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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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In den südlichen Landestheilen, die nach dem Jahre 1809 der wälschen
Herrschaft überlassen worden, sprach noch insbesondere das napoleonische
Gesetzbuch, das alle frühern Anordnungen aufhob, nach Umständen für die
zehn- oder dreißigjährige Erhitzung.

Nach der Wiedervereinigung Tirols mit Oesterreich, oder wie es von
gewisser Seite öfter beliebt wird, der Wiedereroberung unserer Provinz, er¬
ließ die Landesstelle 1822 eine provisorische, von der obersten Kammerbehörde,
nämlich der allgemeinen Hofkammer ausdrücklich genehmigte Waldordnung,
worin aber von dem Vorbehalte eines Hoheitsrechtes ans unsre Waldungen
nichts zu lesen ist, erst als vor mehr denn einem Jahrzehende italienische
Holzhandlungen vorzüglich im Pusterthale den Reichthum unserer Wälder in
klingende Münze verwandelten, als man den für verloren gehaltenen Schatz
aus dem Nebel der Bergesklüfte und schneebegränzten Halden an's Licht des
Tages zog, erst da begannen unsre scharfsinnigen und gewissenhaften Kam>
merbeamten an die heiligen und unverjährbaren Rechte der Krone zu erin¬
nern, den Unterthanen ihre alten Besitzbriefe, die Beweise ihres Eigenthums
abzunehmen und kistenweise nach Innsbruck und Wien zu senden, da suchte
man anfänglich den Bauer durch Schritte der Eigenmacht aus dem Besitze
zu drängen, und als dies bei dem schlichten Rechtssinn unserer Landgerichte
nicht verfangen wollte, zog man alle Prozesse vor das mit der k. k. Salincn-
direction vereinigte Berggericht in Hall, welches sofort ohne Anstand alle
in Frage gestellten Forste unter Sequestration setzte. Die Herren, welche
die Rechte des Staatsschatzes so glücklich entdeckt und gewahrt hatten, wur¬
den, wie anderswo etwa tüchtige Untersuchungsrichter, zu höhern Stellen
befördert, und drangen, da ihnen die Justiz- und Verwaltungsbehörden
das Mißverständniß der Waldordnungen Schritt für Schritt nachwiesen,
tiefer in den noch so wenig gelichteten Urwald der Vorzeit. Die Stimmung
den Voll's wurde schwieriger. Die Waldbesitzer des Puster- und Wippthals
sprachen ihre Unzufriedenheit mit diesen Maßnahmen laut und unumwunden
den Forstbeamten in's Angesicht aus, und wenig fehlte, daß es bei einer
Korsttagsatzung unweit Bruneck zu Thätlichkeiten gekommen wäre, ja der
wackere Kreishauptmann von Pusterthal nahm sich in einem Bericht an die
Landesstelle der Bedrückten mit der offenen Warnung an, man möge Ruhe
und Frieden, Liebe und Vertrauen nicht so leicht verscherzen. Sollte es,
nachdem die Kammerbehörden das Volk auf eine so harte Probe gestellt,
nachdem es darauf nur Mäßigung und bescheidene Bitte zur Antwort hatte,
eine zu harte Anforderung an diese Herren geschienen haben mit dem offenen
Geständniß vor den Thron zu treten, daß sie diesmal -- ja dies eine Mal


In den südlichen Landestheilen, die nach dem Jahre 1809 der wälschen
Herrschaft überlassen worden, sprach noch insbesondere das napoleonische
Gesetzbuch, das alle frühern Anordnungen aufhob, nach Umständen für die
zehn- oder dreißigjährige Erhitzung.

Nach der Wiedervereinigung Tirols mit Oesterreich, oder wie es von
gewisser Seite öfter beliebt wird, der Wiedereroberung unserer Provinz, er¬
ließ die Landesstelle 1822 eine provisorische, von der obersten Kammerbehörde,
nämlich der allgemeinen Hofkammer ausdrücklich genehmigte Waldordnung,
worin aber von dem Vorbehalte eines Hoheitsrechtes ans unsre Waldungen
nichts zu lesen ist, erst als vor mehr denn einem Jahrzehende italienische
Holzhandlungen vorzüglich im Pusterthale den Reichthum unserer Wälder in
klingende Münze verwandelten, als man den für verloren gehaltenen Schatz
aus dem Nebel der Bergesklüfte und schneebegränzten Halden an's Licht des
Tages zog, erst da begannen unsre scharfsinnigen und gewissenhaften Kam>
merbeamten an die heiligen und unverjährbaren Rechte der Krone zu erin¬
nern, den Unterthanen ihre alten Besitzbriefe, die Beweise ihres Eigenthums
abzunehmen und kistenweise nach Innsbruck und Wien zu senden, da suchte
man anfänglich den Bauer durch Schritte der Eigenmacht aus dem Besitze
zu drängen, und als dies bei dem schlichten Rechtssinn unserer Landgerichte
nicht verfangen wollte, zog man alle Prozesse vor das mit der k. k. Salincn-
direction vereinigte Berggericht in Hall, welches sofort ohne Anstand alle
in Frage gestellten Forste unter Sequestration setzte. Die Herren, welche
die Rechte des Staatsschatzes so glücklich entdeckt und gewahrt hatten, wur¬
den, wie anderswo etwa tüchtige Untersuchungsrichter, zu höhern Stellen
befördert, und drangen, da ihnen die Justiz- und Verwaltungsbehörden
das Mißverständniß der Waldordnungen Schritt für Schritt nachwiesen,
tiefer in den noch so wenig gelichteten Urwald der Vorzeit. Die Stimmung
den Voll's wurde schwieriger. Die Waldbesitzer des Puster- und Wippthals
sprachen ihre Unzufriedenheit mit diesen Maßnahmen laut und unumwunden
den Forstbeamten in's Angesicht aus, und wenig fehlte, daß es bei einer
Korsttagsatzung unweit Bruneck zu Thätlichkeiten gekommen wäre, ja der
wackere Kreishauptmann von Pusterthal nahm sich in einem Bericht an die
Landesstelle der Bedrückten mit der offenen Warnung an, man möge Ruhe
und Frieden, Liebe und Vertrauen nicht so leicht verscherzen. Sollte es,
nachdem die Kammerbehörden das Volk auf eine so harte Probe gestellt,
nachdem es darauf nur Mäßigung und bescheidene Bitte zur Antwort hatte,
eine zu harte Anforderung an diese Herren geschienen haben mit dem offenen
Geständniß vor den Thron zu treten, daß sie diesmal — ja dies eine Mal


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[0398] In den südlichen Landestheilen, die nach dem Jahre 1809 der wälschen Herrschaft überlassen worden, sprach noch insbesondere das napoleonische Gesetzbuch, das alle frühern Anordnungen aufhob, nach Umständen für die zehn- oder dreißigjährige Erhitzung. Nach der Wiedervereinigung Tirols mit Oesterreich, oder wie es von gewisser Seite öfter beliebt wird, der Wiedereroberung unserer Provinz, er¬ ließ die Landesstelle 1822 eine provisorische, von der obersten Kammerbehörde, nämlich der allgemeinen Hofkammer ausdrücklich genehmigte Waldordnung, worin aber von dem Vorbehalte eines Hoheitsrechtes ans unsre Waldungen nichts zu lesen ist, erst als vor mehr denn einem Jahrzehende italienische Holzhandlungen vorzüglich im Pusterthale den Reichthum unserer Wälder in klingende Münze verwandelten, als man den für verloren gehaltenen Schatz aus dem Nebel der Bergesklüfte und schneebegränzten Halden an's Licht des Tages zog, erst da begannen unsre scharfsinnigen und gewissenhaften Kam> merbeamten an die heiligen und unverjährbaren Rechte der Krone zu erin¬ nern, den Unterthanen ihre alten Besitzbriefe, die Beweise ihres Eigenthums abzunehmen und kistenweise nach Innsbruck und Wien zu senden, da suchte man anfänglich den Bauer durch Schritte der Eigenmacht aus dem Besitze zu drängen, und als dies bei dem schlichten Rechtssinn unserer Landgerichte nicht verfangen wollte, zog man alle Prozesse vor das mit der k. k. Salincn- direction vereinigte Berggericht in Hall, welches sofort ohne Anstand alle in Frage gestellten Forste unter Sequestration setzte. Die Herren, welche die Rechte des Staatsschatzes so glücklich entdeckt und gewahrt hatten, wur¬ den, wie anderswo etwa tüchtige Untersuchungsrichter, zu höhern Stellen befördert, und drangen, da ihnen die Justiz- und Verwaltungsbehörden das Mißverständniß der Waldordnungen Schritt für Schritt nachwiesen, tiefer in den noch so wenig gelichteten Urwald der Vorzeit. Die Stimmung den Voll's wurde schwieriger. Die Waldbesitzer des Puster- und Wippthals sprachen ihre Unzufriedenheit mit diesen Maßnahmen laut und unumwunden den Forstbeamten in's Angesicht aus, und wenig fehlte, daß es bei einer Korsttagsatzung unweit Bruneck zu Thätlichkeiten gekommen wäre, ja der wackere Kreishauptmann von Pusterthal nahm sich in einem Bericht an die Landesstelle der Bedrückten mit der offenen Warnung an, man möge Ruhe und Frieden, Liebe und Vertrauen nicht so leicht verscherzen. Sollte es, nachdem die Kammerbehörden das Volk auf eine so harte Probe gestellt, nachdem es darauf nur Mäßigung und bescheidene Bitte zur Antwort hatte, eine zu harte Anforderung an diese Herren geschienen haben mit dem offenen Geständniß vor den Thron zu treten, daß sie diesmal — ja dies eine Mal

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/398>, abgerufen am 22.07.2024.