Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.der mangelhaften Technik einer ungebildeten Zeit natürlich war, nun durch Wenn man jene besondere Art der niederländischen Malerei genauer Die Zeit, die er vorzugsweise schildert, ist die ehrsame Periode der In diese närrisch wehmüthigen Geschichten spielt noch ein zweites Le¬
In der Schaubühne, die Arnim herausgab, besteht der größte Theil der mangelhaften Technik einer ungebildeten Zeit natürlich war, nun durch Wenn man jene besondere Art der niederländischen Malerei genauer Die Zeit, die er vorzugsweise schildert, ist die ehrsame Periode der In diese närrisch wehmüthigen Geschichten spielt noch ein zweites Le¬
In der Schaubühne, die Arnim herausgab, besteht der größte Theil <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272238"/> <p xml:id="ID_1178" prev="#ID_1177"> der mangelhaften Technik einer ungebildeten Zeit natürlich war, nun durch<lb/> Reflexion wieder hervorruft!</p><lb/> <p xml:id="ID_1179"> Wenn man jene besondere Art der niederländischen Malerei genauer<lb/> ansieht, wo gemeine Volksscenen und heilige Wundergeschichten sich in ein¬<lb/> ander verweben, wo also ein Eindruck den andern aufhebt, so hat man un¬<lb/> gefähr die Weise der Arnim'schen Erzählung. Es ist ein gewisser Humor,<lb/> nur daß der humoristische Maler sich doch eigentlich über die Erschei¬<lb/> nungen erhebt, die er abbildet, und von seinein höhern Standpunkt aus<lb/> die scheinbaren Gegensätze in einanderschmelzen ließ, während Arnim sich<lb/> künstlich die Augen verbindet, und in dem Labyrinth seiner Erinnerungen<lb/> und Träume herumtappt, ohne irgend einen Faden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1180"> Die Zeit, die er vorzugsweise schildert, ist die ehrsame Periode der<lb/> Zünfte; sein auserwähltes Volk sind die Holländer, deren närrisch verstän¬<lb/> diger Sinn, deren Detailempfindnng und Beschäftigung sich für einen sol¬<lb/> chen Humor am meisten eignen. Die beiden Erzählungen „Holländische<lb/> Liebhaber" und „Die drei schonen Schwestern und der glück¬<lb/> liche Färber", geben uns das beste Bild dieser humoristisch grotesken<lb/> Anschauungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1181"> In diese närrisch wehmüthigen Geschichten spielt noch ein zweites Le¬<lb/> ben, ein Traum- oder Geisterreich hinein, eine Dämmerung, die sich mit<lb/> der Realität nicht recht vermischt, und doch nicht von ihr scheidet; eine Ly¬<lb/> rik, die den trockensten Calcül eines reflectirenden Verstandes mit den wil¬<lb/> desten Sprüngen einer abstracten Phantasie vereinigt. Wie in den Opern,<lb/> fangen in diesen Novellen die Figuren, wenn sie irgend wie erregt werden,<lb/> sofort an zu singen, und zwar wie in einer Arie, in unmittelbarer Beziehung<lb/> auf das vorliegende Ereignis;. Hier ein Pröbchen von dieser Lyrik.</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_10" type="poem"> <l> Kalte Hände, warmes Herz,<lb/> Hab' ich wohl empfunden,<lb/> Nahe Thränen, fernen Schmerz<lb/> In den Abschiedsstunden;<lb/> In der Hände letzten Druck<lb/> Froren sie zusammen;<lb/> Doch das Herz war heiß genug,<lb/> Löste sie in Flammen.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1182" next="#ID_1183"> In der Schaubühne, die Arnim herausgab, besteht der größte Theil<lb/> aus Puppenspielen, in der Manier der alten Hanswurststücke zusammenge¬<lb/> drechselt: „Jans erster und zweiter Dienst"; „Das Loch oder<lb/> das wiedergefundene Paradies"; „Herr Hanrei"; „Jemand<lb/> und Niemand" u.s. w. Es hat Jeder in seinem Leben Augenblicke, wo er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0339]
der mangelhaften Technik einer ungebildeten Zeit natürlich war, nun durch
Reflexion wieder hervorruft!
Wenn man jene besondere Art der niederländischen Malerei genauer
ansieht, wo gemeine Volksscenen und heilige Wundergeschichten sich in ein¬
ander verweben, wo also ein Eindruck den andern aufhebt, so hat man un¬
gefähr die Weise der Arnim'schen Erzählung. Es ist ein gewisser Humor,
nur daß der humoristische Maler sich doch eigentlich über die Erschei¬
nungen erhebt, die er abbildet, und von seinein höhern Standpunkt aus
die scheinbaren Gegensätze in einanderschmelzen ließ, während Arnim sich
künstlich die Augen verbindet, und in dem Labyrinth seiner Erinnerungen
und Träume herumtappt, ohne irgend einen Faden.
Die Zeit, die er vorzugsweise schildert, ist die ehrsame Periode der
Zünfte; sein auserwähltes Volk sind die Holländer, deren närrisch verstän¬
diger Sinn, deren Detailempfindnng und Beschäftigung sich für einen sol¬
chen Humor am meisten eignen. Die beiden Erzählungen „Holländische
Liebhaber" und „Die drei schonen Schwestern und der glück¬
liche Färber", geben uns das beste Bild dieser humoristisch grotesken
Anschauungen.
In diese närrisch wehmüthigen Geschichten spielt noch ein zweites Le¬
ben, ein Traum- oder Geisterreich hinein, eine Dämmerung, die sich mit
der Realität nicht recht vermischt, und doch nicht von ihr scheidet; eine Ly¬
rik, die den trockensten Calcül eines reflectirenden Verstandes mit den wil¬
desten Sprüngen einer abstracten Phantasie vereinigt. Wie in den Opern,
fangen in diesen Novellen die Figuren, wenn sie irgend wie erregt werden,
sofort an zu singen, und zwar wie in einer Arie, in unmittelbarer Beziehung
auf das vorliegende Ereignis;. Hier ein Pröbchen von dieser Lyrik.
Kalte Hände, warmes Herz,
Hab' ich wohl empfunden,
Nahe Thränen, fernen Schmerz
In den Abschiedsstunden;
In der Hände letzten Druck
Froren sie zusammen;
Doch das Herz war heiß genug,
Löste sie in Flammen.
In der Schaubühne, die Arnim herausgab, besteht der größte Theil
aus Puppenspielen, in der Manier der alten Hanswurststücke zusammenge¬
drechselt: „Jans erster und zweiter Dienst"; „Das Loch oder
das wiedergefundene Paradies"; „Herr Hanrei"; „Jemand
und Niemand" u.s. w. Es hat Jeder in seinem Leben Augenblicke, wo er
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