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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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gen Gesicht lachen gutmüthig ein Paar freundliche Augen hervor, während
sie aus ihren Lumpen die bittende Hand dem Vorübergehenden entgegenstrecken.
Diesen Frohsinn theilen mit ihnen die deutschen Besenhändlerinnen, -- diese
armen Rheinländerinnen mit ihren hölzernen Q-nahten, die ebenfalls hierher
komme", Gold regnen zu sehen; aber eine dritte Classe von Leidensgefähr¬
ten, deren Zahl sich täglich mehrend bald jede andere überschreiten wird,
sind die deutschen Gouvernanten, deren fehlgeschlagene Hoffnung sich jedem
ihrer Züge mit unverkennbarem Stempel ausdrückt, nud die doch lieber Ju¬
gend und Gesundheit der falschen Scham opfern, als eingestehen wollen,
daß sie sich getäuscht haben, daß in England keine Berge Goldes für solche
zu haben sind, die nicht ein gleiches Gewicht von Kenntnisse" in die andere
Waagschale legen können. Und ist das unbillig? - - Der Engländer kennt
den Werth des Geldes zu wohl, um es sür Nichts hinzugeben. Und wirklich
erscheint hier eine Fluth der traurigsten Geschöpfe, die nicht einmal ihre Mut¬
tersprache reden können, und suchen Anstellung und hohen Gewinn. Manche
derselben fanden bis jetzt noch in Irland ein Unterkomme", weil man dort
schon eher vorlieb nehmen muß und auch weniger mit dem Continent in
Berührung kommt, und daher die deutsche Sprache, die sie reden, nicht be¬
urtheilen kann. Jetzt aber hat dort Hungersnoth so viele Familien gezwun¬
gen, sich einzuschränken und von Lehrern und Diener" nur das Allernoth-
wendigste zu behalten, so daß außer einer neue" Einfuhr von Deutschland
nun auch noch alle von Irland Zurückkehrenden ein Unterkommen suchen. Hört
man uun, daß Director Julien jetzt in Dublin ist und Pischek in seinem
Gefolge ungefähr 20 Pfund den Abend verdient, so sollte man kaum glauben, daß
täglich eine gewisse Zahl Menschen dort Hungers sterben und dennoch die
Theater gefüllt siud; - doch ist es so! Und was trauriger ist, und weni¬
ger für die Menschheit sagt und weniger Hoffnung einer Abhülfe läßt, ist,
daß Graf Strelecky, der berühmte Reisende und Geograph, der ans eigenem
Antrieb und auf eigene Kosten nach Irland gegangen ist, um nachzusehen,
was sich thun lasse, berichtet: was von hier eingesandt werde, komme den
Hungernden weniger zu Gute, als daß es diejenigen bereichere, durch deren
Hände es gehe. Was läßt sich da noch thun? Indessen haben die armen
Jrländer ihren Weg nach Liverpool gefunden und dahin das Typhus Fie¬
ber gebracht und von da nach London. Hier aber, wo der Preis der Le
bensmittel täglich steigt und die Noth unter den Armen auch sehr groß si,in
soll, merkt man in den mittleren und höheren Klassen gleichfalls nichts von
einem solchen Stand der Dinge. Ja hätte die Königin nicht befohlen, daß
Jeder in ihrem Haushalte nur täglich ein Pfund Brod essen solle und das


gen Gesicht lachen gutmüthig ein Paar freundliche Augen hervor, während
sie aus ihren Lumpen die bittende Hand dem Vorübergehenden entgegenstrecken.
Diesen Frohsinn theilen mit ihnen die deutschen Besenhändlerinnen, — diese
armen Rheinländerinnen mit ihren hölzernen Q-nahten, die ebenfalls hierher
komme», Gold regnen zu sehen; aber eine dritte Classe von Leidensgefähr¬
ten, deren Zahl sich täglich mehrend bald jede andere überschreiten wird,
sind die deutschen Gouvernanten, deren fehlgeschlagene Hoffnung sich jedem
ihrer Züge mit unverkennbarem Stempel ausdrückt, nud die doch lieber Ju¬
gend und Gesundheit der falschen Scham opfern, als eingestehen wollen,
daß sie sich getäuscht haben, daß in England keine Berge Goldes für solche
zu haben sind, die nicht ein gleiches Gewicht von Kenntnisse» in die andere
Waagschale legen können. Und ist das unbillig? - - Der Engländer kennt
den Werth des Geldes zu wohl, um es sür Nichts hinzugeben. Und wirklich
erscheint hier eine Fluth der traurigsten Geschöpfe, die nicht einmal ihre Mut¬
tersprache reden können, und suchen Anstellung und hohen Gewinn. Manche
derselben fanden bis jetzt noch in Irland ein Unterkomme», weil man dort
schon eher vorlieb nehmen muß und auch weniger mit dem Continent in
Berührung kommt, und daher die deutsche Sprache, die sie reden, nicht be¬
urtheilen kann. Jetzt aber hat dort Hungersnoth so viele Familien gezwun¬
gen, sich einzuschränken und von Lehrern und Diener» nur das Allernoth-
wendigste zu behalten, so daß außer einer neue» Einfuhr von Deutschland
nun auch noch alle von Irland Zurückkehrenden ein Unterkommen suchen. Hört
man uun, daß Director Julien jetzt in Dublin ist und Pischek in seinem
Gefolge ungefähr 20 Pfund den Abend verdient, so sollte man kaum glauben, daß
täglich eine gewisse Zahl Menschen dort Hungers sterben und dennoch die
Theater gefüllt siud; - doch ist es so! Und was trauriger ist, und weni¬
ger für die Menschheit sagt und weniger Hoffnung einer Abhülfe läßt, ist,
daß Graf Strelecky, der berühmte Reisende und Geograph, der ans eigenem
Antrieb und auf eigene Kosten nach Irland gegangen ist, um nachzusehen,
was sich thun lasse, berichtet: was von hier eingesandt werde, komme den
Hungernden weniger zu Gute, als daß es diejenigen bereichere, durch deren
Hände es gehe. Was läßt sich da noch thun? Indessen haben die armen
Jrländer ihren Weg nach Liverpool gefunden und dahin das Typhus Fie¬
ber gebracht und von da nach London. Hier aber, wo der Preis der Le
bensmittel täglich steigt und die Noth unter den Armen auch sehr groß si,in
soll, merkt man in den mittleren und höheren Klassen gleichfalls nichts von
einem solchen Stand der Dinge. Ja hätte die Königin nicht befohlen, daß
Jeder in ihrem Haushalte nur täglich ein Pfund Brod essen solle und das


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[0377] gen Gesicht lachen gutmüthig ein Paar freundliche Augen hervor, während sie aus ihren Lumpen die bittende Hand dem Vorübergehenden entgegenstrecken. Diesen Frohsinn theilen mit ihnen die deutschen Besenhändlerinnen, — diese armen Rheinländerinnen mit ihren hölzernen Q-nahten, die ebenfalls hierher komme», Gold regnen zu sehen; aber eine dritte Classe von Leidensgefähr¬ ten, deren Zahl sich täglich mehrend bald jede andere überschreiten wird, sind die deutschen Gouvernanten, deren fehlgeschlagene Hoffnung sich jedem ihrer Züge mit unverkennbarem Stempel ausdrückt, nud die doch lieber Ju¬ gend und Gesundheit der falschen Scham opfern, als eingestehen wollen, daß sie sich getäuscht haben, daß in England keine Berge Goldes für solche zu haben sind, die nicht ein gleiches Gewicht von Kenntnisse» in die andere Waagschale legen können. Und ist das unbillig? - - Der Engländer kennt den Werth des Geldes zu wohl, um es sür Nichts hinzugeben. Und wirklich erscheint hier eine Fluth der traurigsten Geschöpfe, die nicht einmal ihre Mut¬ tersprache reden können, und suchen Anstellung und hohen Gewinn. Manche derselben fanden bis jetzt noch in Irland ein Unterkomme», weil man dort schon eher vorlieb nehmen muß und auch weniger mit dem Continent in Berührung kommt, und daher die deutsche Sprache, die sie reden, nicht be¬ urtheilen kann. Jetzt aber hat dort Hungersnoth so viele Familien gezwun¬ gen, sich einzuschränken und von Lehrern und Diener» nur das Allernoth- wendigste zu behalten, so daß außer einer neue» Einfuhr von Deutschland nun auch noch alle von Irland Zurückkehrenden ein Unterkommen suchen. Hört man uun, daß Director Julien jetzt in Dublin ist und Pischek in seinem Gefolge ungefähr 20 Pfund den Abend verdient, so sollte man kaum glauben, daß täglich eine gewisse Zahl Menschen dort Hungers sterben und dennoch die Theater gefüllt siud; - doch ist es so! Und was trauriger ist, und weni¬ ger für die Menschheit sagt und weniger Hoffnung einer Abhülfe läßt, ist, daß Graf Strelecky, der berühmte Reisende und Geograph, der ans eigenem Antrieb und auf eigene Kosten nach Irland gegangen ist, um nachzusehen, was sich thun lasse, berichtet: was von hier eingesandt werde, komme den Hungernden weniger zu Gute, als daß es diejenigen bereichere, durch deren Hände es gehe. Was läßt sich da noch thun? Indessen haben die armen Jrländer ihren Weg nach Liverpool gefunden und dahin das Typhus Fie¬ ber gebracht und von da nach London. Hier aber, wo der Preis der Le bensmittel täglich steigt und die Noth unter den Armen auch sehr groß si,in soll, merkt man in den mittleren und höheren Klassen gleichfalls nichts von einem solchen Stand der Dinge. Ja hätte die Königin nicht befohlen, daß Jeder in ihrem Haushalte nur täglich ein Pfund Brod essen solle und das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/377>, abgerufen am 22.07.2024.