Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.Noch härter, weil mit religiösen Idee" verwebt, entwickelte sich die Noch härter, weil mit religiösen Idee» verwebt, entwickelte sich die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272188"/> <p xml:id="ID_1046" next="#ID_1047"> Noch härter, weil mit religiösen Idee» verwebt, entwickelte sich die<lb/> königliche Gewalt in England; eben darum aber erfolgte hier der Ausbruch<lb/> der unterdrückten Kräfte früher. Die Republik beginnt damit, die rationelle<lb/> Auffassung des Staats in weitester Konsequenz zu entwickeln und führt end¬<lb/> lich zur Gewalt des Protectors, einer Monarchie, nicht wie die französische<lb/> ans Erweiterung landesherrlicher Befugnisse gegründet, sondern ein Ergebniß<lb/> der Auslösung der alten Stände zu einem Volk, lind doch hatte sie keine<lb/> Haltung; nur die Militärmacht stützte sie. Das Land sehnte sich nach Ruhe;<lb/> unter dem Jubel des Volks zog der König wieder in London ein, und mit<lb/> ihm kam die Wollust und Hoffärtigkeit, die Frivolität und die Cavalierweise,<lb/> wie man sie in Frankreich gelernt hatte. Der König sah nicht, daß die<lb/> Umwandlung des gauzeu englischen Bolksthnms wider ihn war. Wenn der<lb/> Kampf gegen das Königthum auch von particulären Interessen geleitet wurde,<lb/> so war doch ebeu in diesen particulären Interessen die Kraft des Volkes.<lb/> Der Staat von U>et'.> war nicht eine bloße Wiederherstellung der alten<lb/> Rechte und Freiheiten, denn diese Verfassungsformen stammten aus einer<lb/> Zeit, in der auch noch nicht eine Ahnung von der Machtentwickelung des<lb/> Staates und der bürgerlichen Verhältnisse war, welche seit der Zeit der<lb/> Reformation auch in England begonnen hatte. Mittelalterliche Verfassungs-<lb/> formen sollten nun die Träger moderner Staatsverhältnisse werden; die alt¬<lb/> herkömmliche ständische Vertretung ward dafür ausgegeben, eine Volksreprä¬<lb/> sentation zu sein. Ueberall ward man zu Ausweitungen der allgewohnter<lb/> Verstattungen getrieben, in denen diese selbst ihr Wesen verwandelten; zu<lb/> rechtlichen und politischen Fictionen, welche jede rationelle Betrachtung scheuen<lb/> und zurückweisen müßten; und indem man überall annahm, nnr die alten<lb/> Rechte und Freiheiten zu handhaben, mußte man durch die Willkür in ihrer<lb/> Deutung und Anwendung den Maugel eines lebendig neugestaltenden Prinzips<lb/> ersetzen. Der Mangel staatlicher Organisation hatte es sonst den Gemeinden<lb/> sich selbst zu verwalten überlassen müssen; nun bethätigte sich in dem seil-<lb/> ^ovkriiemeiil. die ganze Kraft dieses erstarkten Bürgertyums, und das eben<lb/> in der Zeit, wo der Continent tief und tiefer in die Polizeilichkeit und den<lb/> Regierungsmechanismns versank. Die alte Dürftigkeit richterlicher Institu¬<lb/> tionen wurde die Quelle jener wundervollen Ausbildung der Jury. Es ent¬<lb/> wickelte sich aus der Anerkennung der persönlichen Freiheit jene Leben¬<lb/> digkeit der sozialen Verhältnisse, aus der Freiheit der Presse jene wachsende<lb/> Vertretung selbstständiger politischer Ueberzeugung, jene ungeheure Macht<lb/> der öffentlichen Meinung, welche das allezeit sichere Mittel ward, mit dem<lb/> Geist der nationalen Entwickelung und der Fülle errungener Einsichten</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0289]
Noch härter, weil mit religiösen Idee» verwebt, entwickelte sich die
königliche Gewalt in England; eben darum aber erfolgte hier der Ausbruch
der unterdrückten Kräfte früher. Die Republik beginnt damit, die rationelle
Auffassung des Staats in weitester Konsequenz zu entwickeln und führt end¬
lich zur Gewalt des Protectors, einer Monarchie, nicht wie die französische
ans Erweiterung landesherrlicher Befugnisse gegründet, sondern ein Ergebniß
der Auslösung der alten Stände zu einem Volk, lind doch hatte sie keine
Haltung; nur die Militärmacht stützte sie. Das Land sehnte sich nach Ruhe;
unter dem Jubel des Volks zog der König wieder in London ein, und mit
ihm kam die Wollust und Hoffärtigkeit, die Frivolität und die Cavalierweise,
wie man sie in Frankreich gelernt hatte. Der König sah nicht, daß die
Umwandlung des gauzeu englischen Bolksthnms wider ihn war. Wenn der
Kampf gegen das Königthum auch von particulären Interessen geleitet wurde,
so war doch ebeu in diesen particulären Interessen die Kraft des Volkes.
Der Staat von U>et'.> war nicht eine bloße Wiederherstellung der alten
Rechte und Freiheiten, denn diese Verfassungsformen stammten aus einer
Zeit, in der auch noch nicht eine Ahnung von der Machtentwickelung des
Staates und der bürgerlichen Verhältnisse war, welche seit der Zeit der
Reformation auch in England begonnen hatte. Mittelalterliche Verfassungs-
formen sollten nun die Träger moderner Staatsverhältnisse werden; die alt¬
herkömmliche ständische Vertretung ward dafür ausgegeben, eine Volksreprä¬
sentation zu sein. Ueberall ward man zu Ausweitungen der allgewohnter
Verstattungen getrieben, in denen diese selbst ihr Wesen verwandelten; zu
rechtlichen und politischen Fictionen, welche jede rationelle Betrachtung scheuen
und zurückweisen müßten; und indem man überall annahm, nnr die alten
Rechte und Freiheiten zu handhaben, mußte man durch die Willkür in ihrer
Deutung und Anwendung den Maugel eines lebendig neugestaltenden Prinzips
ersetzen. Der Mangel staatlicher Organisation hatte es sonst den Gemeinden
sich selbst zu verwalten überlassen müssen; nun bethätigte sich in dem seil-
^ovkriiemeiil. die ganze Kraft dieses erstarkten Bürgertyums, und das eben
in der Zeit, wo der Continent tief und tiefer in die Polizeilichkeit und den
Regierungsmechanismns versank. Die alte Dürftigkeit richterlicher Institu¬
tionen wurde die Quelle jener wundervollen Ausbildung der Jury. Es ent¬
wickelte sich aus der Anerkennung der persönlichen Freiheit jene Leben¬
digkeit der sozialen Verhältnisse, aus der Freiheit der Presse jene wachsende
Vertretung selbstständiger politischer Ueberzeugung, jene ungeheure Macht
der öffentlichen Meinung, welche das allezeit sichere Mittel ward, mit dem
Geist der nationalen Entwickelung und der Fülle errungener Einsichten
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |