Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

viel consumirt und gut bezahlt werden. Der Betrieb einer Brauerei bietet
hier jetzt noch außerordentliche Vortheile, was seinen Grund darin hat, daß
die Pforte durchaus keine Abgaben in Anspruch nimmt, daß das Getreide
hier sehr billig ist, der Preis des Bieres dagegen sehr hoch. Wie viel da¬
bei gewonnen wird, zeigt ein Vergleich mit den Verhältnissen Deutschlands
und anderer Länder. Hier kostet die Flasche 12^ Kr.; bei uns 5 bis 6 Kr.
Dabei ruht auf dem Betriebe die bedeutende Abgabe der Malzstcner; alle Natura¬
lien stehen 25 Proc. höher im Preise, und dennoch werden unsere Bierbrauer
reiche Leute. -- Ich betrachte die Leitung dieses Geschäftes aber nur als Ne¬
bensache; als Beschäftigung würde es mir uicht genügen. Nach genauer
Prüfung aller Verhältnisse ist es mir klar geworden, daß es hier uoch
völlig an einem Zweig der Industrie fehle, nämlich an der Fabrikation che¬
mischer und technischer Artikel, die man bis jetzt noch mit großen Kosten
vom Auslande bezog, die aber mit bedeutendem Vortheil an Ort und Stelle
bereitet werden können. Für den Augenblick bin ich nun noch mit den nö¬
thigen Vorbereitungen hierzu beschäftigt, was freilich uicht die Sache eines
Augenblickes ist; doch hoffe ich noch im Laufe dieses Jahres eine Anstalt
der Art herzustellen, und glaube, des Erfolges fast gewiß sein zu können.

An Raum fehlt es hier nicht seine Thätigkeit nach allen Seiten aus¬
zudehnen, und der Speculationsgeist findet ein weites Feld. Vergleicht man
hiermit die drückenden und einengendem Verhältnisse im Vaterlande und den
kläglichen Zustand der Pharmacie, so treten die Zustande dort sehr in den
Schatten. Hier kann man wenigstens darauf rechnen, von seinein Fleiße
die Frucht zu erndten, den Abend seines Lebens in sorgenfreier Ruhe und
Bequemlichkeit zubringen zu können.

Vielleicht würde es unterhaltender für Euch sein, wenn ich, statt bei
diesen praktischen Gegenständen zu weilen, von verschleierten türkischen Schö¬
nen, vom Sllavenmarkr, von der großherrlichen Majestät oder den Tänzen
der Derwische spräche; diese Sachen sind aber in allen Neisebeschreibungon
so viel besprochen, und von dein Enthusiasmus reisender Frauen von sol¬
chem griechischen Feuer beleuchtet worden, daß man z. B. nur Madame
Belli's neueste Schilderung zur Hand zu nehmen braucht, um zu wissen,
wie es bei uns aussieht -- oder eigentlich nicht aussieht -- vielleicht aber aus¬
sehen könnte, oder besser noch aussähe. Es gehört eine an Entzückung
grenzende Jnspirirung dazu, so etwas niederzuschreiben, und es muß eine
bedeutende Unverschämtheit erfordern, dem Publikum dies aufzutischen. Nach
den Eindrücken eines kurzen Aufenthaltes soll man Länder und Sitten be¬
urtheilen! -- Freilich findet man dann die Wunder des Orientes nicht, von


viel consumirt und gut bezahlt werden. Der Betrieb einer Brauerei bietet
hier jetzt noch außerordentliche Vortheile, was seinen Grund darin hat, daß
die Pforte durchaus keine Abgaben in Anspruch nimmt, daß das Getreide
hier sehr billig ist, der Preis des Bieres dagegen sehr hoch. Wie viel da¬
bei gewonnen wird, zeigt ein Vergleich mit den Verhältnissen Deutschlands
und anderer Länder. Hier kostet die Flasche 12^ Kr.; bei uns 5 bis 6 Kr.
Dabei ruht auf dem Betriebe die bedeutende Abgabe der Malzstcner; alle Natura¬
lien stehen 25 Proc. höher im Preise, und dennoch werden unsere Bierbrauer
reiche Leute. — Ich betrachte die Leitung dieses Geschäftes aber nur als Ne¬
bensache; als Beschäftigung würde es mir uicht genügen. Nach genauer
Prüfung aller Verhältnisse ist es mir klar geworden, daß es hier uoch
völlig an einem Zweig der Industrie fehle, nämlich an der Fabrikation che¬
mischer und technischer Artikel, die man bis jetzt noch mit großen Kosten
vom Auslande bezog, die aber mit bedeutendem Vortheil an Ort und Stelle
bereitet werden können. Für den Augenblick bin ich nun noch mit den nö¬
thigen Vorbereitungen hierzu beschäftigt, was freilich uicht die Sache eines
Augenblickes ist; doch hoffe ich noch im Laufe dieses Jahres eine Anstalt
der Art herzustellen, und glaube, des Erfolges fast gewiß sein zu können.

An Raum fehlt es hier nicht seine Thätigkeit nach allen Seiten aus¬
zudehnen, und der Speculationsgeist findet ein weites Feld. Vergleicht man
hiermit die drückenden und einengendem Verhältnisse im Vaterlande und den
kläglichen Zustand der Pharmacie, so treten die Zustande dort sehr in den
Schatten. Hier kann man wenigstens darauf rechnen, von seinein Fleiße
die Frucht zu erndten, den Abend seines Lebens in sorgenfreier Ruhe und
Bequemlichkeit zubringen zu können.

Vielleicht würde es unterhaltender für Euch sein, wenn ich, statt bei
diesen praktischen Gegenständen zu weilen, von verschleierten türkischen Schö¬
nen, vom Sllavenmarkr, von der großherrlichen Majestät oder den Tänzen
der Derwische spräche; diese Sachen sind aber in allen Neisebeschreibungon
so viel besprochen, und von dein Enthusiasmus reisender Frauen von sol¬
chem griechischen Feuer beleuchtet worden, daß man z. B. nur Madame
Belli's neueste Schilderung zur Hand zu nehmen braucht, um zu wissen,
wie es bei uns aussieht — oder eigentlich nicht aussieht — vielleicht aber aus¬
sehen könnte, oder besser noch aussähe. Es gehört eine an Entzückung
grenzende Jnspirirung dazu, so etwas niederzuschreiben, und es muß eine
bedeutende Unverschämtheit erfordern, dem Publikum dies aufzutischen. Nach
den Eindrücken eines kurzen Aufenthaltes soll man Länder und Sitten be¬
urtheilen! — Freilich findet man dann die Wunder des Orientes nicht, von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272317"/>
          <p xml:id="ID_1418" prev="#ID_1417"> viel consumirt und gut bezahlt werden. Der Betrieb einer Brauerei bietet<lb/>
hier jetzt noch außerordentliche Vortheile, was seinen Grund darin hat, daß<lb/>
die Pforte durchaus keine Abgaben in Anspruch nimmt, daß das Getreide<lb/>
hier sehr billig ist, der Preis des Bieres dagegen sehr hoch. Wie viel da¬<lb/>
bei gewonnen wird, zeigt ein Vergleich mit den Verhältnissen Deutschlands<lb/>
und anderer Länder. Hier kostet die Flasche 12^ Kr.; bei uns 5 bis 6 Kr.<lb/>
Dabei ruht auf dem Betriebe die bedeutende Abgabe der Malzstcner; alle Natura¬<lb/>
lien stehen 25 Proc. höher im Preise, und dennoch werden unsere Bierbrauer<lb/>
reiche Leute. &#x2014; Ich betrachte die Leitung dieses Geschäftes aber nur als Ne¬<lb/>
bensache; als Beschäftigung würde es mir uicht genügen. Nach genauer<lb/>
Prüfung aller Verhältnisse ist es mir klar geworden, daß es hier uoch<lb/>
völlig an einem Zweig der Industrie fehle, nämlich an der Fabrikation che¬<lb/>
mischer und technischer Artikel, die man bis jetzt noch mit großen Kosten<lb/>
vom Auslande bezog, die aber mit bedeutendem Vortheil an Ort und Stelle<lb/>
bereitet werden können. Für den Augenblick bin ich nun noch mit den nö¬<lb/>
thigen Vorbereitungen hierzu beschäftigt, was freilich uicht die Sache eines<lb/>
Augenblickes ist; doch hoffe ich noch im Laufe dieses Jahres eine Anstalt<lb/>
der Art herzustellen, und glaube, des Erfolges fast gewiß sein zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1419"> An Raum fehlt es hier nicht seine Thätigkeit nach allen Seiten aus¬<lb/>
zudehnen, und der Speculationsgeist findet ein weites Feld. Vergleicht man<lb/>
hiermit die drückenden und einengendem Verhältnisse im Vaterlande und den<lb/>
kläglichen Zustand der Pharmacie, so treten die Zustande dort sehr in den<lb/>
Schatten. Hier kann man wenigstens darauf rechnen, von seinein Fleiße<lb/>
die Frucht zu erndten, den Abend seines Lebens in sorgenfreier Ruhe und<lb/>
Bequemlichkeit zubringen zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1420" next="#ID_1421"> Vielleicht würde es unterhaltender für Euch sein, wenn ich, statt bei<lb/>
diesen praktischen Gegenständen zu weilen, von verschleierten türkischen Schö¬<lb/>
nen, vom Sllavenmarkr, von der großherrlichen Majestät oder den Tänzen<lb/>
der Derwische spräche; diese Sachen sind aber in allen Neisebeschreibungon<lb/>
so viel besprochen, und von dein Enthusiasmus reisender Frauen von sol¬<lb/>
chem griechischen Feuer beleuchtet worden, daß man z. B. nur Madame<lb/>
Belli's neueste Schilderung zur Hand zu nehmen braucht, um zu wissen,<lb/>
wie es bei uns aussieht &#x2014; oder eigentlich nicht aussieht &#x2014; vielleicht aber aus¬<lb/>
sehen könnte, oder besser noch aussähe. Es gehört eine an Entzückung<lb/>
grenzende Jnspirirung dazu, so etwas niederzuschreiben, und es muß eine<lb/>
bedeutende Unverschämtheit erfordern, dem Publikum dies aufzutischen. Nach<lb/>
den Eindrücken eines kurzen Aufenthaltes soll man Länder und Sitten be¬<lb/>
urtheilen! &#x2014; Freilich findet man dann die Wunder des Orientes nicht, von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0418] viel consumirt und gut bezahlt werden. Der Betrieb einer Brauerei bietet hier jetzt noch außerordentliche Vortheile, was seinen Grund darin hat, daß die Pforte durchaus keine Abgaben in Anspruch nimmt, daß das Getreide hier sehr billig ist, der Preis des Bieres dagegen sehr hoch. Wie viel da¬ bei gewonnen wird, zeigt ein Vergleich mit den Verhältnissen Deutschlands und anderer Länder. Hier kostet die Flasche 12^ Kr.; bei uns 5 bis 6 Kr. Dabei ruht auf dem Betriebe die bedeutende Abgabe der Malzstcner; alle Natura¬ lien stehen 25 Proc. höher im Preise, und dennoch werden unsere Bierbrauer reiche Leute. — Ich betrachte die Leitung dieses Geschäftes aber nur als Ne¬ bensache; als Beschäftigung würde es mir uicht genügen. Nach genauer Prüfung aller Verhältnisse ist es mir klar geworden, daß es hier uoch völlig an einem Zweig der Industrie fehle, nämlich an der Fabrikation che¬ mischer und technischer Artikel, die man bis jetzt noch mit großen Kosten vom Auslande bezog, die aber mit bedeutendem Vortheil an Ort und Stelle bereitet werden können. Für den Augenblick bin ich nun noch mit den nö¬ thigen Vorbereitungen hierzu beschäftigt, was freilich uicht die Sache eines Augenblickes ist; doch hoffe ich noch im Laufe dieses Jahres eine Anstalt der Art herzustellen, und glaube, des Erfolges fast gewiß sein zu können. An Raum fehlt es hier nicht seine Thätigkeit nach allen Seiten aus¬ zudehnen, und der Speculationsgeist findet ein weites Feld. Vergleicht man hiermit die drückenden und einengendem Verhältnisse im Vaterlande und den kläglichen Zustand der Pharmacie, so treten die Zustande dort sehr in den Schatten. Hier kann man wenigstens darauf rechnen, von seinein Fleiße die Frucht zu erndten, den Abend seines Lebens in sorgenfreier Ruhe und Bequemlichkeit zubringen zu können. Vielleicht würde es unterhaltender für Euch sein, wenn ich, statt bei diesen praktischen Gegenständen zu weilen, von verschleierten türkischen Schö¬ nen, vom Sllavenmarkr, von der großherrlichen Majestät oder den Tänzen der Derwische spräche; diese Sachen sind aber in allen Neisebeschreibungon so viel besprochen, und von dein Enthusiasmus reisender Frauen von sol¬ chem griechischen Feuer beleuchtet worden, daß man z. B. nur Madame Belli's neueste Schilderung zur Hand zu nehmen braucht, um zu wissen, wie es bei uns aussieht — oder eigentlich nicht aussieht — vielleicht aber aus¬ sehen könnte, oder besser noch aussähe. Es gehört eine an Entzückung grenzende Jnspirirung dazu, so etwas niederzuschreiben, und es muß eine bedeutende Unverschämtheit erfordern, dem Publikum dies aufzutischen. Nach den Eindrücken eines kurzen Aufenthaltes soll man Länder und Sitten be¬ urtheilen! — Freilich findet man dann die Wunder des Orientes nicht, von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/418
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/418>, abgerufen am 22.07.2024.