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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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wünschen lassen, die Zahl der Opfer nicht zu vergrößern." Die Tissowskysche
Angelegenheit gibt Sachsen ein Recht zu einer ähnlichen Behauptung. Es
hat der österreichischen Regierung deu großen Dienst geleistet, es hat ihm
einen weithinhaltendcn Act der Strenge erspart, es hat ihm Gelegenheit
gegeben, sich versöhnlich und mild zu zeigen. Warum erschwert man Sachsen
bei andern Gelegenheiten diese Ausübung seiner souveränen Macht? Es
geht das Gerücht, Preußen beautrage bei der sächsischen Negierung eine Ver¬
ordnung gegen die Ansiedelung fremder Schriftsteller. Es ist ein Gerücht -
aber ein nicht unwahrscheinliches. Wird Sachsen, das zum Nachtheile seines
großen Büchermarktes ohnehin so bedeutende Concessionen seiner Großnach¬
barn macht, auch hierin sich nachgiebig zeigen? Als ein gutes Symptom ist
zu bemerken, daß der Ansiedelung des Professor Fröbel aus Zürich, der in
diesem Winter nach Dresden überzog, nach einigen anfänglichen Schwierig¬
keiten keine weitern Hindernisse in den Weg gelegt wurden.

Sieht man zurück auf die letzten Wintermonate, so tauchen ans dein
weißen Schnee, der diesmal hartnäckiger als je die Giebel und Straßen be¬
deckt hielt, wenig Punkte hervor, nach denen man die Monotonie der abge¬
laufenen Zeit abtheilen könnte. In Politik sahen wir den Landtag sich
langsam und langweilig durch eine Wust von Zahlen durcharbeiten die von
großen Localen aber ohne alles politische Interesse sind. Dramatisch wurde
er nnr einen Augenblick, als der heißköpfige Viccpräsideut plötzlich eine
persönliche Uebereilung zu einer politischen Frage erhob, und in sehr
"nparlamcntarischer Gereiztheit der Versammlung mit seinem Ausbleiben
drohte und die Sitzung aufhob. Herr von Thiclan ist ein Mann von
ebenso viel Talent als unzeitiger Leidenschaft, und gerade Männer,
wie er, dienen als schlagender Beweis sür den Werth und die Noth¬
wendigkeit der Oeffentlichkeit der Verhandlungen. In einem uncvnstitntio-
nellen Staat wäre Herr von Thiclan vielleicht zu einem hohen Vcrwaltungs-
Pvsten berufen gewesen, er würde seines Talentes willen im Lande als ein
unersetzlicher Mann, als ein Staatsmann von großem Verdienst ausgc-
sthrien sein, während doch im Stillen seiner Leidenschaftlichkeit tägliche Opfer
fallen würden. Ein Mann, der schon in der Kammer, die doch zur Debatte
da ist, bei jedem Widersprich gereizt ist, wie wird er im Dienste den Wi¬
derspruch unberechtigter Parteien ertragen? Wenn man die deutsche Bccuu-
tenwclt durchmustern möchte, da würden sich der Art Beispiele genug finden --
nicht blos in der Verwaltung, sondern auch in der Magistratur; die Oef¬
fentlichkeit allein ist's, die den Mann zwingt nicht blos Talent und Kennt¬
nisse zu haben, sondern anch -- gerecht zu sein,


wünschen lassen, die Zahl der Opfer nicht zu vergrößern." Die Tissowskysche
Angelegenheit gibt Sachsen ein Recht zu einer ähnlichen Behauptung. Es
hat der österreichischen Regierung deu großen Dienst geleistet, es hat ihm
einen weithinhaltendcn Act der Strenge erspart, es hat ihm Gelegenheit
gegeben, sich versöhnlich und mild zu zeigen. Warum erschwert man Sachsen
bei andern Gelegenheiten diese Ausübung seiner souveränen Macht? Es
geht das Gerücht, Preußen beautrage bei der sächsischen Negierung eine Ver¬
ordnung gegen die Ansiedelung fremder Schriftsteller. Es ist ein Gerücht -
aber ein nicht unwahrscheinliches. Wird Sachsen, das zum Nachtheile seines
großen Büchermarktes ohnehin so bedeutende Concessionen seiner Großnach¬
barn macht, auch hierin sich nachgiebig zeigen? Als ein gutes Symptom ist
zu bemerken, daß der Ansiedelung des Professor Fröbel aus Zürich, der in
diesem Winter nach Dresden überzog, nach einigen anfänglichen Schwierig¬
keiten keine weitern Hindernisse in den Weg gelegt wurden.

Sieht man zurück auf die letzten Wintermonate, so tauchen ans dein
weißen Schnee, der diesmal hartnäckiger als je die Giebel und Straßen be¬
deckt hielt, wenig Punkte hervor, nach denen man die Monotonie der abge¬
laufenen Zeit abtheilen könnte. In Politik sahen wir den Landtag sich
langsam und langweilig durch eine Wust von Zahlen durcharbeiten die von
großen Localen aber ohne alles politische Interesse sind. Dramatisch wurde
er nnr einen Augenblick, als der heißköpfige Viccpräsideut plötzlich eine
persönliche Uebereilung zu einer politischen Frage erhob, und in sehr
»nparlamcntarischer Gereiztheit der Versammlung mit seinem Ausbleiben
drohte und die Sitzung aufhob. Herr von Thiclan ist ein Mann von
ebenso viel Talent als unzeitiger Leidenschaft, und gerade Männer,
wie er, dienen als schlagender Beweis sür den Werth und die Noth¬
wendigkeit der Oeffentlichkeit der Verhandlungen. In einem uncvnstitntio-
nellen Staat wäre Herr von Thiclan vielleicht zu einem hohen Vcrwaltungs-
Pvsten berufen gewesen, er würde seines Talentes willen im Lande als ein
unersetzlicher Mann, als ein Staatsmann von großem Verdienst ausgc-
sthrien sein, während doch im Stillen seiner Leidenschaftlichkeit tägliche Opfer
fallen würden. Ein Mann, der schon in der Kammer, die doch zur Debatte
da ist, bei jedem Widersprich gereizt ist, wie wird er im Dienste den Wi¬
derspruch unberechtigter Parteien ertragen? Wenn man die deutsche Bccuu-
tenwclt durchmustern möchte, da würden sich der Art Beispiele genug finden —
nicht blos in der Verwaltung, sondern auch in der Magistratur; die Oef¬
fentlichkeit allein ist's, die den Mann zwingt nicht blos Talent und Kennt¬
nisse zu haben, sondern anch — gerecht zu sein,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/29>, abgerufen am 22.07.2024.