Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.Tänzerin hatte die Fenella gliederpuppcnartig verarbeitet, die unvermeidliche Mad. Durch Schaden wird man klug; durch Mißgriffe früherer Direction belehret, V. A"S Galizien. Schreiben eines Deutschen über die Nothzustände. -- Fcohnbauern und Freie. -- Zur Charakteristik des galizischen Volks. Um Ihnen einen Blick in die Zustände unserer Volksklassen zu eröffnen "Wie herzerschütternd, ja grauenhaft das Elend meiner Umgebung sich dar¬ *) Das Brod, von dem ich der geehrten Redaction einige Stückchen sende, besteht
aus Hafer sammt der Spreu, aus gestoßenem Hcmfsaamen und aus Blättern, und sieht ähnlicher einem Stück Pfcrdekoth als einer Menschennahrung, <><>> einem Brode, dieser Gottesgabe, wie das Volk es oft zu nennen pflegt. Tänzerin hatte die Fenella gliederpuppcnartig verarbeitet, die unvermeidliche Mad. Durch Schaden wird man klug; durch Mißgriffe früherer Direction belehret, V. A„S Galizien. Schreiben eines Deutschen über die Nothzustände. — Fcohnbauern und Freie. — Zur Charakteristik des galizischen Volks. Um Ihnen einen Blick in die Zustände unserer Volksklassen zu eröffnen „Wie herzerschütternd, ja grauenhaft das Elend meiner Umgebung sich dar¬ *) Das Brod, von dem ich der geehrten Redaction einige Stückchen sende, besteht
aus Hafer sammt der Spreu, aus gestoßenem Hcmfsaamen und aus Blättern, und sieht ähnlicher einem Stück Pfcrdekoth als einer Menschennahrung, <><>> einem Brode, dieser Gottesgabe, wie das Volk es oft zu nennen pflegt. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0279" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272178"/> <p xml:id="ID_1007" prev="#ID_1006"> Tänzerin hatte die Fenella gliederpuppcnartig verarbeitet, die unvermeidliche Mad.<lb/> Hoffmann sang Essig dazu, das gcdrängtvolle Haus tobte, zischte und pfiff, — mit<lb/> Noth spielte die Oper zu Ende; wahrlich solche Belustigungen könnten wir wohl<lb/> auch ohne den Zuschuß von I0W Fr. habe», und über die Langmuth der In¬<lb/> tendanz ist sich zu wundern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1008"> Durch Schaden wird man klug; durch Mißgriffe früherer Direction belehret,<lb/> welche sich in Rcbcnspeculationcn eingelassen, und das Ziegelbrennen mit Vorliebe<lb/> betrieben, ward in dein neue"n Contracte bedungen, der Director dürft niemals<lb/> Ziegelbrcnner werden; das nächste Mal wird bedungen werden müssen, der Direk¬<lb/> tor dürfe keine Sängerin zur Frau haben, wenigstens keine Mad. Hoffmann,<lb/> welcher wir rathen mochten, in Zukunft die Rolle der Stummen zu übernehmen,<lb/> ohnehin ist's die Titelrolle, und ans diese hat sie das nächste Anrecht als Di-<lb/> rectrice.</p><lb/> </div> </div> <div n="2"> <head> V.<lb/> A„S Galizien.</head><lb/> <note type="argument"> Schreiben eines Deutschen über die Nothzustände. — Fcohnbauern und Freie. —<lb/> Zur Charakteristik des galizischen Volks.</note><lb/> <p xml:id="ID_1009"> Um Ihnen einen Blick in die Zustände unserer Volksklassen zu eröffnen<lb/> sende ich Ihnen heute eine wortgetreue Abschrift eines Privatbrieses, den ich vor<lb/> einigen Tagen von einem in unabhängiger Stellung im Samborer Kreise (der<lb/> sich sonst durch seine Fruchtbarkeit auszeichnet) lebenden Freunde, einem Deut¬<lb/> schen, erhielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1010" next="#ID_1011"> „Wie herzerschütternd, ja grauenhaft das Elend meiner Umgebung sich dar¬<lb/> stellt, vermag ich nicht zu schildern. Der beiliegende Brvdlaib wird genng<lb/> sagen und ich darf nnr hinzufügen, daß man ans den Feldern und Straße», in<lb/> den Gassen der Ortschaften allüberall Männer, Weiber und Kinder findet, die<lb/> vor Hunger gestorben. Gestern fiel ans der Gasse vor mir ein Knabe zur Erde<lb/> nieder; ich trat hinzu, er war leblos und die Section zeigte, daß ihn Hunger<lb/> getödtet. Vor einigen Tagen sah ich ein altes Mütterchen vor einer Scheuer<lb/> die einzeln umherliegenden Gctraidekörncr, welche die Sperlinge noch nicht weg¬<lb/> gepickt hatten, auflesen und gierig "verschlingen. Alle Familienvande sind zer¬<lb/> rissen und Eltern und Kinder irren vereinzelt umher, um Nahrung für sich zu<lb/> suchen. , Die Selbstsucht tritt in ihrer schrecklichsten Gestalt hervor, denn selbst<lb/> die Mutter verzehrt allein ihre etwaige Speise und vergißt dabei ihres Kindes,<lb/> während der Vater das ihm geschenkte Getraide bei dem Juden gegen Braune-</p><lb/> <note xml:id="FID_31" place="foot"> *) Das Brod, von dem ich der geehrten Redaction einige Stückchen sende, besteht<lb/> aus Hafer sammt der Spreu, aus gestoßenem Hcmfsaamen und aus Blättern, und sieht<lb/> ähnlicher einem Stück Pfcrdekoth als einer Menschennahrung, <><>> einem Brode, dieser<lb/> Gottesgabe, wie das Volk es oft zu nennen pflegt.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0279]
Tänzerin hatte die Fenella gliederpuppcnartig verarbeitet, die unvermeidliche Mad.
Hoffmann sang Essig dazu, das gcdrängtvolle Haus tobte, zischte und pfiff, — mit
Noth spielte die Oper zu Ende; wahrlich solche Belustigungen könnten wir wohl
auch ohne den Zuschuß von I0W Fr. habe», und über die Langmuth der In¬
tendanz ist sich zu wundern.
Durch Schaden wird man klug; durch Mißgriffe früherer Direction belehret,
welche sich in Rcbcnspeculationcn eingelassen, und das Ziegelbrennen mit Vorliebe
betrieben, ward in dein neue"n Contracte bedungen, der Director dürft niemals
Ziegelbrcnner werden; das nächste Mal wird bedungen werden müssen, der Direk¬
tor dürfe keine Sängerin zur Frau haben, wenigstens keine Mad. Hoffmann,
welcher wir rathen mochten, in Zukunft die Rolle der Stummen zu übernehmen,
ohnehin ist's die Titelrolle, und ans diese hat sie das nächste Anrecht als Di-
rectrice.
V.
A„S Galizien.
Schreiben eines Deutschen über die Nothzustände. — Fcohnbauern und Freie. —
Zur Charakteristik des galizischen Volks.
Um Ihnen einen Blick in die Zustände unserer Volksklassen zu eröffnen
sende ich Ihnen heute eine wortgetreue Abschrift eines Privatbrieses, den ich vor
einigen Tagen von einem in unabhängiger Stellung im Samborer Kreise (der
sich sonst durch seine Fruchtbarkeit auszeichnet) lebenden Freunde, einem Deut¬
schen, erhielt.
„Wie herzerschütternd, ja grauenhaft das Elend meiner Umgebung sich dar¬
stellt, vermag ich nicht zu schildern. Der beiliegende Brvdlaib wird genng
sagen und ich darf nnr hinzufügen, daß man ans den Feldern und Straße», in
den Gassen der Ortschaften allüberall Männer, Weiber und Kinder findet, die
vor Hunger gestorben. Gestern fiel ans der Gasse vor mir ein Knabe zur Erde
nieder; ich trat hinzu, er war leblos und die Section zeigte, daß ihn Hunger
getödtet. Vor einigen Tagen sah ich ein altes Mütterchen vor einer Scheuer
die einzeln umherliegenden Gctraidekörncr, welche die Sperlinge noch nicht weg¬
gepickt hatten, auflesen und gierig "verschlingen. Alle Familienvande sind zer¬
rissen und Eltern und Kinder irren vereinzelt umher, um Nahrung für sich zu
suchen. , Die Selbstsucht tritt in ihrer schrecklichsten Gestalt hervor, denn selbst
die Mutter verzehrt allein ihre etwaige Speise und vergißt dabei ihres Kindes,
während der Vater das ihm geschenkte Getraide bei dem Juden gegen Braune-
*) Das Brod, von dem ich der geehrten Redaction einige Stückchen sende, besteht
aus Hafer sammt der Spreu, aus gestoßenem Hcmfsaamen und aus Blättern, und sieht
ähnlicher einem Stück Pfcrdekoth als einer Menschennahrung, <><>> einem Brode, dieser
Gottesgabe, wie das Volk es oft zu nennen pflegt.
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