Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

können, wenigstens steht es zu hoffen. Sein letztes Buch, ,^ucteti^^ bat
dem Publikum durchaus mißfallen. Uebrigens aber denkt für deu Augen¬
blick Niemand an Literatur. Die Vergnügungen des Tages und die staat-
lichen Angelegenheiten nehmen die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch.
Die Ausstellungen find seit dem ersten Mai geöffnet und wie gewöhnlich von
einer zahlreichen Menge besucht. Es findet sich außer einigen vortrefflichen
Bildern der ersten Meister Englands, ein Bild von F. Biard dort, das
vielleicht alles übertreffen möchte. Es stellt die Befreiung der Sklaven auf
einem Schisse vor, das dnrch ein französisches Kriegsschiff genommen worden.
Der Maler hat deu Augenblick gewählt, wo der französische Eapitän das
Verdeck betritt. Dieser bildet daher eine Hauptfigur im Vordergrund. Ihm
zur Seite steigen aus dem Unterdecke die befreieten Sklaven hervor und
die Gefühle derselben - des Hasses, der Freude, der Verzweiflung -- sind
mit einer Wahrheit dargestellt, die ergreifend ist. Man kann sich kaum satt
sehen an diesem Bilde, auf dem jeder Kopf ein Studium und eine ganze
Geschichte ist. Der Künstler, der das verfertigen konnte, mußte zugleich
Philosoph und Menschenkenner sein; denn ohne ein tiefes Studium der Na¬
tur und des Gemüthslebens, war das nicht zu bewerkstelligen. Ein solches
Bild ist eine doppelte Freude in England, wo man so arm an Darstellung
von Seelenzuständen ist. Nachahmung der Natur, - Hunde, Pferde, Katzen
und auch Menschenkopfe ist die Stärke englischer Maler, und wieder fin¬
det man vortreffliche Sachen von Laudseer, Starfield und Lee. Vou er¬
sterem ist ein Bild dort, Bau Hambugh, wie er die Löwe" in ihrem Käsig
zähmt, darstellend, das wunderbar schön gemalt ist. Er hat es ans Bestel¬
lung des Herzogs von Wellington gefertigt, dessen Geschmack ein solcher
Gegenstand entspricht. Turner hat diesmal nur ein Bild geliefert -- sein
letztes, wie es heißt, das deu "lie-v "l >"entre<l it^Ill"", in rothe" und
gelben Wolken reitend, darstellt. Es ist eine wunderbare Farbenpracht,
die glücklicher Weise keine Nachahmer findet. Ein sehr mißlungener Versuch
eines historischen Bildes, siud drei Scenen aus dem Leben der Jungfrau
von Orleaus, von A. Cooper, das größte Bild in der ganzen Ausstellung,
das im ersten Zimmer eine Wand einnimmt. Er hat die Jungfrau als ein
männlich starkes, kolossales, uerviges, schwarzgebrauutes Mädchen darge¬
stellt. Auf dem ersten Bilde findet sie das Schwert, das sie mit einer Faust
ergreift, die gleich vor jeder idealischen Idee zurückbcben macht. Auf dem
zweiten Bilde findet man sie zu Pferde inmitten der Schlacht, mordend und
von der schrecklichsten Mordscene umgeben. Auf dem dritten Bilde steht sie
auf dem Scheiterhaufen, der schon unter ihr angezündet ist, und blickt mit


können, wenigstens steht es zu hoffen. Sein letztes Buch, ,^ucteti^^ bat
dem Publikum durchaus mißfallen. Uebrigens aber denkt für deu Augen¬
blick Niemand an Literatur. Die Vergnügungen des Tages und die staat-
lichen Angelegenheiten nehmen die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch.
Die Ausstellungen find seit dem ersten Mai geöffnet und wie gewöhnlich von
einer zahlreichen Menge besucht. Es findet sich außer einigen vortrefflichen
Bildern der ersten Meister Englands, ein Bild von F. Biard dort, das
vielleicht alles übertreffen möchte. Es stellt die Befreiung der Sklaven auf
einem Schisse vor, das dnrch ein französisches Kriegsschiff genommen worden.
Der Maler hat deu Augenblick gewählt, wo der französische Eapitän das
Verdeck betritt. Dieser bildet daher eine Hauptfigur im Vordergrund. Ihm
zur Seite steigen aus dem Unterdecke die befreieten Sklaven hervor und
die Gefühle derselben - des Hasses, der Freude, der Verzweiflung — sind
mit einer Wahrheit dargestellt, die ergreifend ist. Man kann sich kaum satt
sehen an diesem Bilde, auf dem jeder Kopf ein Studium und eine ganze
Geschichte ist. Der Künstler, der das verfertigen konnte, mußte zugleich
Philosoph und Menschenkenner sein; denn ohne ein tiefes Studium der Na¬
tur und des Gemüthslebens, war das nicht zu bewerkstelligen. Ein solches
Bild ist eine doppelte Freude in England, wo man so arm an Darstellung
von Seelenzuständen ist. Nachahmung der Natur, - Hunde, Pferde, Katzen
und auch Menschenkopfe ist die Stärke englischer Maler, und wieder fin¬
det man vortreffliche Sachen von Laudseer, Starfield und Lee. Vou er¬
sterem ist ein Bild dort, Bau Hambugh, wie er die Löwe» in ihrem Käsig
zähmt, darstellend, das wunderbar schön gemalt ist. Er hat es ans Bestel¬
lung des Herzogs von Wellington gefertigt, dessen Geschmack ein solcher
Gegenstand entspricht. Turner hat diesmal nur ein Bild geliefert — sein
letztes, wie es heißt, das deu „lie-v «l >»entre<l it^Ill«", in rothe» und
gelben Wolken reitend, darstellt. Es ist eine wunderbare Farbenpracht,
die glücklicher Weise keine Nachahmer findet. Ein sehr mißlungener Versuch
eines historischen Bildes, siud drei Scenen aus dem Leben der Jungfrau
von Orleaus, von A. Cooper, das größte Bild in der ganzen Ausstellung,
das im ersten Zimmer eine Wand einnimmt. Er hat die Jungfrau als ein
männlich starkes, kolossales, uerviges, schwarzgebrauutes Mädchen darge¬
stellt. Auf dem ersten Bilde findet sie das Schwert, das sie mit einer Faust
ergreift, die gleich vor jeder idealischen Idee zurückbcben macht. Auf dem
zweiten Bilde findet man sie zu Pferde inmitten der Schlacht, mordend und
von der schrecklichsten Mordscene umgeben. Auf dem dritten Bilde steht sie
auf dem Scheiterhaufen, der schon unter ihr angezündet ist, und blickt mit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0379" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272278"/>
          <p xml:id="ID_1303" prev="#ID_1302" next="#ID_1304"> können, wenigstens steht es zu hoffen. Sein letztes Buch, ,^ucteti^^ bat<lb/>
dem Publikum durchaus mißfallen. Uebrigens aber denkt für deu Augen¬<lb/>
blick Niemand an Literatur. Die Vergnügungen des Tages und die staat-<lb/>
lichen Angelegenheiten nehmen die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch.<lb/>
Die Ausstellungen find seit dem ersten Mai geöffnet und wie gewöhnlich von<lb/>
einer zahlreichen Menge besucht. Es findet sich außer einigen vortrefflichen<lb/>
Bildern der ersten Meister Englands, ein Bild von F. Biard dort, das<lb/>
vielleicht alles übertreffen möchte. Es stellt die Befreiung der Sklaven auf<lb/>
einem Schisse vor, das dnrch ein französisches Kriegsschiff genommen worden.<lb/>
Der Maler hat deu Augenblick gewählt, wo der französische Eapitän das<lb/>
Verdeck betritt. Dieser bildet daher eine Hauptfigur im Vordergrund. Ihm<lb/>
zur Seite steigen aus dem Unterdecke die befreieten Sklaven hervor und<lb/>
die Gefühle derselben - des Hasses, der Freude, der Verzweiflung &#x2014; sind<lb/>
mit einer Wahrheit dargestellt, die ergreifend ist. Man kann sich kaum satt<lb/>
sehen an diesem Bilde, auf dem jeder Kopf ein Studium und eine ganze<lb/>
Geschichte ist. Der Künstler, der das verfertigen konnte, mußte zugleich<lb/>
Philosoph und Menschenkenner sein; denn ohne ein tiefes Studium der Na¬<lb/>
tur und des Gemüthslebens, war das nicht zu bewerkstelligen. Ein solches<lb/>
Bild ist eine doppelte Freude in England, wo man so arm an Darstellung<lb/>
von Seelenzuständen ist. Nachahmung der Natur, - Hunde, Pferde, Katzen<lb/>
und auch Menschenkopfe ist die Stärke englischer Maler, und wieder fin¬<lb/>
det man vortreffliche Sachen von Laudseer, Starfield und Lee. Vou er¬<lb/>
sterem ist ein Bild dort, Bau Hambugh, wie er die Löwe» in ihrem Käsig<lb/>
zähmt, darstellend, das wunderbar schön gemalt ist. Er hat es ans Bestel¬<lb/>
lung des Herzogs von Wellington gefertigt, dessen Geschmack ein solcher<lb/>
Gegenstand entspricht. Turner hat diesmal nur ein Bild geliefert &#x2014; sein<lb/>
letztes, wie es heißt, das deu &#x201E;lie-v «l &gt;»entre&lt;l it^Ill«", in rothe» und<lb/>
gelben Wolken reitend, darstellt. Es ist eine wunderbare Farbenpracht,<lb/>
die glücklicher Weise keine Nachahmer findet. Ein sehr mißlungener Versuch<lb/>
eines historischen Bildes, siud drei Scenen aus dem Leben der Jungfrau<lb/>
von Orleaus, von A. Cooper, das größte Bild in der ganzen Ausstellung,<lb/>
das im ersten Zimmer eine Wand einnimmt. Er hat die Jungfrau als ein<lb/>
männlich starkes, kolossales, uerviges, schwarzgebrauutes Mädchen darge¬<lb/>
stellt. Auf dem ersten Bilde findet sie das Schwert, das sie mit einer Faust<lb/>
ergreift, die gleich vor jeder idealischen Idee zurückbcben macht. Auf dem<lb/>
zweiten Bilde findet man sie zu Pferde inmitten der Schlacht, mordend und<lb/>
von der schrecklichsten Mordscene umgeben. Auf dem dritten Bilde steht sie<lb/>
auf dem Scheiterhaufen, der schon unter ihr angezündet ist, und blickt mit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0379] können, wenigstens steht es zu hoffen. Sein letztes Buch, ,^ucteti^^ bat dem Publikum durchaus mißfallen. Uebrigens aber denkt für deu Augen¬ blick Niemand an Literatur. Die Vergnügungen des Tages und die staat- lichen Angelegenheiten nehmen die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch. Die Ausstellungen find seit dem ersten Mai geöffnet und wie gewöhnlich von einer zahlreichen Menge besucht. Es findet sich außer einigen vortrefflichen Bildern der ersten Meister Englands, ein Bild von F. Biard dort, das vielleicht alles übertreffen möchte. Es stellt die Befreiung der Sklaven auf einem Schisse vor, das dnrch ein französisches Kriegsschiff genommen worden. Der Maler hat deu Augenblick gewählt, wo der französische Eapitän das Verdeck betritt. Dieser bildet daher eine Hauptfigur im Vordergrund. Ihm zur Seite steigen aus dem Unterdecke die befreieten Sklaven hervor und die Gefühle derselben - des Hasses, der Freude, der Verzweiflung — sind mit einer Wahrheit dargestellt, die ergreifend ist. Man kann sich kaum satt sehen an diesem Bilde, auf dem jeder Kopf ein Studium und eine ganze Geschichte ist. Der Künstler, der das verfertigen konnte, mußte zugleich Philosoph und Menschenkenner sein; denn ohne ein tiefes Studium der Na¬ tur und des Gemüthslebens, war das nicht zu bewerkstelligen. Ein solches Bild ist eine doppelte Freude in England, wo man so arm an Darstellung von Seelenzuständen ist. Nachahmung der Natur, - Hunde, Pferde, Katzen und auch Menschenkopfe ist die Stärke englischer Maler, und wieder fin¬ det man vortreffliche Sachen von Laudseer, Starfield und Lee. Vou er¬ sterem ist ein Bild dort, Bau Hambugh, wie er die Löwe» in ihrem Käsig zähmt, darstellend, das wunderbar schön gemalt ist. Er hat es ans Bestel¬ lung des Herzogs von Wellington gefertigt, dessen Geschmack ein solcher Gegenstand entspricht. Turner hat diesmal nur ein Bild geliefert — sein letztes, wie es heißt, das deu „lie-v «l >»entre<l it^Ill«", in rothe» und gelben Wolken reitend, darstellt. Es ist eine wunderbare Farbenpracht, die glücklicher Weise keine Nachahmer findet. Ein sehr mißlungener Versuch eines historischen Bildes, siud drei Scenen aus dem Leben der Jungfrau von Orleaus, von A. Cooper, das größte Bild in der ganzen Ausstellung, das im ersten Zimmer eine Wand einnimmt. Er hat die Jungfrau als ein männlich starkes, kolossales, uerviges, schwarzgebrauutes Mädchen darge¬ stellt. Auf dem ersten Bilde findet sie das Schwert, das sie mit einer Faust ergreift, die gleich vor jeder idealischen Idee zurückbcben macht. Auf dem zweiten Bilde findet man sie zu Pferde inmitten der Schlacht, mordend und von der schrecklichsten Mordscene umgeben. Auf dem dritten Bilde steht sie auf dem Scheiterhaufen, der schon unter ihr angezündet ist, und blickt mit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/379
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/379>, abgerufen am 03.07.2024.