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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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ter Arbeit, vermehrter Auslagen von Seiten der Reichen zum Besten
der Armen.

Damals klagten ihn die Organe der Regierung als einen "Alarmisten" an.
So geht es eben. Das Feuer brannte erst in den verschlossensten Gemächern
der Gesellschaft, in den Kellerwohnungen des Elends -- der Poet sah es dort;
^ die praktischen Leute, die stolzen Geschäftsmänner, "im8int"s no^le," merk¬
ten es erst, als die Flamme lichterloh zu den Fenstern der Prunkgemächer in
den höhern Stockwerken hinausschlug.

Und was thaten dann die "praktischen" Leute? Sie standen wie die Och¬
sen am Berge und glotzten sich die ungewöhnliche Erscheinung an. Unter allen
Leuten, die auf die "Poeten", die die Zukunft ahnden, mit Stolz herabsehen,
sind die Engländer die aller praktischsten, lind die Times ist die einflußreichste,
werkthätigste und klügste unter alle" Zeitungen dieser klugen Leute. Vor ein
paar Tagen (>:;. Mai) belehrte uns dies Blatt, daß heute jegliche Hülfe zu
spät kommen werde. "Jeder Versuch der Gesetzgebung oder der Regierung
im Mai, den Mangel des vorhergehenden Augusts zu ersetzen und die gegenwär¬
tigen Folgen eines Irrthums des Jahrhunderts wieder gut zu machen, kaun kaum
etwas Anderes zur Folge haben, als Täuschung und möglicher Weise Unordnung.
ES ist zu spät, in alten Tagen die Irrthümer der Jugend wieder gut zu ma¬
chen; und es ist zu spät, acht Mouate nach der Ernte Schritte zu
thun, die wenigstens acht Monate vorher hätten gethan werden
müssen."

Und warum habt Ihr sic nicht acht Monate vorher gethan? Warum haben
die praktischen Leute Nichts davon geahndet, was die unpraktischen Poeten so klar
vorhersehen, so offen vorhersagten?

Die Antwort ist nicht schwer zu finden. Und sie steht sehr klar in demsel¬
ben Artikel, der so "naiv" die Verblüfftheit der hohen und weisen Praktiker
an den Tag legt. In demselben Artikel heißt es sehr klar und unverhohlen:
"Irland lastet noch sür vier Monate aus unsern Schultern. Wir können unsere
Wohlthaten nicht länger fortsetze", ohne daß wir selbst darunter leiden wer¬
den; denn Alles, was wir sür die Nothdurft Anderer hingeben,
muß von unserm eigenen verhältnißmäßigen Ueberflusse (ii^bun-
clnnvo) abgezogen werden." Und in diesen paar Linien liegt die Antwort
auf die obige Frage. Sic heißt: Sic haben kein Herz sür Andere, sic denken
und suhlen nur, was sic selbst berührt, sie find so praktisch, daß -- sie den
Brand in den Kellerlöchern des Elends nicht sehen, als bis er die Treppe an¬
greift, die zu den stolzen Gemächern des ersten Stockes führt.

Der Poet sagte: Die Noth ist groß -- deswegen wollen wir freigebig
sein, wollen Alles ausgeben,-was wir immer können, mehr als je verzehren,
mehr denn den besten.Jahren arbeiten lassen, damit die Arbeiter Geld ge-
winnen zum Brodenvcrb. Fürwahr, in dieser Ansicht liegt Rettung, vielleicht
die einzige. Aber sie ist nicht die der praktischen -- Ochsen, die verblüfft am
Berge stehen. Die Times schließt den Beutel und sagt: "Alles, was wir sür


Grcnziu'den. II. 1"47. 4g

ter Arbeit, vermehrter Auslagen von Seiten der Reichen zum Besten
der Armen.

Damals klagten ihn die Organe der Regierung als einen „Alarmisten" an.
So geht es eben. Das Feuer brannte erst in den verschlossensten Gemächern
der Gesellschaft, in den Kellerwohnungen des Elends — der Poet sah es dort;
^ die praktischen Leute, die stolzen Geschäftsmänner, „im8int«s no^le," merk¬
ten es erst, als die Flamme lichterloh zu den Fenstern der Prunkgemächer in
den höhern Stockwerken hinausschlug.

Und was thaten dann die „praktischen" Leute? Sie standen wie die Och¬
sen am Berge und glotzten sich die ungewöhnliche Erscheinung an. Unter allen
Leuten, die auf die „Poeten", die die Zukunft ahnden, mit Stolz herabsehen,
sind die Engländer die aller praktischsten, lind die Times ist die einflußreichste,
werkthätigste und klügste unter alle» Zeitungen dieser klugen Leute. Vor ein
paar Tagen (>:;. Mai) belehrte uns dies Blatt, daß heute jegliche Hülfe zu
spät kommen werde. „Jeder Versuch der Gesetzgebung oder der Regierung
im Mai, den Mangel des vorhergehenden Augusts zu ersetzen und die gegenwär¬
tigen Folgen eines Irrthums des Jahrhunderts wieder gut zu machen, kaun kaum
etwas Anderes zur Folge haben, als Täuschung und möglicher Weise Unordnung.
ES ist zu spät, in alten Tagen die Irrthümer der Jugend wieder gut zu ma¬
chen; und es ist zu spät, acht Mouate nach der Ernte Schritte zu
thun, die wenigstens acht Monate vorher hätten gethan werden
müssen."

Und warum habt Ihr sic nicht acht Monate vorher gethan? Warum haben
die praktischen Leute Nichts davon geahndet, was die unpraktischen Poeten so klar
vorhersehen, so offen vorhersagten?

Die Antwort ist nicht schwer zu finden. Und sie steht sehr klar in demsel¬
ben Artikel, der so „naiv" die Verblüfftheit der hohen und weisen Praktiker
an den Tag legt. In demselben Artikel heißt es sehr klar und unverhohlen:
„Irland lastet noch sür vier Monate aus unsern Schultern. Wir können unsere
Wohlthaten nicht länger fortsetze», ohne daß wir selbst darunter leiden wer¬
den; denn Alles, was wir sür die Nothdurft Anderer hingeben,
muß von unserm eigenen verhältnißmäßigen Ueberflusse (ii^bun-
clnnvo) abgezogen werden." Und in diesen paar Linien liegt die Antwort
auf die obige Frage. Sic heißt: Sic haben kein Herz sür Andere, sic denken
und suhlen nur, was sic selbst berührt, sie find so praktisch, daß — sie den
Brand in den Kellerlöchern des Elends nicht sehen, als bis er die Treppe an¬
greift, die zu den stolzen Gemächern des ersten Stockes führt.

Der Poet sagte: Die Noth ist groß — deswegen wollen wir freigebig
sein, wollen Alles ausgeben,-was wir immer können, mehr als je verzehren,
mehr denn den besten.Jahren arbeiten lassen, damit die Arbeiter Geld ge-
winnen zum Brodenvcrb. Fürwahr, in dieser Ansicht liegt Rettung, vielleicht
die einzige. Aber sie ist nicht die der praktischen — Ochsen, die verblüfft am
Berge stehen. Die Times schließt den Beutel und sagt: „Alles, was wir sür


Grcnziu'den. II. 1«47. 4g
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/357>, abgerufen am 03.07.2024.