ganze verdächtig und den Fürsten gehässig zu machen. So gehen wir blind in der Irre und Hetzen uns auf die tollste Art gegen einander; der eine will das Volk in einen großen Brei auflösen, alle Gliederungen und Absonderungen zerstören, der andere will die Bauern in Tagelöhner, die Bürger in patentirte Pfuscher, und das Ganze in ein Aggregat von Gesindel, Juden, neuen Reichen, phantastischen Gelehrten verwandeln u. s. w. Der gegenwärtige Moment ist wichtig und verhängnißvoll. Männer, wie I

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/474>, abgerufen am 22.07.2024.