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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Walten der sittlichen Idee nicht zu verfolgen vermag, muß er sich wohl in
den Jrrgängen der Innerlichkeit verlieren. Dieses rein sentimentale Inter¬
esse an dem Psychisch Wunderbaren, an der Gespensterwelt der Seele, ist
ein charakteristischer Zug der modernen Romantik. An den Dichtern des so¬
genannten jungen Deutschland gedenke ich ihn später einmal nachzuweisen;
aber er bleibt uicht nur in der Belletristik; im Gegentheil hat sich ein gro¬
ßer Theil der deutschen Philosophie zur Hauptaufgabe gesetzt, in dieses La¬
byrinth einzudringen, das seinen Charakter verliert, sobald man es von dem
erhöhten Standpunkt des Idealismus aus ansieht.

Schefer wird immer nur von "den Stillen im Lande" verehrt werden;
die höchste Aufgabe des Dichters, das Künftige vorschauend zu ergreifen,
und der in ihren Widersprüchen Verlornen Welt in kühner Freiheit ein Bild
des Göttlichen vorzuführen, hat er sich nicht gestellt. Gebäumt an das enge
aber heimliche Schneckenhaus des Gemüths, wird er denen stets eine Zu¬
flucht sein, die dem Strom des Oceans, der unbestimmten Willkür der Lüfte
ihr Segel und ihr Steuerruder zu bieten weder den Muth noch die Nei¬
gung haben.




Walten der sittlichen Idee nicht zu verfolgen vermag, muß er sich wohl in
den Jrrgängen der Innerlichkeit verlieren. Dieses rein sentimentale Inter¬
esse an dem Psychisch Wunderbaren, an der Gespensterwelt der Seele, ist
ein charakteristischer Zug der modernen Romantik. An den Dichtern des so¬
genannten jungen Deutschland gedenke ich ihn später einmal nachzuweisen;
aber er bleibt uicht nur in der Belletristik; im Gegentheil hat sich ein gro¬
ßer Theil der deutschen Philosophie zur Hauptaufgabe gesetzt, in dieses La¬
byrinth einzudringen, das seinen Charakter verliert, sobald man es von dem
erhöhten Standpunkt des Idealismus aus ansieht.

Schefer wird immer nur von „den Stillen im Lande" verehrt werden;
die höchste Aufgabe des Dichters, das Künftige vorschauend zu ergreifen,
und der in ihren Widersprüchen Verlornen Welt in kühner Freiheit ein Bild
des Göttlichen vorzuführen, hat er sich nicht gestellt. Gebäumt an das enge
aber heimliche Schneckenhaus des Gemüths, wird er denen stets eine Zu¬
flucht sein, die dem Strom des Oceans, der unbestimmten Willkür der Lüfte
ihr Segel und ihr Steuerruder zu bieten weder den Muth noch die Nei¬
gung haben.




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[0448] Walten der sittlichen Idee nicht zu verfolgen vermag, muß er sich wohl in den Jrrgängen der Innerlichkeit verlieren. Dieses rein sentimentale Inter¬ esse an dem Psychisch Wunderbaren, an der Gespensterwelt der Seele, ist ein charakteristischer Zug der modernen Romantik. An den Dichtern des so¬ genannten jungen Deutschland gedenke ich ihn später einmal nachzuweisen; aber er bleibt uicht nur in der Belletristik; im Gegentheil hat sich ein gro¬ ßer Theil der deutschen Philosophie zur Hauptaufgabe gesetzt, in dieses La¬ byrinth einzudringen, das seinen Charakter verliert, sobald man es von dem erhöhten Standpunkt des Idealismus aus ansieht. Schefer wird immer nur von „den Stillen im Lande" verehrt werden; die höchste Aufgabe des Dichters, das Künftige vorschauend zu ergreifen, und der in ihren Widersprüchen Verlornen Welt in kühner Freiheit ein Bild des Göttlichen vorzuführen, hat er sich nicht gestellt. Gebäumt an das enge aber heimliche Schneckenhaus des Gemüths, wird er denen stets eine Zu¬ flucht sein, die dem Strom des Oceans, der unbestimmten Willkür der Lüfte ihr Segel und ihr Steuerruder zu bieten weder den Muth noch die Nei¬ gung haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/448>, abgerufen am 22.07.2024.