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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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spiele.-- "In Mein Briefe ohne Datum an Reimer vom Jahre 1810! sage
ich: ""Hier noch ein Paar Reime für das Wunderhorn, die Einlage gib
gütigst auf die Post."" -- Da bin ich (1821) gefragt, was für Reime ich
für das Wunderhorn überschickt habe, was für eine Einlage R. habe auf
die Post besorgen sollen? -- In einem Briefe an R. vom 8. Mai 18it!
stehen die Worte: ""Dank, mein wackrer Freund, für Deine letzten lieben
Worte vom 28. April."" -- Hierüber bin ich (1821) gefragt, welche Be-
wandniß es mit R.'s letzten lieben Worten gehabt habe? -- In einem
Briefe an R. vom 23. Jan. 1812: ""Es geht mir so Manches im Kopfe
herum, wofür das Papier zu eng und zu treulos ist. -- Aber was mau
so oft und so leicht als Gewißheit von innen schaut, soll ja auch draußen
einmal gewiß werden, sagen die Philosophen; nein, nicht die, es sagt's der
älteste und heiligste Glaube der Einfalt. Gott erhalte Dir Leib und Muth
frisch."" -- Hiebei ist gefragt und wieder gefragt, was mir damals im
Kopfe herumgegangen sei? Auch N. ist gefragt worden, ob er nicht
wisse, was mir im Winter 1812 im Kopfe herumgegangen sein könne? Fer¬
ner ist die Frage an mich gestellt: was hat es mit der Bemerkung ""Gott
erhalte Dir Leib und Muth frisch"" für eine Bewandniß? Dabei ward auf
das Wort Muth gedrückt, als dessen Gebrauch hier doch eine besondere
Veranlassung haben müsse."-- Am drolligsten ist folgende Scene. Im Jahre
1815" schreibt ein pietistischer Hauptmann Plchwe, der sich auch in Briefen
an den König stets "Dein liebender Sohn" unterzeichnete, an A.: "Lieber
Vater Arndt! die Gnade unsers Herrn Jesu Christi sei mit uus! Amen. In
jenen Tagen, als ich Dich erkannte, war meine Seele bewegt, und ich habe
Dich mit treuer Liebe umfaßt, und mit Zuversicht geglaubt, daß Du seiest
ein Vater unsers Vosts, ein Verkündiger der Wahrheit in Jesu Christo.
Und ich wurde getrieben, diesen Glauben zu bekennen, und schrieb an Dich
das Wort meines Herzens, der Friede Gottes durch uusern Herrn Jesum
Christ komme über Dich u. s. w. u. s. w." A. antwortete ihm: "Lieber
frommer und freundlicher Jüngling u. f. w.", was man so antwortet. Der
Richter bemerkte ihm nun: "Durch diesen Brief bot sich Ihnen eine Veran¬
lassung dar, diesem Manne über die falsche Richtung seines Geistes eine
angemessene Zurechtweisung zu geben!" -- Damals wurde der Pietismus
durch deu Polizeistaat geschulmeistert; die Zeiten haben sich geändert.

Man griff Arndt sogar wegen seinen frühern Schriften an, in denen er,
damals noch nicht preußischer Unterthan, historisch das Mangelhafte in der
Wirksamkeit z. B. Friedrichs des Großen nachzuweisen gesucht hatte. "Rohe


spiele.— „In Mein Briefe ohne Datum an Reimer vom Jahre 1810! sage
ich: „„Hier noch ein Paar Reime für das Wunderhorn, die Einlage gib
gütigst auf die Post."" — Da bin ich (1821) gefragt, was für Reime ich
für das Wunderhorn überschickt habe, was für eine Einlage R. habe auf
die Post besorgen sollen? — In einem Briefe an R. vom 8. Mai 18it!
stehen die Worte: „„Dank, mein wackrer Freund, für Deine letzten lieben
Worte vom 28. April."" — Hierüber bin ich (1821) gefragt, welche Be-
wandniß es mit R.'s letzten lieben Worten gehabt habe? — In einem
Briefe an R. vom 23. Jan. 1812: „„Es geht mir so Manches im Kopfe
herum, wofür das Papier zu eng und zu treulos ist. — Aber was mau
so oft und so leicht als Gewißheit von innen schaut, soll ja auch draußen
einmal gewiß werden, sagen die Philosophen; nein, nicht die, es sagt's der
älteste und heiligste Glaube der Einfalt. Gott erhalte Dir Leib und Muth
frisch."" — Hiebei ist gefragt und wieder gefragt, was mir damals im
Kopfe herumgegangen sei? Auch N. ist gefragt worden, ob er nicht
wisse, was mir im Winter 1812 im Kopfe herumgegangen sein könne? Fer¬
ner ist die Frage an mich gestellt: was hat es mit der Bemerkung „„Gott
erhalte Dir Leib und Muth frisch"" für eine Bewandniß? Dabei ward auf
das Wort Muth gedrückt, als dessen Gebrauch hier doch eine besondere
Veranlassung haben müsse."— Am drolligsten ist folgende Scene. Im Jahre
1815» schreibt ein pietistischer Hauptmann Plchwe, der sich auch in Briefen
an den König stets „Dein liebender Sohn" unterzeichnete, an A.: „Lieber
Vater Arndt! die Gnade unsers Herrn Jesu Christi sei mit uus! Amen. In
jenen Tagen, als ich Dich erkannte, war meine Seele bewegt, und ich habe
Dich mit treuer Liebe umfaßt, und mit Zuversicht geglaubt, daß Du seiest
ein Vater unsers Vosts, ein Verkündiger der Wahrheit in Jesu Christo.
Und ich wurde getrieben, diesen Glauben zu bekennen, und schrieb an Dich
das Wort meines Herzens, der Friede Gottes durch uusern Herrn Jesum
Christ komme über Dich u. s. w. u. s. w." A. antwortete ihm: „Lieber
frommer und freundlicher Jüngling u. f. w.", was man so antwortet. Der
Richter bemerkte ihm nun: „Durch diesen Brief bot sich Ihnen eine Veran¬
lassung dar, diesem Manne über die falsche Richtung seines Geistes eine
angemessene Zurechtweisung zu geben!" — Damals wurde der Pietismus
durch deu Polizeistaat geschulmeistert; die Zeiten haben sich geändert.

Man griff Arndt sogar wegen seinen frühern Schriften an, in denen er,
damals noch nicht preußischer Unterthan, historisch das Mangelhafte in der
Wirksamkeit z. B. Friedrichs des Großen nachzuweisen gesucht hatte. „Rohe


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[0468] spiele.— „In Mein Briefe ohne Datum an Reimer vom Jahre 1810! sage ich: „„Hier noch ein Paar Reime für das Wunderhorn, die Einlage gib gütigst auf die Post."" — Da bin ich (1821) gefragt, was für Reime ich für das Wunderhorn überschickt habe, was für eine Einlage R. habe auf die Post besorgen sollen? — In einem Briefe an R. vom 8. Mai 18it! stehen die Worte: „„Dank, mein wackrer Freund, für Deine letzten lieben Worte vom 28. April."" — Hierüber bin ich (1821) gefragt, welche Be- wandniß es mit R.'s letzten lieben Worten gehabt habe? — In einem Briefe an R. vom 23. Jan. 1812: „„Es geht mir so Manches im Kopfe herum, wofür das Papier zu eng und zu treulos ist. — Aber was mau so oft und so leicht als Gewißheit von innen schaut, soll ja auch draußen einmal gewiß werden, sagen die Philosophen; nein, nicht die, es sagt's der älteste und heiligste Glaube der Einfalt. Gott erhalte Dir Leib und Muth frisch."" — Hiebei ist gefragt und wieder gefragt, was mir damals im Kopfe herumgegangen sei? Auch N. ist gefragt worden, ob er nicht wisse, was mir im Winter 1812 im Kopfe herumgegangen sein könne? Fer¬ ner ist die Frage an mich gestellt: was hat es mit der Bemerkung „„Gott erhalte Dir Leib und Muth frisch"" für eine Bewandniß? Dabei ward auf das Wort Muth gedrückt, als dessen Gebrauch hier doch eine besondere Veranlassung haben müsse."— Am drolligsten ist folgende Scene. Im Jahre 1815» schreibt ein pietistischer Hauptmann Plchwe, der sich auch in Briefen an den König stets „Dein liebender Sohn" unterzeichnete, an A.: „Lieber Vater Arndt! die Gnade unsers Herrn Jesu Christi sei mit uus! Amen. In jenen Tagen, als ich Dich erkannte, war meine Seele bewegt, und ich habe Dich mit treuer Liebe umfaßt, und mit Zuversicht geglaubt, daß Du seiest ein Vater unsers Vosts, ein Verkündiger der Wahrheit in Jesu Christo. Und ich wurde getrieben, diesen Glauben zu bekennen, und schrieb an Dich das Wort meines Herzens, der Friede Gottes durch uusern Herrn Jesum Christ komme über Dich u. s. w. u. s. w." A. antwortete ihm: „Lieber frommer und freundlicher Jüngling u. f. w.", was man so antwortet. Der Richter bemerkte ihm nun: „Durch diesen Brief bot sich Ihnen eine Veran¬ lassung dar, diesem Manne über die falsche Richtung seines Geistes eine angemessene Zurechtweisung zu geben!" — Damals wurde der Pietismus durch deu Polizeistaat geschulmeistert; die Zeiten haben sich geändert. Man griff Arndt sogar wegen seinen frühern Schriften an, in denen er, damals noch nicht preußischer Unterthan, historisch das Mangelhafte in der Wirksamkeit z. B. Friedrichs des Großen nachzuweisen gesucht hatte. „Rohe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/468>, abgerufen am 22.07.2024.