Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.ratur und knüpft sie an den Hof. Es gilt ihm, alle Kräfte, alles Leben, Ludwig XIV. weiß auch die Religion in den Dienst der Majestät zu ratur und knüpft sie an den Hof. Es gilt ihm, alle Kräfte, alles Leben, Ludwig XIV. weiß auch die Religion in den Dienst der Majestät zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272187"/> <p xml:id="ID_1044" prev="#ID_1043"> ratur und knüpft sie an den Hof. Es gilt ihm, alle Kräfte, alles Leben,<lb/> alles Recht an die Krone zu fesseln. Gegen die überwuchernde Fülle von<lb/> Privatinteressen, von Staudesrechten, welche in dem ständischen Staate das<lb/> Regiment führen, macht er das Allgemeine des Staats geltend; mit derselben<lb/> Sicherheit und Gewißheit erfaßt er die auswärtigen Verhältnisse; ihn irrt<lb/> seine Rücksicht; weder die Kirche, noch Verwandtschaft, noch sonst ein Inter¬<lb/> esse darf sich neben dein des Staates geltend machen; zwischen den Haß der<lb/> Parteien, in den Lärm des Kampfes tritt er wie ein nüchterner zwischen die<lb/> Trunkenen; mit ihm erringt die Politik den Sieg über die Religion, die<lb/> Monarchie den Sieg über die Stände.</p><lb/> <p xml:id="ID_1045"> Ludwig XIV. weiß auch die Religion in den Dienst der Majestät zu<lb/> ziehen. „Alle Mittel der Gewalt," schreibt er, „würden unsern Thron nicht<lb/> sichern, wenn nicht Jeder eine höhere göttliche Macht verehrte, deren die<lb/> unsere ein Theil ist." Alles muß diene», diese Macht zu erhöhen, in Alles<lb/> reicht sie mit ihren Ansprüchen; Alles beherrscht sie mit ihrer centralisirten<lb/> Gewalt, mit ihrer umfassenden Polizei, ihren zahllosen Beamten, ihren uni-<lb/> formirten, allzeit schlagfertigen Heeren. Wie er will, hemmt dieser Monarch<lb/> den Lauf der Justiz; er gebietet über Gut und Blut seiner Unterthanen; vor<lb/> ihm gilt kein Unterschied der Personen und Sachen; Alles ist sein. — Nur<lb/> freilich, dieser Allmächtige ist ebeu doch uur ein Mensch und aller mensch¬<lb/> lichen Schwäche und Entartung um so mehr ausgesetzt, je weniger Schranken<lb/> da sind, die ihn hemmen, je bereiter Alles ist, seineu Schwächen zu dienen.<lb/> Es kommt Alles darauf an, daß der Schein bleibe und herrsche. Gleichsam<lb/> äußerlich, eigenwillig, durchaus conventionell wurden Forum belebt und<lb/> geltend gemacht, ohne welche nichts schön, anständig, erlaubt erschien. Bis<lb/> in das Einzelne der Sprache, der Gewohnheit, des Benehmens beugte man<lb/> sich dieser conventionellen Willkür — Ludwig XIV. Hof war das Ideal,<lb/> dem die Fürsten Europa's nachzueifern suchten. Nach seinem Muster sam¬<lb/> melten sie den Adel um sich her, ihm allem gewährten sie Hvffähigteit.<lb/> Durch ganz Europa hin mit einander in Beziehung durch Ambassaden und<lb/> Orden und Hofämter, zu denen der Adel allein befähigt war, durch Hei-<lb/> rathen und Ritterschaften, vereinigt durch die gemeinsame höfische Bildung,<lb/> durch die französische Sprache, bildete sich gleichsam eine eigene nulla, as<lb/> «juillitv, welche sich von ganz anderem Blut wußte als den gemeinen Mann,<lb/> welche ihre eigene Moral besaß und namentlich in der Ehre und dem guten<lb/> Ton die einzigen sittlichen Ansprüche erkannte, welche eine cavaliermäßige<lb/> Erziehung zu befriedigen habe. Der Staat war so zu sagen außer dem<lb/> Volk, war eine Macht, der das Volk nur als füllende Masse diente.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0288]
ratur und knüpft sie an den Hof. Es gilt ihm, alle Kräfte, alles Leben,
alles Recht an die Krone zu fesseln. Gegen die überwuchernde Fülle von
Privatinteressen, von Staudesrechten, welche in dem ständischen Staate das
Regiment führen, macht er das Allgemeine des Staats geltend; mit derselben
Sicherheit und Gewißheit erfaßt er die auswärtigen Verhältnisse; ihn irrt
seine Rücksicht; weder die Kirche, noch Verwandtschaft, noch sonst ein Inter¬
esse darf sich neben dein des Staates geltend machen; zwischen den Haß der
Parteien, in den Lärm des Kampfes tritt er wie ein nüchterner zwischen die
Trunkenen; mit ihm erringt die Politik den Sieg über die Religion, die
Monarchie den Sieg über die Stände.
Ludwig XIV. weiß auch die Religion in den Dienst der Majestät zu
ziehen. „Alle Mittel der Gewalt," schreibt er, „würden unsern Thron nicht
sichern, wenn nicht Jeder eine höhere göttliche Macht verehrte, deren die
unsere ein Theil ist." Alles muß diene», diese Macht zu erhöhen, in Alles
reicht sie mit ihren Ansprüchen; Alles beherrscht sie mit ihrer centralisirten
Gewalt, mit ihrer umfassenden Polizei, ihren zahllosen Beamten, ihren uni-
formirten, allzeit schlagfertigen Heeren. Wie er will, hemmt dieser Monarch
den Lauf der Justiz; er gebietet über Gut und Blut seiner Unterthanen; vor
ihm gilt kein Unterschied der Personen und Sachen; Alles ist sein. — Nur
freilich, dieser Allmächtige ist ebeu doch uur ein Mensch und aller mensch¬
lichen Schwäche und Entartung um so mehr ausgesetzt, je weniger Schranken
da sind, die ihn hemmen, je bereiter Alles ist, seineu Schwächen zu dienen.
Es kommt Alles darauf an, daß der Schein bleibe und herrsche. Gleichsam
äußerlich, eigenwillig, durchaus conventionell wurden Forum belebt und
geltend gemacht, ohne welche nichts schön, anständig, erlaubt erschien. Bis
in das Einzelne der Sprache, der Gewohnheit, des Benehmens beugte man
sich dieser conventionellen Willkür — Ludwig XIV. Hof war das Ideal,
dem die Fürsten Europa's nachzueifern suchten. Nach seinem Muster sam¬
melten sie den Adel um sich her, ihm allem gewährten sie Hvffähigteit.
Durch ganz Europa hin mit einander in Beziehung durch Ambassaden und
Orden und Hofämter, zu denen der Adel allein befähigt war, durch Hei-
rathen und Ritterschaften, vereinigt durch die gemeinsame höfische Bildung,
durch die französische Sprache, bildete sich gleichsam eine eigene nulla, as
«juillitv, welche sich von ganz anderem Blut wußte als den gemeinen Mann,
welche ihre eigene Moral besaß und namentlich in der Ehre und dem guten
Ton die einzigen sittlichen Ansprüche erkannte, welche eine cavaliermäßige
Erziehung zu befriedigen habe. Der Staat war so zu sagen außer dem
Volk, war eine Macht, der das Volk nur als füllende Masse diente.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |